Franz Ferdinand. Alma Hannig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alma Hannig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783902862792
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Ferdinands gegenüber Italien seit vielen Jahren in allen Kreisen bekannt und resultierte in erster Linie aus dem Verhalten des italienischen Staates dem Papst gegenüber sowie der irredentistischen Bewegung der Italiener in der Habsburgermonarchie.248 Der deutsche Reichskanzler Bülow, der Sophie als »durch und durch die elegante, rassige, ›fesche‹ österreichische Komteß aus gutem Hause«249 beschrieb, stellte die Übereinstimmung der Meinungen der beiden Ehepartner in bestimmten Fragen fest und ging von einem großen persönlichen Einfluss Sophies auf den Thronfolger aus. Eine konkrete Einmischung in die politischen Angelegenheiten ihrerseits konnte er jedoch nicht feststellen.250 Der österreichische Ministerpräsident Koerber verneinte ebenfalls, dass Franz Ferdinands »Frau auf ihn einen politischen Einfluß übt«.251

      Auch wenn die Liebe des Erzherzogs zu seiner Frau einen sehr hohen Stellenwert in seinem Leben einnahm, gilt es zu beachten, dass der Thronfolger durch seine Erziehung und ständige Ausübung von Pflichten ein Verständnis von Macht und Politik entwickelt hatte, in dem die Bedeutung des Privatlebens nicht überschätzt werden darf. Sicherlich wird der nette, freundliche Umgang mit seiner Frau einen positiven Einfluss auf die Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen – sogar auf der monarchischen Ebene – gehabt haben. Dass aber dadurch die politischen Einstellungen und Handlungen Franz Ferdinands im entscheidenden Maße beeinflusst worden sind, ist eher unwahrscheinlich. Da spielen das Weltbild und die politischen Überzeugungen des österreichisch-ungarischen Thronfolgers eine weit wichtigere Rolle.

      Ähnliches gilt auch in Bezug auf die innenpolitischen Handlungen und Pläne Franz Ferdinands. Von unterschiedlicher Seite und mit unterschiedlichem Ziel wurde behauptet, dass seine »Slawenfreundlichkeit«, die es ohnehin zu hinterfragen gilt, auf den Einfluss der böhmischen Gräfin zurückzuführen sei.252 Dabei war Sophie in deutschsprachigen Adelskreisen Böhmens und Deutschlands sozialisiert worden und äußerte sich nie in nationalen Kategorien. Wie ihre Meinung über die Magyaren oder Südslawen war, ob sie Italiener mochte oder nicht, ob sie ähnlich russophil wie ihr Mann oder eher anglo- oder germanophil war – diese Fragen lassen sich anhand der Quellen nicht beantworten. Um ihren Einfluss auf den Thronfolger in politischen Fragen dennoch etwas besser einschätzen zu können, erscheint es sinnvoller, die Kontinuität beziehungsweise die Brüche in den Einstellungen des Thronfolgers vor und während seiner Ehe zu untersuchen, wobei alle anderen Einflussfaktoren ebenfalls mitzuberücksichtigen sind.

      Die Auswirkungen der morganatischen Ehe sind jedoch in einem Bereich klar festzustellen: Die Vorgaben des spanischen Zeremoniells, die eine Ungleichbehandlung seiner Ehefrau vorsahen, führten nicht nur zum häufigen Fernbleiben des Thronfolgers vom Wiener Hof, sondern auch zur Vermeidung der Wahrnehmung von Repräsentationspflichten im In- und Ausland.253

      3. Repräsentation

      Nach dem Tod des Kronprinzen Rudolf wurde Erzherzog Franz Ferdinand mit repräsentativen Aufgaben betraut. Dies war zumindest am Anfang das einzig sichtbare und wahrnehmbare Zeichen für seine neue Position innerhalb der Monarchie. Obwohl er völlig unerfahren auf dem Gebiet der Politik, Diplomatie und internationaler Treffen war, sollte er bereits Ende Mai/Anfang Juni 1889 auf Wunsch des Kaisers zum 25-jährigen Regierungsjubiläum König Karls I. von Württemberg nach Stuttgart reisen und die Habsburgermonarchie repräsentieren. Nur wenige Monate später begleitete er Kaiser Franz Joseph zu einem Besuch nach Berlin.254

      Die erste selbstständige diplomatische Mission führte ihn im Februar 1891 nach Russland. Der Erzherzog wurde mit dem Ziel entsandt, die Beziehungen zum Zarenreich auf eine bessere Grundlage zu stellen. Er hielt sich vom 4. bis 21. Februar 1891 dort auf und verbrachte die meiste Zeit in St. Petersburg. Begleitet wurde er von Prinz Gottfried Hohenlohe, dem späteren Militärattaché in Russland, sowie Feldmarschallleutnant Graf Üxküll-Gyllenbandt und Legationssekretär Heinrich Graf Clam-Martinic.255 Der damalige Legationsrat an der österreichisch-ungarischen Botschaft in St. Petersburg, Aloys Freiherr von Aehrenthal, schrieb vor der Ankunft des jungen Thronfolgers, dass diese Reise sicher »gute Folgen« haben werde, dass sich aber die Interessengegensätze zwischen den beiden Staaten eventuell nicht beseitigen lassen.256

