Wie ein Stein im tiefen Wasser. Ian Malz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Malz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847627067
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dort unten lagernden Textilien. Der Raum, in dem sich nun die drei befanden, war groß, hell, elegant und zweckmäßig eingerichtet. Caelius brachte hier immer seine besseren Kunden hin, um den Abschluss der Verhandlungen oder des Kaufes zu besiegeln. „Dieser Raum ist fast noch schöner eingerichtet wie der Wohnraum bei uns zu Hause“, dachte sich Quintus. Auf der von der Hauptstraße abgewandten Seite befand sich eine lange Fensterfront, die mehrfach von weißgrauen Marmorsäulen unterbrochen wurde. Von hier aus hatte man einen prächtigen Blick über die Dächer Roms. Wenn man sich hinausbeugte und an der Häuserfront in Richtung Westen, dort, wo die Via Sacra verlief, vorbeischaute, konnte man sogar einen Teil des Capitols sehen. Auf der Straße unter ihm war hektisches Treiben. In seiner Stadt herrschte zwar zur Geschäftszeit auch ein reges Kommen und Gehen. Aber in den Zeiten dazwischen war es doch merklich ruhiger. Hier, in Rom, schien aber das Leben von morgens bis abends zu pulsieren. Nun, Rom war ja auch viel, viel größer als Travestra. „Setz dich“, forderte der Vater Quintus auf. „Marcus, dies wird mein Nachfolger. Ich habe ihn heute mitgebracht, damit du ihn kennen lernst!“ Aber der Händler kannte Quintus schon von früheren Geschäften, als er noch zusammen mit seinem Bruder den Vater begleitete. Dass er mächtig gewachsen und ein richtiger Mann geworden sei, schmeichelte Caelius, während er ihm eine silberne Schale mit Weintrauben und Datteln hinhielt. Ein junges Mädchen kam mit gesenktem Kopf auf die drei Männer zu und brachte auf einem Tablett Gläser und einen Krug mit Wein. Sie goss die Gläser ein und stellte sie vor den Männern auf den Tisch. Quintus beäugte heimlich das junge Mädchen, das vielleicht gerade einmal sechzehn Jahre alt war. Es hatte eine sehr helle Haut und blonde, lange Haare, die auf der einen Seite des Kopfes zu einem Zopf geflochten waren. Marcus bemerkte Quintus´ interessierten Blick. Lachend gab er dem Mädchen einen fast zärtlichen Klaps auf ihr Hinterteil, als es sich gerade zum Gehen wenden wollte. Dies sei seine neue Errungenschaft. Aus einem kalten Land käme sie. Hoch oben im Norden. Noch weit hinter den Bergen. Gar nicht teuer wäre sie gewesen. Nur sprechen wolle sie noch nicht. Verstehen würde sie aber schon viele Anweisungen. Wenn Quintus wolle, könne er sich ja mit ihr ein bisschen intensiver beschäftigen und sie kennen lernen, meinte Marcus mit einem schnippischen Augenzwinkern. Dankend und leicht errötend winkte Quintus ab und nahm einen Schluck Wein. Die Männer lachten und das Mädchen lief mit leichten Tippelschritten aus dem Raum, um sich außerhalb, im Bereich der Türe, auf einen kleinen Teppich zu knien - immer ihren Herren und die Gäste im Blickfeld - um schnellstmöglich zu Diensten sein zu können. Marcus Caelius konnte, obwohl er einen so freundlichen Gesichtsausdruck hatte, doch recht zornig werden. Einmal hatte er sie sogar geschlagen.

