Familienurlaub könnte so schön sein, wenn bloß Mutter nicht mit dabei wäre ….. Band 2. Jörn Kolder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörn Kolder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844271072
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das Band mit dem Schlüssel festgemacht war, weit aus dem Wasser riss, machte sich dieses selbstständig und flog in hohem Bogen durch die Luft, um irgendwo zwischen den Schwimmern im Becken zu versinken. Frieder Bergmann erstarrte abrupt und bildete damit erneut ein Hindernis, an dem sich die ihm folgenden Sportler stauten. Benommen steuerte er auf die Stufen zu um das Becken zu verlassen, er wollte dem Bademeister das Problem schildern.

      „Sie haben Ihr Schlüsselband verloren“ fragte ihn der Mann ungläubig.

      Frieder Bergmann nickte bedrückt, denn er konnte sich vorstellen wie schwierig es sein würde, diesen Gegenstand im Becken aufzuspüren.

      „Ich bin jetzt 17 Jahre hier“ fuhr der Bademeister fort „so etwas ist in all diesen Jahren noch nie vorgekommen. Keine Ahnung, was ich da machen soll.“

      Er winkte einen Kollegen heran und tuschelte mit ihm, dann wandte er sich an Bergmann.

      „Wir sehen drei Möglichkeiten. Man kann das Wasser ablasen, wie teuer es wird das Becken wieder aufzufüllen wissen wir nicht, dürfte aber eine Stange Geld kosten. Man kann den Garderobenschrank aufbrechen, das hatten wir schon mal, macht so um die 500 Euro mit Reparatur. Oder Sie tauchen und suchen selbst das Band. Das wäre in 5 Minuten möglich, kurz darauf beginnt dann das Damen-Seniorenschwimmen.“

      Frieder Bergmann schluckte, er hatte keine andere Wahl und würde das Band suchen müssen.

      Der Bademeister pfiff und die Schwimmer verließen das Becken, dann nickte er dem Unglücksraben zu und dieser warf einen Blick auf das Becken. Es war bekannter Weise 25 Meter lang und besaß 5 Bahnen, von denen jede gut 2 Meter breit war, diese wurden durch Leinen mit roten Korkbällen voneinander abgetrennt. Mithin musste er 250 Quadratmeter absuchen. Er trat unschlüssig an den Beckenrand und versuchte, sich eine Strategie zurecht zu zimmern. Beginnen wollte er am Einstieg und ließ sich langsam in das Wasser gleiten, dann holte er tief Luft und tauchte. In der klaren Flüssigkeit konnte er gut sehen und ging die erste Bahn an, nichts. In der Hälfte der Strecke musste er hoch, um Luft zu holen. Dann ging er wieder runter und schaffte den Rest der Bahn, auch kein Erfolg. Ausgepumpt kam er nach oben und nach der vierten Bahn war er der Verzweiflung nahe. Gott steh mir bei dachte er kurz vor dem erneuten Abtauchen und plötzlich sah er das Band auf dem Beckenboden liegen. Da ihm Luft fehlte tauchte er noch einmal auf und winkte dem Bademeister zu: er hatte es gefunden. Jetzt hieß es nur noch, das Band herauf zu holen. Freudig füllte er seine Lungen mit Sauerstoff und ließ sich nach unten sinken, keine 10 Zentimeter von ihm entfernt pendelte das Band im Wasser aber offensichtlich nicht frei, es hatte sich in einem Ablaufgitter am Boden verfangen. Bergmann packte es, aber es hatte sich um die Gitterstreben gewickelt und mit zittrigen Fingern versuchte er es los zu bekommen. Irgendwie gerieten die Finger seiner rechten Hand dabei zwischen die Streben und verkanteten sich so, dass er plötzlich gefangen war. So sehr er auch zog, er kam nicht frei und in Panik öffnete er seinen Mund, aus dem der verbliebene Luftvorrat blubbernd zur Oberfläche empor stieg. Verzweifelt zerrte er weiter aber musste schnell einsehen, dass er nicht freikam. Das war`s dachte er, dann schwanden ihm die Sinne.

      Als Frieder Bergmann wieder die Augen öffnete sah er die besorgten Gesichter der noch nassen Bademeister über sich, er wollte sich aufrichten, aber seine rechte Hand war wie auf dem Boden fest genagelt.

      „Bleiben Sie liegen“ sagte einer der Männer „der Kollege mit der Flex ist gleich da.“

      „Wieso“ fragte Bergmann schwach.

      „Sie hatten sich so in dem Gitter verklemmt, dass wir dieses mit einer Brechstange heraus wuchten mussten, die Hand wollten wir Ihnen nämlich nicht amputieren. Leider ist dabei einiges zu Bruch gegangen, die Sperre des Abflusses ist jetzt kaputt und das Wasser ist komplett aus dem Becken ausgelaufen. Das wird eine Menge Arbeit machen, das alles wieder hinzukriegen. Wie lange das dauern wird kann keiner sagen, aber der Ausfall der Eintrittsgelder dürfte recht hoch sein. Die Reparaturkosten sowie so. Wer das blechen muss wird nicht mehr froh. Wir hatten heute schon genug Ärger mit den Seniorinnen, ersatzweise mussten wir denen einen Saunabesuch anbieten.“

      Frieder Bergmann bewegte sich schwach und blickte nach rechts, neben ihm lag das Ablaufgitter, seine Hand war darin gefangen.

