„Klingt gut“ sagte Claudia.
„Hört mal zu“ redete sich Frieder Bergmann in Rage „man kann auch ein Mobilhome mieten, das ist so was wie `n Bungalow, sogar mit Bad. Alle Zeltplätze haben einen Swimmingpool, die sind meistens sogar noch beheizt. Und entweder direkt auf den Plätzen oder im Umfeld gibt es eine Menge an Möglichkeiten, sich zu betätigen. Man kann Kanus oder Ruderboote ausleihen, es gibt Reiterhöfe, man kann Volleyball spielen, Kletterkurse absolvieren, Bogenschießen …“
Er stockte in der Aufzählung, denn die Erinnerung an seine letzte sportliche Aktivität flammte wieder auf.
„Sag mal Frieder“ fragte Paula „bist du nicht selbst mal eine Weile zum Bogenschießen gegangen?“
„Stimmt“ antwortete er unsicher „leider ist die Halle abgebrannt.“
„Du warst doch an diesem Abend dort“ schaltete sich sein Sohn Rüdiger ein „wie ist das denn überhaupt passiert?“
„Na es gab ein Problem mit der Elektrik“ erklärte Frieder Bergmann leichthin.
„Erzähl` doch mal genauer, da kann sich doch keiner was drunter vorstellen“ sagte seine Frau.
„Irgendwie muss einer der Schützen eine Leitung getroffen haben und dann stand die ganze Hütte auf einmal in Flammen. Das ging ruck zuck, wir mussten die Beine in die Hand nehmen, um noch rauszukommen.“
„Das muss ja ein rechter Idiot gewesen sein der statt der Scheibe eine Stromleitung trifft“ wieherte Rüdiger los „ich stelle mir vor wie dieser Blödmann den Pfeil direkt in die Stromleitung setzt und dann die Funken sprühen. Diesen Volltrottel würde ich gern mal treffen.“
„Hast du überhaupt eine Ahnung wie schwierig Bogenschießen ist“ brüllte Frieder Bergmann plötzlich los und alle zuckten zusammen „nein? Also halt die Klappe!“
„Aber Frieder“ rief Petra erschrocken aus „Rüdiger hat doch nur ausgesprochen was wir alle denken. Man muss doch wohl schon sehr minderbemittelt sein, um so etwas zu schaffen.“
„Ich wiederhole noch einmal, Bogenschießen ist eine verdammt schwierige Sportart“ beharrte Frieder Bergmann verständlicherweise auf seinem Standpunkt „da könnt ihr doch alle gar nicht mitreden.“
„Warum bist du denn so aus der Haut gefahren“ wollte seine Frau noch wissen „du hast doch mit dem Vorfall nichts zu schaffen.“
„Ich kann es nun eben mal nicht leiden, wenn hier jemand klugschnackt, der diesen Sport noch gar nicht ausprobiert hat.“
„Na dann kannst du es doch mit Rüdiger im Urlaub zusammen probieren.“
Frieder Bergmann trank sein Bier hastig aus, um sich gleich ein neues zu holen. So in der freien Natur wären solche Zwischenfälle wie mit den Stromleitungen eher nicht zu erwarten und er sprach seinen Sohn immer noch erregt an.
„Du wirst die Augen aufreißen wie gut ich treffe. Top, die Wette gilt: ich schlage dich haushoch. Wenn das nicht eintritt schmiere ich mich mit schwarzer Schuhcreme ein, setze mir eine Kraushaarperücke auf, binde ein Bananenröckchen um und imitiere einen Regentanz mit Gesang. Wenn du verlierst, wirst du mir täglich die Frühstücksbrötchen herrichten, und zwar so, wie ich es will.“
„Das verstehe ich jetzt nicht“ sagte seine Frau „willst du mit deiner Darstellung etwa rassistisches Gedankengut zum Ausdruck bringen? Stell‘ dir mal vor, eine dunkelhäutige Familie aus den USA zeltet dort und du zappelst dann so angemalt rum? Was sollen diese Leute denn von uns denken?“
„Das war doch nur ein Spaß“ wehrte sich Frieder Bergmann schwach „aber diese Regentänze gibt es selbst heute noch bei den Negern. Außerdem kommen keine Neger nach Österreich.“
„Deine Wortwahl zeigt ganz deutlich, dass political correctness für dich wohl überhaupt keine Rolle spielt“ setzte ihn Petra weiter unter Druck „man spricht heutzutage nicht mehr von Negern.“
„Sondern“ fragte er lauernd.