      Die beiden Geschäftsleute unterschrieben einen Vertrag, der dem Vater für ein weiteres Jahr die Abnahme von mehrere hundert Krügen Öl zusicherte. Vater gab Quintus das Schriftstück, der es in einen ledernen Beutel verstaute, der seitlich an seiner Schulter hing. Die Männer gaben sich die Hand und besiegelten damit das Geschäft. Ein Säckchen mit Geld wechselte seinen Besitzer. Dieses verstaute Quintus ebenfalls in seinem Beutel. Marcus lud die beiden ein, noch vor der Abreise mit in die Therme zu kommen. Der Vater nahm das Angebot dankend an und Quintus war ebenfalls über diese Einladung erfreut, hatte er doch schon vieles über die Thermen in Rom gehört. Sie sollten recht groß und prächtig ausgestattet sein und viele bekannte Personen würden sich dort treffen. Die Via Konstantinis hinunter bis zur ersten Querstraße und dann noch ein kleines Stück, und schon waren sie an Ort und Stelle. Quintus konnte nicht glauben, dass dies eine Therme sein sollte. Sah eher aus wie ein Tempel für Jupiter oder Mars oder irgendeinen der anderen großen Götter. Eine mächtige Freitreppe führte zu einem Säulengang hinauf. Quintus zählte an die fünfunddreißig Stufen. Links und rechts der Treppe standen Figuren, manche hatten Köpfe wie Löwen, andere wieder wie Pferde. Hinter den Säulen lag ein zum Vorplatz hin offener Gang. Von hieraus führten doppelflügelige Türen ins Innere. Gruppen von sich unterhaltenden Geschäftsleuten kamen heraus. Andere gingen hinein. Einzelne Besucher standen draußen im Gang und schienen noch auf jemanden zu warten. Die beiden Holztüren waren nach innen hinein geöffnet, und Quintus konnte von hier aus schon die ganze Pracht des Ausbaues einsehen. Doch bevor die drei die Therme betraten, meinte Marcus mit einem verschmitzten Grinsen, er wolle Quintus noch den Raum zeigen, in dem er die besten Geschäfte tätige. Sie gingen den Gang entlang, bis sie zu einer verschlossenen Türe gelangten. Caelius öffnete sie und sogleich schlug ihnen ein unangenehmer Geruch entgegen, vermischt mit dem Duft von Kräutern und Ölen, der in dünnen Rauchschwaden aus Hängeampeln aufstieg, um eben den unangenehmen Duft zu vertreiben. Manchmal gelang dies und manchmal, so wie heute, eben nicht. An der Wand entlang saßen mindestens 15 Männer auf Holzbänken, die, mit einem Loch versehen, über einem Kanal mit fließendem Wasser montiert waren. Manche saßen auf dem Brett und stierten sinnend vor sich hin. Andere unterhielten sich, wild in der Luft gestikulierend, über Politik oder übers Geschäft. Ob sie sich dazugesellen mochten, wollte Marcus wissen. Beide winkten ab und gingen rasch wieder vor die Türe. Vater kannte diesen Ort schon von früheren Besuchen. Auch er hat hier schon das eine oder andere Geschäft getätigt oder zumindest angebahnt. Quintus wusste, dass es in den Thermen von Rom und all den anderen großen Städten diese Anlagen gab. Ihm selber war aber der Platz für seine Notdurft zuhause in der Küche lieber. Sie warteten noch einen Augenblick, bis Marcus herauskam, hatte er doch noch einen Geschäftsmann erblickt, dem er noch eine Fuhre Stoff liefern musste. Mit gerümpfter Nase und einem Lachen begaben sie sich zur Therme. Durch die zweiflügelige Türe traten sie ein. Sofort schlug ihnen eine feuchtwarme Luft entgegen, die allerdings wesentlich besser roch, als die des anderen Raumes. Hinter der Türe befand sich ein Tisch, hinter dem ein in weiß gekleideter, kahlköpfiger Mann saß, der die Eintretenden von Kopf bis Fuß musterte. Er erkannte Caelius sofort wieder, sprang auf und verbeugte sich höflich. Er klatschte zweimal mit den Händen und ein Diener, der an einer Säule in der Nähe des Einganges stand, kam sofort herbeigelaufen. Der Verwalter befahl ihm, die drei zum Bad zu begleiten und ihnen Handtücher und Umhänge zu geben. Dankend schnippte Marcus dem Verwalter ein kleines Geldstück zu, das dieser geschickt auffing. Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch, nahm die Tontafel und machte in der Rubrik für angekommene Gästen zwei Striche.

      Quintus musste an das blauäugige, strohblonde Mädchen im Haus des Ölhändlers denken.

       Kapitel IV

      Wulfila beobachtete den Druiden, wie er den Schimmeln die Hand zwischen die Ohren legte und wie er dann beide Arme in Richtung Mond erhob, der sich zwischen den dahinfliegenden Wolkenfetzen ab und zu zeigte. Wulfila erklärte seiner Schwester den Sinn dieses Rituals und sie hörte ihm gespannt und interessiert zu. Plötzlich merkte Wulfila, dass mit dem Druiden etwas Sonderbares vorging. Langsam rutschte seine Hand von Helmgards Schulter, ein Ruck ging durch seinen Körper. Wulfila spürte, wie sich seine Muskeln langsam vor Erwartung spannten. In der Magengegend machte sich ein unangenehmes Kribbeln bemerkbar. Helmgard schaute mit krauser Stirn, die ihre Augenbrauen fast über der Nasenwurzel zusammenzog, abwechselnd auf Wulfila und dann in die Richtung, wo sie den Druiden als hellen Punkt in dunkler Nacht sehen konnten. Die Arme des Druiden, immer noch in Richtung Mond gestreckt, begannen, erst langsam dann immer schneller werdend, zu kreisen. Nun sahen beide, dass er seinen Kopf in Richtung Dorf drehte. Wulfila befahl seiner Schwester, sich nicht vom Platz zu bewegen und lief mit großen Sätzen zum Hügel hin, auf dem der Druide stand und nun immer heftiger mit den Armen winkte. Er sah wohl Wulfila, der mit wenigen Schritten den Versammlungsplatz überwunden hatte, auf ihn zukommen. Aus den einst seitlich kreisenden Armbewegungen wurden abwehrende in Richtung Wulfila, als wolle er dem jungen Mann verbieten, auf den Hügel zu kommen. Leicht keuchend, nachdem er den Dorfrand erreichte, befand Wulfila sich am Fuße der Kuppe. Auch die Schimmel schienen aufgeregt zu sein. „Ob sie wohl merkten, dass etwas mit dem Alten nicht stimmt“? dachte Wulfila. Die Augen immer auf den Druiden gerichtet, trabte er den Berg hinauf und blieb dann wie angewurzelt stehen. Sein Halt war so abrupt, dass er das Gleichgewicht verlor und vorwärts auf Hände und Knie fiel. Erst hörte er ein Zischen. Dann sah er ein gleißendes, längliches Licht, das eine grau-weiße Spur hinter sich durch den Nachthimmel zog - direkt auf den alten Mann zu. Donar? Wotan? Was war das? Das Zischen wurde immer lauter und der Lichtkegel, der dem grauen Band vorauseilte wurde immer heller. Für einen kurzen Augenblick wurde der Druide hell erleuchtet und Wulfila konnte dessen Profil sehen, sah den hellen Schein auf den Druiden zurasen.. Ein klatschendes Geräusch; ein Gurgeln,