      Ein Mann in Handwerkerbekleidung betrat die Schwimmhalle, zeitgleich erschien ein Uniformierter, ein Polizist. Der Handwerker machte keine großen Sprüche sondern kniete sich neben Frieder Bergmann hin, betrachtete das Gitter von allen Seiten, und warf den Trennschleifer an. Kreischend fraß sich die Scheibe durch das Metall und Bergmann zitterte am ganzen Körper, dann gab es einen Ruck und das durchtrennte Metall ließ seine Hand frei. Er rappelte sich auf und wollte auf unsicheren Beinen die Schwimmhalle verlassen, da versperrte ihm der Polizist den Weg.

      „Sie können jetzt nicht einfach abhauen, nach dem Flurschaden, den Sie hier angerichtet haben“ klärte er ihn auf.

      „Ich“ fragte Frieder Bergmann erstaunt „ich habe nichts kaputt gemacht.“

      „Na nicht direkt, aber Sie haben dieses Chaos hier verursacht.“

      „Die Leute hier haben doch eine Aufsichtspflicht, die hätten eben besser aufpassen müssen“ versuchte Bergmann zu argumentieren.

      „Kommen Sie mal her“ rief der Polizist die Bademeister heran.

      „Dieser Herr hier behauptet, dass Sie Ihre Aufsichtspflicht nicht ausreichend wahrgenommen haben“ sagte er.

      „Wieso“ fragte einer verwundert „der Mann ist ohne unser Wissen, als alle anderen schon aus dem Becken raus waren, wieder in die Halle gekommen und ist dort heimlich rumgetaucht.“

      „Was“ erregte sich Frieder Bergmann „Sie haben mir empfohlen, nach dem Band zu tauchen.“

      „Ich“ war die Antwort „niemals, mein Kollege kann das bezeugen.“

      „Und“ sprach der Polizist den zweiten Bademeister an.

      „Kann ich bestätigen, wir würden doch niemals jemanden erlauben, hier zu tauchen. Sehen Sie da (er wies auf eine Wand), „Springen und Tauchen verboten!“, und daran halten wir uns auch, jawohl!“

      „Die Sache ist klar“ befand der Polizist „ich nehme jetzt Ihre Personalien auf“ sagte er an Frieder Bergmann gerichtet.

      Diesem schlotterten die Beine denn er ahnte was auf ihn zukommen könnte, aber dann hatte er eine Idee.

      „Kann ich mich wenigstens erst einmal umziehen“ bat er den Polizisten scheinbar unterwürfig „mir ist kalt.“

      „Na gut“ sagte dieser „aber Sie (er wandte sich an die Bademeister) passen am Eingang auf, dass er nicht abhaut.“

      „Geht klar“ bestätigten die beiden sofort.

      Frieder Bergmann ging schwankend zu den Umkleidekabinen und entwickelte seinen Plan weiter. In der Kabine entkleidete er sich und zog nur die Unterhose an, seine restlichen Sachen stopfte er in den Beutel. Dann spähte er aus dem Raum heraus und sah, wie sich die beiden Bademeister lachend unterhielten. Dies stachelte seine Wut heftig an und er schlich wie ein Assassine zur Damenumkleide und schlüpfte ungesehen hinein. Jetzt kam es darauf an, ob sein Kalkül aufging, und er hatte Glück. Die Seniorinnen waren durch die Programmänderungen so überrascht gewesen, dass eine von ihnen vergessen hatte, den Kleiderschrank zu verschließen. Frieder Bergmann sichte den Kleidungsbestand flüchtig und stellte fest, dass die Konfektionsgröße der seinen entsprechen könnte. Zuerst zwängte er sich in eine Strumpfhose, dann streifte er einen knielangen Rock über, der an seinen Hüften herumschlotterte, aber das war momentan egal. Die Bluse spannte zwar mächtig über seinem Bauch und auch die Jacke war ein Stück zu eng, das größte Problem stellten jedoch die Schuhe dar. Hinein kam er noch ganz gut, aber mit ihnen zu laufen war schwierig, denn sie hatten für ihn ungewohnt hohe Absätze. Zum Schluss drückte er sich noch einen Hut weit ins Gesicht, holte tief Luft und begab sich auf den Gang hinaus. Er hielt es für eine gute Idee, ein Hinken zu imitieren und mit gebeugter Haltung vorzurücken, dies sollte altersbedingte Hinfälligkeit ausdrücken. Scheinbar war sein Auftritt überzeugend, denn die Bademeister riefen ihm nur ein „Auf Wiedersehen“ zu und schienen sich noch immer