„Na von Farbigen“ war die Antwort.
„Und wie soll man dann zum Beispiel einen Japaner nennen“ setzte er nach.
„Einen Asiaten.“
„Aber die sind doch auch farbig, also gelb, oder etwa nicht“ war seine Schlussfolgerung „oder einen Kanaken, äh, einen dunkelhäutigen Türken?“
„Du denkst wohl, dass du besser als die Ausländer bist“ wurde seine Frau jetzt energisch „dazu hast du allerdings keinen einzigen plausiblen Grund.“
„Oh doch“ erhitzte sich Frieder Bergmann jetzt „wir haben ein paar Russen bei uns in der Behörde, Pünktlichkeit ist für die ein Fremdwort.“
„Immer schön kleinkariert“ blaffte Petra zurück „nur weil der Herr Referatsleiter ein strammer Preuße ist gibt es keine Toleranz, du musst noch mächtig an dir arbeiten!“
„Aber Petra“ versuchte Niels zu schlichten „Frieder hat nichts weiter getan, als auf kulturelle Unterschiede hinzuweisen. Ich wohne in der WG mit einem Chinesen zusammen, was denkst du was der beim Essen für Geräusche produziert. Und wie der isst.“
Er stocherte mit seiner Gabel auf dem Teller herum, spießte einige Fleischstücke auf und stopfte diese mit einem mal in den Mund, dann schmatzte er mit vollen Backen furchterregend und kleine Fleischbrocken fielen aus seinem Mund zurück auf den Teller und den Tisch. Zwischendurch fuhr er sich mit dem Handrücken über den Mund und dann, ob er es bewusst getan hatte oder nicht, ließ er einen rollenden Rülpser fahren.
Claudia kicherte.
Die anderen saßen starr da, aber Niels war noch nicht fertig.
„Ich habe mindestens drei Wochen gebraucht bis ich ihn soweit hatte, nicht mehr auf den Fußboden zu spucken“ erklärte er fröhlich „jetzt geht das seinen Gang.“
„Wollen wir nicht lieber über den Urlaub reden“ schlug Paula vor um das Thema zu wechseln „ich könnte mir auch gut vorstellen, nach Österreich zu fahren.“
„Vorher müssen wir uns noch mit Hannelore und Peter Petersen abstimmen“ sagte Petra jetzt ruhiger „das wird Frieder übernehmen.“
Dieser rief seine Mutter nach dem Mittagsschlaf an und berichtete von dem Vorschlag.
„Wie weit ist es bis dahin“ wollte Hannelore Bergmann wissen.
„Na so ein bisschen über 800 Kilometer“ erklärte ihr Sohn.
„Das will ich Peter und mir nicht mehr zumuten, da ist man ja mit dem Auto ewig unterwegs und wir sind nicht mehr die allerjüngsten“ war die sofortige Antwort „aber wir könnten ja mit dem Zug anreisen und ihr nehmt unsere Sachen mit, so dass wir bloß Handgepäck haben. Gute Idee, oder?“
„Mutter, wir sind sechs Personen und müssen schon mit zwei Autos fahren, da bekommen wir euer Gepäck nicht auch noch mit.“
„Und was ist mit dem Hänger“ fragte die ehemalige Gymnasiallehrerin nach.
„Na den haben wir noch, aber für diese Entfernung ist er vollkommen ungeeignet, damit darf man nur 100 Km/h fahren, da kommen wir doch nie an.“
„Aber Junge, du kommst wieder einmal nicht auf das Naheliegende. Ihr absolviert die Strecke in zwei Etappen, da könnt ihr ganz entspannt über die Autobahn schleichen und du holst uns dann am zweiten Tag vom Bahnhof ab. So läuft die Sache! Warum wollt ihr übrigens mit zwei Autos fahren?“
„Weil sechs Personen nicht in eines hinein passen!“
„Na da kauf doch