Franz Ferdinand. Alma Hannig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alma Hannig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783902862792
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dankte Franz Ferdinand besonders herzlich für alles, was sie für ihn und Sophie getan hatten. Der Mutter gestand er, dass »Soph ein Schatz ist« und dass er selbst »unsagbar glücklich« sei. »Sie sorgt für mich, mir geht es famos, ich bin gesund und viel weniger nervös. Ich fühle mich wie neugeboren.«213

      Während in den adeligen Kreisen nach wie vor der Ärger und die Enttäuschung über Franz Ferdinands Entscheidung und den dadurch entstandenen »Schaden für die Monarchie« vorherrschten, wurde in der breiten Öffentlichkeit die Hochzeit recht positiv dargestellt. Alle Zeitungen berichteten von der freudigen Stimmung, die in der gesamten Monarchie herrschte, von der Beflaggung und Ausschmückung in Reichstadt, von einer schlichten Zeremonie, von der Schönheit der Braut und dem »Herzensroman« des Brautpaars.214 Die Gäste wurden genau aufgezählt, die Sitzordnung bekanntgegeben, jeder zeremonielle Schritt erklärt und die Rangerhöhung der Gräfin gemeldet, sodass das Thema Unebenbürtigkeit mitschwang, ohne es explizit zu benennen.215 Die Zeitungen beschrieben auch scheinbar unwichtige Details, die jedoch die Beliebtheit des Thronfolgers indirekt suggerieren sollten. So wurde beispielsweise gemeldet, dass die Prager Post extra Beamte nach Reichstadt abbestellt habe, um die Unmengen an Glückwunschschreiben und Telegrammen bewältigen zu können. Im gleichen Artikel wurde auch erwähnt, dass der Handel mit den Ansichtskarten des Paares extrem gestiegen war.216 Die sonst für offizielle Nachrichten und ihren nüchternen Ton bekannte Wiener Zeitung befasste sich mit dem Ablauf der Feier sogar so detailliert, dass sie über die Bonbonnieren und Bonbons von der Tischdekoration berichtete, welche die Bildnisse der anwesenden Damen trugen.217

      Scheinbar hatten die großen Zeitungen der Hauptstadt einvernehmlich darauf verzichtet, das Problem der Unebenbürtigkeit in ihren Berichten über die Hochzeit direkt anzusprechen, während sich die Presse in den anderen Teilen der Monarchie durchaus dazu äußerte. Der Grundtenor war, dass man die »vornehme Gesinnung«, die »ungewöhnliche Charakterstärke« und die »so seltene Ausdauer« des Erzherzogs bei seinen Heiratsplänen lobte.218 Die Liebesheirat wurde positiv bewertet und man war sich einig, dass der Thronfolger für sein Verhalten bei allen Völkern der Monarchie Hochachtung, Zuneigung und Sympathie verdiene. Der Hinweis, dass diese Heirat jedoch nur der Güte und Großzügigkeit des Kaisers zu verdanken war, durfte aber in keiner Zeitung fehlen.

      Beachtlich ist die Anzahl der Artikel, die in diesen Tagen erschienen sind, die den Thronfolger im besten Licht darstellten. Ob eine gesteuerte Kampagne dahinter steckte, oder ob die Presse von sich aus die Neugierde über den der Öffentlichkeit eigentlich unbekannten Thronfolger befriedigen wollte, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Das, was normalerweise bei der Bekanntgabe der Thronfolge über einen Prinzen berichtet wurde, war erst jetzt erfolgt: Geschichten und Anekdoten, die den Erzherzog menschlicher, volksnäher und sympathischer machten. Beispielsweise schrieb das Prager Tagblatt, dass der Thronfolger, den man übrigens zu wenig kenne, nun mit seiner Liebesheirat »mit einem Schlage den letzten Bauer in den verstreuten Dörfern des weiten Habsburgerreiches zum Vertrauten seines großen Herzens gemacht [hat]. Heute kennen ihn Alle – und heute bewundern ihn Alle!«219 Die Tatsache, dass er in Reichstadt geheiratet habe, in Konopischt wohne und in Budweis lange tätig gewesen sei, mache ihn zu einem der »Unseren«. Ein langer Bericht eines »Kenners« unterstrich noch alle positiven Eigenschaften des künftigen Kaisers: weltmännisch und volksnah, hilfsbereit, kinderlieb, hochherzig und leutselig.220 Am 1. Juli 1900 veröffentlichte das Deutsche Volksblatt ebenfalls einen langen Artikel über Erzherzog Franz Ferdinand, in dem er sehr freundlich charakterisiert wurde. Interessanterweise erfuhr man über die Braut kaum etwas. Lediglich ihre Schönheit und Schlankheit sowie die vornehme Zurückhaltung und Bescheidenheit wurden angesprochen – über ihre Familie, ihren bisherigen Lebensweg oder gar ihre Anstellung bei Erzherzogin Isabella erfuhren die Leser nichts. Die Reichspost brachte die längsten und positivsten Artikel über den Thronfolger. Im Vorfeld der Hochzeit wurden die Angelegenheiten der morganatischen Ehe ausführlich beschrieben und der Erzherzog in den höchsten Tönen in allen Eigenschaften gelobt – als Militär, Politiker, Kunstkenner.221 Die Reichspost bekundete offen »Sympathien für den Prinzen, der den Muth hatte, auch in seiner exceptionellen Stellung den Weg zu finden, welcher der Liebe ebenso, wie der Pflicht gleichzeitig gerecht werden konnte«.222

