Nachtfunke 2. Marion Hübinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Hübinger
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Год издания: 0
isbn: 9783946843962
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noch so kurze Moment, in dem ich von meiner Gefährtin getrennt bin, fühlt sich an, als schlüge mein Herz nicht im richtigen Takt. Prompt reagiert mein Körper und ich bin sicher, Elin hört das laute Klopfen in meiner Brust. »Ich bin froh, dass du zurück bist.«

      Kapitel 4

      Fino

      Gundo und ich teilen uns schon zum dritten Mal die Nachtwache. Es tut gut, diese Stunden mit einem vertrauten Menschen zu verbringen. Umgeben von der Schwärze der Nacht, wissend um die Konturen der Gipfel, die sich wie an einem Seil aneinanderreihen. Jeder Einzelne buhlt darum, noch ein Stück höher hinaus zu ragen. Noch im Nachhinein bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass wir vier Bergketten überwunden haben.

      »Es hat sich gelohnt durchzuhalten, was meinst du?«

      Gundo spricht mir aus der Seele. In den dunklen Stunden, nur mit den funkelnden Lichtern über uns als stille Beobachter, kreisen unsere Gedanken um diesen Ort, an dem wir uns niedergelassen haben.

      »Ich bin vor allem froh, dass sich Telman wieder beruhigt hat.«

      »Auf jeden Fall«, stimmt Gundo mir zu, ehe er einen ausgiebigen Schluck aus dem Wasserschlauch trinkt. »Der ist trotzdem wie eine schwelende Glut, die jederzeit wieder aufflammen kann.«

      »Jula hält ihn auf Trab. Ich glaube, er hat einen Narren an der Kleinen gefressen.« Ich lache leise vor mich hin. »Warts ab, wie das mit Myra und eurem Baby erst wird.«

      »Ach, bis dahin ist noch viel Zeit. Jetzt ist erst mal wichtig, dass Myra zur Ruhe kommt. Unterwegs habe ich mich mehr als einmal um sie und das Kind gesorgt.«

      »Myra ist stark für zwei«, sage ich und sehe sie in dem Moment genau vor mir, wie sie mich nach meinem Kampf mit Pollis stützt. Damals fast selbst noch ein Kind. Andererseits mutig und zu allem entschlossen.

      Schweigen legt sich über uns wie eine schwere Decke, während ich meinen eigenen Erinnerungen nachgehe. Seit dem Überfall der Thuns auf unser Dorf, seit ich den Letzten meines Stammes zumuten musste, die Toten hinter sich zu lassen, trage ich diese eine Frage mit mir herum. Wäre alles anders gekommen, wenn ich mich damals dem Sohn des Thane nicht in den Weg gestellt hätte? Wenn ich seinen Zorn nie auf mich gezogen und Larina ihrem Schicksal überlassen hätte?

      Ich nehme einen tiefen Atemzug. »Ohne mich wären wir jetzt nicht hier.«

      »Was meinst du damit, Fino?« Ein Rascheln verrät mir, dass Gundo sich ein Stück aufrichtet. Ich sehe das Weiß in seinen Augen aufblitzen.

      »Ich hätte Bane abhalten können, Larina befreien zu wollen. Er ... wir hätten auf seinen Vater hören können ...«

      »Um dann damit leben zu müssen, dass wir unsere eigenen Frauen nicht beschützen können? Pollis hat es von Anfang an auf eine Auseinandersetzung angelegt. Ihm wäre jedes Mittel recht gewesen.«

      »Was, wenn ich Pollis nicht im Kampf getötet hätte ...«

      »Dann wärst du jetzt verdammt noch mal tot.«

      Gundos heftiger Ausbruch erwischt mich eiskalt.

      »Ich weiß gar nicht, was dich reitet, Fino. Myra meinte schon so etwas von wegen du siehst immer noch nicht nach vorn. Aber mal ehrlich, ohne dich hätte keiner von uns überlebt. Sieh es mal so herum!«

      Der junge Laxis ist kein Freund großer Worte, darum rührt er etwas in mir. Leise, wie ein Reh, das sich scheu einer Lichtung nähert, um nach frischem Gras zu suchen. Musste alles so kommen? Hatte die Göttin letztlich ihre Finger doch im Spiel, so wie Asya behauptet hat? Ich starre in die Weite dieser neuen Welt.

      »Wenn ich uns damals an einen anderen Ort geführt hätte, ich meine, nicht zu den Fens, dann wäre all das nie passiert.« Und ich hätte nie meine Seelengefährtin gefunden.

