Franz Ferdinand. Alma Hannig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alma Hannig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783902862792
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Immer wieder betonte Franz Ferdinand in seinen Briefen, wie sehr er sich über Maries Briefe freuen würde: »Bitte seien Sie so gut und barmherzig und erleuchten Sie meine hiesige traurige Existenz mit einem recht baldigen Briefe; wenn auch nur einige Zeilen mit der Mitteilung, daß es Ihnen gut geht.«173 Die Vorfreude auf die bevorstehenden gemeinsamen Treffen beinhalteten auch eine leicht schwärmerische Note: »dann müssen Sie erlauben, daß ich einmal zu Ihnen komme und Sie recht lange seckiere, nicht Habtacht-Visite, sondern ein gemütlicher Plausch à la Lölling auf der Guttaring, wie wir so kunstvoll Mühle gezogen haben oder patiencen legten. […] wie viel muß ich an die herrliche Zeit denken und hierauf an unsere Partie nach Korsika und Monte Carlo. Wie schön wäre es jetzt wieder, dort zu sein.«174 Im gleichen Brief brachte er lediglich in einem Satz sein Bedauern zum Ausdruck, »Gräfin Sophie nicht mehr in Wien gesehen zu haben«. Zudem klangen seine Versicherungen aus dieser Zeit – wie eingangs zitiert – sehr überzeugend, dass er nicht heiraten wolle: »Sie kennen mich wohl schon genug, um zu wissen, daß solange mein Wille noch der einzig maßgebende ist, ich dies nie tun werde.«175 Auch Gräfin Fugger berichtete er noch Ende 1896, dass Versuche unternommen werden, ihn »zur Ehe [zu] zwingen«, dass dies aber das Gegenteil bewirke, »denn meine antimatrimonialen Gefühle werden dadurch nur bestärkt«.176

      Erst zwei Jahre später, als er vollständig genesen und als Thronfolger fest installiert war, zeigte sich Franz Ferdinand zum ersten Mal für Heiratspläne offen. »Auch daß Gräfin sagen und mir zureden, ich sollte heiraten, ist ja so richtig und ich fange nachgerade an, dies selbst einzusehen. Ich sehne mich ja selbst schon nach Ruhe, nach einem gemütlichen Heim, nach einer Familie.«177 Sein Problem sei es allerdings, eine passende Frau zu finden, denn unter den heiratsfähigen Prinzessinnen seien »lauter siebzehn- oder achtzehnjährige Piperln, eine schiecher als die andere. Und die Erziehung meiner Frau zu besorgen, dazu bin ich zu alt, dazu habe ich weder Zeit noch Lust.«178 Ideal wäre ein »nicht zu junges Wesen, mit bereits vollkommen gefestigtem Charakter und Anschauungen«. Da es so eine Prinzessin nicht gebe, wolle er lieber ledig als unglücklich sein.179 Ob Franz Ferdinand damit gemeint hat, dass es keine passende Prinzessin gab, oder ob er allgemein noch keine Frau kannte, die seinem Idealbild entsprach, bleibt offen.

      Dazu passt auch die Aussage Franz Ferdinands, die Eisenmenger festgehalten hat, dass »wenn unsereiner jemanden gern hat, sich immer im Stammbaum irgendeine Kleinigkeit [findet], die die Ehe verbietet, und so kommt es, daß bei uns immer Mann und Frau zwanzigmal miteinander verwandt sind. Das Resultat ist, daß von den Kindern die Hälfte Trottel und Epileptiker sind.«180 Möglicherweise paraphrasierte Franz Ferdinand hier nur seine Tante Elisabeth, die sich in ähnlichem Sinne geäußert haben soll.181

      In den Jahren 1897 und 1898 sind sich Franz Ferdinand und Sophie relativ oft begegnet und es ist anzunehmen, dass ihre Liebesbeziehung in dieser Zeit begann. Damals besuchte der Thronfolger häufig die Familie des Erzherzogs Friedrich, wo Gräfin Chotek als Hofdame der Erzherzogin Isabella angestellt war. Erzherzogin Isabella hatte sieben Töchter, von denen die Älteste im heiratsfähigen Alter war. Als sich die Besuche Franz Ferdinands im Palais Grassalkovich in Pressburg (der heutige Sitz der slowakischen Regierung in Bratislava) häuften, nahm die hocherfreute Isabella an, dass sich der Thronfolger für ihre Tochter interessiere. Gräfin Chotek war in der Familie sehr beliebt und man brachte ihr großes Vertrauen entgegen. So hatte sie beispielsweise die Aufsicht für eine Tochter übernommen, die wegen Krankheit für mehrere Wochen nach Abbazia (Opatija) geschickt wurde. Auch in der Zeit sahen sich Sophie und Franz Ferdinand, da dieser den Ausbau der Marine vorantrieb und sich deshalb häufiger in Fiume (Rijeka) und Abbazia aufhielt.182

      Trotz umfangreicher Korrespondenz zwischen Sophie und Franz Ferdinand blieb die Beziehung geheim. Sicherlich ist dies auf die große Diskretion seiner Angestellten zurückzuführen, da die gewählten Pseudonyme (Graf Artstetten oder Franzi Hohenberg) in Kombination mit der sehr charakteristischen Schrift des Thronfolgers leicht zu durchschauen waren. Es ist aber auch davon auszugehen, dass die Tatsache, dass der Erzherzog eine rege und herzliche Korrespondenz mit seinem Freund Jaroslaw Thun und Sophies Schwester Marie pflegte, dazu beitrug, dass man die Briefe an Sophie für harmlos hielt. Außerdem war von dem sonst korrekten und auf seinen Stand genau bedachten Erzherzog gar nicht zu erwarten, dass er eine ernsthafte Beziehung mit einer nicht ebenbürtigen Frau eingehen würde.