      Dies war in der Tat der Fall. Aber auch wenn ihm die Anbahnung eines Dreikaiserbündnisses nicht gelang, kann Franz Ferdinands Besuch in Russland als »voller Erfolg« bezeichnet werden.257 Der Erzherzog habe »durch sein natürliches, vornehmes aber zugleich bescheidenes Auftreten und Wesen überall den besten Eindruck hervorgerufen. Die Majestäten und die ganze kaiserliche Familie haben Ihn mit Liebenswürdigkeiten überhäuft und alles aufgeboten, um Ihm den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Der Verkehr zwischen den Majestäten und dem Erzherzog war ein sehr natürlicher und herzlicher.«258 Der Besuch von Kasernen, die Teilnahme an großen Militärparaden, mehrere Empfänge und Jagden sowie ein Hofball waren die wesentlichen Bestandteile des absolvierten Programms des Thronfolgers.259

      Die Russlandreise war für die Pflege der monarchischen Beziehungen und vor allem für die Einführung des Erzherzogs Franz Ferdinand in die Repräsentationspflichten enorm wichtig.260 Umgekehrt prägten die Erfahrungen, die er dort machte, vor allem der Empfang am Zarenhof, in entscheidendem Maße Franz Ferdinands Russlandbild, das bis zu seinem Tod positiv bleiben sollte. Aehrenthal war überzeugt, dass der Erzherzog »die angenehmsten Eindrücke« aus Russland mitgenommen habe.261 Und auch in Berlin erfuhr man davon, dass die Petersburger Reise dem Erzherzog »sehr imponiert« habe. »So etwas von Liebenswürdigkeit, Großartigkeit und dabei Natürlichkeit wie bei diesem Empfang sei dem jungen Herrn noch nicht vorgekommen und wird ihm einen dauernden Eindruck hinterlassen.«262

      Der nächste Russlandaufenthalt des Thronfolgers war kurz. Anlässlich des Todes des Zaren Alexander III. nahm Franz Ferdinand zusammen mit dem Prinzen von Wales und den Königen von Dänemark, Serbien und Griechenland im November 1894 an den Trauerfeierlichkeiten teil.263

      Den Prinzen von Wales hatte der Erzherzog erst wenige Monate zuvor bei seiner ersten Englandreise kennengelernt. Begleitet wurde er damals von Freiherrn von Aehrenthal, den er aus St. Petersburg kannte. Eine ausführliche, äußerst unterhaltsame Beschreibung des Aufenthalts in England lieferte der Erzherzog in einem Brief an Marie von Thun. Der Besuch habe mit einem »große[n] Rummel« und »festlichen Empfang« in Dover begonnen, von wo aus man sich mit dem englischen Hofzug, in dem man – zum Erstaunen des Thronfolgers – die eigenen Plätze selbst bezahlen musste, auf den Weg nach Windsor machte. Dort erschien Franz Ferdinand in der Galauniform eines ungarischen Generals, die wegen ihrer Enge und des Pelzes »ein längeres Sitzen nicht gestattet« habe.264

      Die Audienz bei Queen Victoria muss recht gut verlaufen sein, denn Aehrenthal erfuhr, dass die »streng urteilende Königin« den Erzherzog sympathisch fand.265 Franz Ferdinand hatte die Begegnung wohl etwas anders wahrgenommen: Während die Queen auf einem goldenen Sessel in einem goldenen Zimmer saß, sollte der österreichisch-ungarische Thronfolger auf »einem ganz kleinen tabouret« Platz nehmen. »Mir war da sehr ungemütlich zu Mute, ich kam mir wie ein ungezogener Schulbub vor, der strafweise auf eine Extrabank verwiesen worden ist. Die folgende Konversation wäre sehr unterhaltend gewesen zu stenographieren, da ich infolge meiner Taubheit absolut nichts verstand, was mir die Guteste sagte, und dementsprechend die verkehrtesten Antworten gab. Mir stand der Angstschweiß auf der Stirne, nachdem die ganze Geschichte die Umstehenden äußerst zu ergötzen schien. So nahm ich mir endlich einen Rand und begann selbst alles Mögliche zu plauschen, um sie nicht zu Worte kommen zu lassen. Die Folge dieser List war zuerst ein sprachloses Erstaunen Ihrer Majestät und hierauf ein schleuniges gnädiges Entlassen meiner Persönlichkeit.«266 Trotz dieser Schilderung muss die Königin von Franz Ferdinand »ganz entzückt« gewesen sein. Graf Mensdorff meldete dies nach Wien und betonte, dass der Erzherzog auch auf die Prinzessin von Wales und ihre Töchter, die sonst »nie besonders für fremde Prinzen eingenommen sind, […] den denkbar günstigsten Eindruck« gemacht habe.267

      Bei allen Diners und Empfängen in Windsor und London, zu denen der Thronfolger eingeladen worden war und wo ihm die politische und gesellschaftliche Elite Englands vorgestellt wurde, ging es letztlich nur um eine Sache: das »herzerhebende […] Thema des