      »Das denkst du wirklich?« Gundo schlägt mir auf die Brust. »Lass nicht zu, dass Telmans sinnloser Vorwurf an dir nagt. Wo ist der Kriegeranführer geblieben, der weitsichtig genug war, uns zu retten? Vergiss es, Fino. Wenn einer richtig gehandelt hat, dann wohl du!«

      »Danke, Gundo, deine Worte bedeuten mir viel.«

      »Aber sie überzeugen dich nicht.«

      Frustriert schüttle ich den Kopf.

      Gundo reibt sich die kalten Hände. »Denk an Kanoa, oder von mir aus auch an Inde, Bane, Larina. Ich könnte noch viele Namen nennen. Lass ihre Opfer nicht umsonst gewesen sein. Und glaub mir, die Thuns hätten uns überall aufgespürt.«

      »Das behauptet Elin auch.« Ich streiche über die Stoppeln am Kinn. Elin hat mir den wilden Bart abgewetzt. Eine der ersten Taten, nachdem der Schmied das wenige Werkzeug herausgeholt hat, das wir retten konnten.

      »Sie hat recht. Und du bist ein Idiot. Bitte entschuldige, wenn ich das sage.«

      »Ist schon gut, Gundo. Ich weiß auch nicht, warum ...« Mit Absicht lasse ich den Satz unvollendet. Trotz Gundos ehrlichen Worten komme ich keinen Schritt weiter. Irgendetwas hält mich davon ab, unser Ankommen als solches zu sehen. Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt.

      Die Luft, die in den Nächten von Mal zu Mal kühler wird, bereitet mir Sorgen. Selbst die Wolken verändern sich. Sie fühlen sich feuchter an. Auch die fehlenden Siedler lassen mich auf einmal zweifeln. Warum hat sich niemand an diesem See niedergelassen, an dem es immerhin genügend Wasser, essbare Gräser und Früchte gibt?

      Ich werde den neuen Rat einberufen. Und zuvor noch einmal versuchen, mit Asya zu sprechen. Asya! Noch immer hat sich die alte Seherin nicht von den Strapazen der Reise erholt. Ich wünschte, ich könnte mit ihr so reden wie damals, als sie uns Fremde aufgenommen und mich gesund gepflegt hatte. Du wirst noch gebraucht. Waren nicht genau das ihre Worte? Aber worin liegt der Sinn, wenn die Fens genau wie wir ihrer Heimat beraubt wurden und ich die Schuld daran trage?

      »Ich weiß, was ihr sagen wollt.«

      Ich stehe den vier Seherinnen, Aso, Dragon, dem Schmied und Telman gegenüber, die neben Gundo, Myra und Elin dem neu entstandenen Rat angehören, und sehe in ihre fragenden Gesichter. Der Rat ist vor kurzem erst gebildet, alle anstehenden Aufgaben dabei besprochen und verteilt worden. Als Ort der Zusammenkunft wurde der Platz vor dem größten Fels gewählt, der für Kraft und Zusammenhalt stehen soll.

      »Ich komme gerade von Asya. Die wenigen klaren Momente haben gereicht, um mich darin zu bestärken, mit euch zu sprechen.«

      »Was ist denn los?« Der Schmied kreuzt die Arme vor der Brust, den Blick neugierig auf mich gerichtet.

      »Komm jetzt bloß nicht mit der Idee, uns den Ort madig machen zu wollen!«

      Für einen Moment entgleiten mir die Gesichtszüge. Woher kennt Telman den Grund dieser Zusammenkunft? Elins heimlicher Händedruck ist gut gemeint, gibt mir jedoch nur so viel Zuversicht wie ein stumpfes Messer.

      Ich räuspere mich. »So leid es mir tut, aber genau darum geht es.«

      Telman springt förmlich auf und spuckt auf die Erde. »Hab ich´s doch gewusst. Den Blödsinn muss ich mir nicht anhören.«

      Im Stillen danke ich dem Schmied, der ihn am Arm packt und auf seinen Platz zurückdrängt. »Wir hören uns erst an, was Fino zu berichten hat.«

      »Ich habe euch hergerufen, um meine Bedenken mit euch zu teilen.« Die Sonne verschwindet gerade hinter einer Wolke und verdüstert die Senke. Wie passend. »Ich habe Asya um Rat gefragt. Sie hat mir von ihrer Vision erzählt. Nur langsam und unter großer Anstrengung. Ich sage euch, dies ist nicht der Ort, den sie gesehen hat.«

      Erregtes Gemurmel setzt ein. Schwillt an, bis die einzelnen Rufe nicht mehr zu überhören sind.

      Die tiefe Stimme des Schmiedes findet zuerst das Gehör aller. »Die Vision interessiert mich nicht. Niemand hat Lust, deswegen weiterzugehen, das kannst du mir glauben, Fino.»

      »Sehe ich auch so«, sagt Dragon. Ich ertappe ihn dabei, wie er Elin