      Die Titelseite des Satireblatts Der Floh erinnert fast an die heutige Boulevardpresse: in großen Buchstaben prangte über den Illustrationen des Paares und einem Gedicht das Wort »Herzenskaiserin«. Die letzte Strophe des Gedichts lautete:

      »Dein Reich ist nicht von dieser Welt,

      Im Herzen bist Du Herrscherin,

      Für den, der einst das Szepter hält,

      Heut’ schon die ›Herzenskaiserin!‹ «223

      Die positive Berichterstattung über die Hochzeit und den Thronfolger dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das, was im Vorfeld aus der kaiserlichen Umgebung an Bedenken geäußert worden war, zumindest teilweise eintrat. Vom 28. bis 30. Juni 1900 beschäftigten die Frage des Verzichts Franz Ferdinands auf die Thronfolge für seine künftigen Kinder sowie die staats- und verfassungsrechtlichen Folgen einer morganatischen Ehe alle Zeitungen. Die nationalistische Presse vor allem der ungarischen Opposition und der Jungtschechen benutzte den Renuntiationseid, um die Verfassungsfrage aufzuwerfen sowie Autonomiebestrebungen und Nationalitätenkonflikte zu schüren. Die Reichspost und das Deutsche Volksblatt konterten mit antiungarischen und antitschechischen Parolen.224 Die Aufregung legte sich jedoch in den nächsten Tagen, da die Nachrichten aus dem Ausland, allen voran der sogenannte Boxeraufstand in China, für Unruhe in Europa sorgten und alles andere überlagerten.

      Die entscheidende Folge der Eheschließung war aber letztlich die Verschlechterung der persönlichen Beziehung zwischen Kaiser Franz Joseph und seinem Neffen.225 Zahlreiche Zeitzeugen bestätigten, dass der Kaiser den Thronfolger ohnehin nicht mochte und dass sich das Verhältnis nach der unebenbürtigen Hochzeit dramatisch verschlechtert habe. Der ehemalige Sektionschef im Ministerratspräsidium, Rudolf Sieghart, berichtete, dass der Kaiser über »diese Zumutung sehr ungehalten, ja entrüstet« war und dies bis zum Tod des Erzherzogs angehalten habe.226 Der deutsche Reichskanzler Bülow begründete Franz Josephs Abneigung damit, dass Franz Ferdinand »an den Platz seines von ihm zärtlich geliebten einzigen Sohnes getreten war«227 und dass die morganatische Ehe die Situation nur noch verschärft habe. Dass die Frage der Unebenbürtigkeit für Kaiser Franz Joseph von zentraler Bedeutung war, wird an der Tatsache deutlich, dass das Familienstatut der Habsburger noch knapp drei Wochen vor der Hochzeit um eine Neuinterpretation des Eheparagrafen ergänzt wurde. Dort wurden nun jene Fürstenhäuser namentlich aufgezählt, die als ebenbürtig galten. Die Familie Chotek gehörte selbstverständlich nicht dazu.228

      Trotz allem bemühte sich Franz Joseph um ein korrektes Verhältnis zu seinem Neffen. Die erste offizielle Einladung des Kaisers an Fürstin Hohenberg und Erzherzog Franz Ferdinand erfolgte im September 1900. Nach der Begegnung berichtete Franz Joseph seiner Freundin Katharina Schratt, dass alles »ganz gut« gelaufen war und der Thronfolger »sehr zufrieden zu sein [scheint]«. Über dessen Frau schrieb er, sie sei »natürlich und bescheiden, sieht aber nicht mehr jung aus«.229 Zwei Wochen später machte Franz Joseph der Fürstin seine Visite im Belvedere und schaute sich die neu hergerichtete Wohnung an.230

      Insgesamt führte die Eheangelegenheit zu einigen Zerwürfnissen im Umfeld Franz Ferdinands. Die Beziehung zu seinem Bruder Otto erreichte ihren Tiefpunkt nach dem Beschluss Franz Ferdinands, Sophie Chotek zu heiraten. Otto schätzte zwar die Gräfin, war aber der Meinung, dass der künftige Herrscher Österreichs keine morganatische Ehe eingehen dürfe. Er blieb ebenso wie die beiden anderen Geschwister Franz Ferdinands der Trauungszeremonie fern. Ironischerweise sollte später der zweite Bruder des Thronfolgers, Erzherzog Ferdinand, in eine ähnliche Situation geraten, bei der er vergeblich auf das Verständnis und die Hilfe Franz Ferdinands hoffte. Er heiratete 1909 Bertha Czuber, die Tochter eines Wiener Professors, und verschwieg dies der gesamten Familie. Als zwei Jahre später die Geschichte bekannt wurde, wurde er aus dem Familienverband ausgeschlossen und lebte seitdem unter dem Namen Ferdinand Burg im Ausland.231 Abgesehen davon, dass Erzherzog