      Wie die Liebesgeschichte zwischen Gräfin Chotek und Erzherzog Franz Ferdinand letztendlich bekannt wurde, gehört zu einer der großen Legenden, die die Dramatik dieser Liebe unterstreichen: Nach einem Tennismatch in Pressburg soll der Thronfolger in einer Umkleidekabine seine Uhr vergessen haben. Als die Diener diese der Erzherzogin Isabella brachten, stellte sie mit Entsetzen fest, dass sich im Medaillon ein Foto ihrer Hofdame befand. Nach der sofortigen Beurlaubung und anschließenden Entlassung Sophies soll sich Erzherzogin Isabella auf den Weg nach Wien gemacht haben, um dem Kaiser von dem Vorfall zu berichten, natürlich mit dem Ziel, den Thronfolger zur Räson zu bringen und die Beziehung zu Sophie zu beenden. Ob die Geschichte sich jemals so abgespielt hat, kann durch keine Quelle belegt werden. Sie wurde aber in den adeligen Kreisen in dieser oder ähnlicher Form erzählt und sorgte für einen großen Skandal.183 Das Verhältnis zwischen dem Thronfolger und der Familie des Erzherzogs Friedrich verschlechterte sich in der Folge enorm. Erzherzogin Isabella war nicht nur darüber enttäuscht, dass sie den begehrtesten Junggesellen der Monarchie nicht zum Schwiegersohn bekam, sondern dass sie monatelang von Sophie und Franz Ferdinand hintergangen worden war.

      Gräfin Chotek reiste zu ihrer Schwester Zdenka nach Wien. Erzherzog Franz Ferdinand wurde in die Hofburg zitiert und vom Kaiser zur Rede gestellt. Zum Entsetzen des Monarchen erklärte er, Sophie heiraten zu wollen. Franz Joseph war prinzipiell gegen jede unebenbürtige Ehe und verlangte von allen Familienmitgliedern, die solche Beziehungen eingegangen waren, die gesellschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen. Häufig bedeutete dies den Austritt aus dem Erzhaus, den Verlust aller – auch militärischen – Ränge und deutlich geringere oder gar keine Apanagen. Franz Joseph reagierte in diesem Fall besonders abweisend, da es sich bei der Heirat eines Thronfolgers um ein Politikum höchster Stufe handelte. Eine unebenbürtige Heirat würde nicht nur wegen der Nichtbeachtung der Traditionen und eigener Hausgesetze das Haus Habsburg diskreditieren. Es würde auch verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, die möglicherweise genutzt würden, um die Monarchie zu destabilisieren. Denn die ungarischen Gesetze kannten eine Unebenbürtigkeit der Gemahlin nicht, d. h. Sophie hätte zur Königin von Ungarn gekrönt werden können, ebenfalls zur Königin von Böhmen.184 Kaiserin von Österreich konnte sie hingegen nie werden. Franz Josephs Hofbeamte befürchteten also, dass die ganze Angelegenheit im Rahmen der Nationalitätenkämpfe missbraucht werden könnte. Zudem bereitete eine solche Heirat unnötige zeremonielle Probleme bei allen wichtigen politischen Treffen im In- und Ausland.

      Der Thronfolger zeigte sich unnachgiebig, wollte weder auf den Thron noch auf die Gräfin verzichten, und der Kaiser entließ ihn, ohne eine Entscheidung verkündet zu haben. Franz Ferdinand berichtete von diesem und einem weiteren Gespräch, das zwei Wochen später in der Hofburg stattfand, in zwei Briefen an Sophie: Er habe dem Kaiser erklärt, dass er sich »diesen Schritt seit zwei Jahren überlegt habe. […] Dann kam er [Franz Joseph, Anm. d. Verf.] mit der Wucht der Gegengründe, schließlich ›mach dir keine Hoffnungen, ich werde es mir überlegen.‹ «185 Sowohl Franz Joseph als auch sein Neffe ließen daraufhin von namhaften Politikern, Diplomaten und Juristen prüfen, welche politischen und rechtlichen Konsequenzen eine unebenbürtige Heirat haben könnte.186 Sophie verbrachte diese Zeit auf den Gütern ihrer Geschwister, korrespondierte und traf sich mit dem Thronfolger. Franz Ferdinand nutzte jede Gelegenheit, seine Liebe zu Sophie öffentlich zu bekunden und darauf hinzuweisen, dass er entweder »eine Herzensehe oder gar keine«187 eingehen würde. In den nächsten Monaten wurden zahlreiche Versuche unternommen, das Paar auseinanderzubringen. All diejenigen, die sich einmischten und gegen die Ehe argumentierten, fielen somit beim Thronfolger in Ungnade, darunter sein ehemaliger Lehrer Marschall, aber auch seine Brüder Otto und Ferdinand.188

      Über die allgemeine Ablehnung der Gräfin Chotek als zukünftige Frau des Erzherzogs in den adeligen Kreisen haben zahlreiche Zeitgenossen berichtet.189 Der deutsche Botschafter in Wien, Fürst Eulenburg,