Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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      nach denen sich die Welt regiert.

      Auf das Geschehen wird, was geschehen soll.

      Auf das verhindert wird, was verhindert werden sollte.

      (III. Prophezeiung der Weisen)

      Während in der Halle der Rat nun begann heftig zu debattieren und Erklärungen für das eben Geschehene suchte, hatten sich Peroth, Rawnes und Rugar zurückgezogen, um nun ihrerseits erfahren zu können, was vor sich ging. Kaum waren sie gegangen, hatte sich auch Xejohl mit seinen engsten Beratern und Vertrauten zurückgezogen, um in Ruhe seine Gedanken ordnen zu können und wahrscheinlich wichtige Entscheidungen zu treffen.

      Peroth, Rawnes und Rugar waren auf eine der etlichen Balkone geflüchtet, die wie kleine Landeplattformen aus der Burg herausragten. Hier hatten sie Ruhe gefunden, weit ab von der plötzlichen Hektik, die ausgebrochen war. Nur das Tosen des Flusses unter ihnen störte die Stille. Doch wenn man allein war und sich nur auf das Rauschen konzentrierte, so fiel man in eine leichte Trance und gab sich vollständig dem Fluss hin. Der Yesúw würde leben, so behaupteten viele, genau so, wie das grüne Gold auf seinem Bett leben würde.

      "Was ist mit dem Jungen?", versuchte Rugar Peroths Aufmerksamkeit zu erlangen. "Inzwischen wird es auffällig und nicht nur Stalca glaubt, dass du ihn für jemanden Bestimmtes hältst."

      Statt sofort zu antworten, starrte Peroth nur weiterhin in ein Glas, aus dem er noch kaum getrunken hatte. "Ich war -- nein, ich bin mir noch immer nicht sicher. Früher habe ich mich auch schon oft geirrt und nun -- nun mache ich es wohl auch falsch."

      Rugar beugte sich ein Stück vor. "Könnte es endlich jemand sein, der uns wirklich helfen kann?"

      "Vielleicht, aber..." Peroth sah auf. Zweifel lag in seinem Blick. "Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher."

      "Ob er es ist?" Langsam wurde Rugar unruhig.

      "Nein, er ist es, keinen Zweifel, aber ob er es kann ist die Frage." Mit den Händen rieb Peroth sich die schmerzenden Schläfen. "Es ist komplizierter, als ihr denkt. Stalca ist der Sohn von Irask, der wiederum..."

      "... aus dem Zusammenschluss von Ulasta und Sherina hervorging.", unterbrach Rawnes ihn. "Wir wissen mehr, als Ihr uns vielleicht zutraut."

      "Es überrascht mich wirklich, dass ihr davon wisst.", gestand Peroth. "Man hat sich große Mühe gegeben ihn in Vergessenheit geraten zu lassen, da er unfreiwillig einen großen Irrtum bewies. Bis heute hält sich hartnäckig der Glaube, dass wenn ein Gott oder Dämon stirbt, auch sein oberstes Attribut verloren geht, was bedeuten würde, dass die Menschen nicht mehr sterben würden, sollte Justaka sein Leben beenden, oder sie nicht mehr träumen, wenn es Ulasta nicht mehr geben sollte. Als Irask jedoch vor sechs Jahren getötet wurde, hat sich nicht geändert obwohl ihm nachgesagt wurde, er würde die Menschen vor den Schrecken der Nacht bewahren und ihnen den Schlaf schenken."

      Rawnes hörte ihm schweigend zu und spielte mit ihren Fingern. Sie musste dem alten Meister zustimmen, immerhin schlief sie nach wie vor gut. Auch war Peroth momentan derjenige, der am Meisten von all diesen Geschichten wusste. Trotzdem fiel es ihr schwer einen tief verwurzelten Glauben, den sie seit ihrer Kindheit erlebte, plötzlich teilweise in Frage zu stellen. Aber seit sie Rugar und Nekat kannte, hatte sich schon vieles in ihrem Denken verändert.

      "Und Stalca ist sein Sohn?", wiederholte Rugar skeptisch.

      "Ja, dass ist er, aber wenn ihr irgendetwas Spektakuläres erwartet, so muss ich euch enttäuschen. Er ist ein völlig normales, sterbliches Wesen.", antwortete Peroth. "Irask war einer der Ersten, die ihre eigene Existenz in Frage stellten, wenn die Menschen nicht mehr an sie glaubten. Er wollte ein eigenes Leben in der Welt der Sterblichen aufbauen und das tat er auch. Leider gehörte für ihn auch das Schicksal der Isk dazu."

      "Er wurde als Herrscher der Nacht bezeichnet.", mischte sich nun Rawnes dazwischen. "Und Ihr teiltet uns bereits mit warum, doch ist er auch fähig gewesen Kreaturen der Nacht zu beschwören?"

      "Ich weiß, worauf du hinaus willst, auch wenn mich deine Kenntnisse wieder verwundern." Peroth warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. "Doch es ist nicht dasselbe. Das Beschwören, oder besser Herbeirufen der Dunklen Armee, die du sicher meinst, hat einen anderen Hintergrund. Die Armee besteht aus Nachtelfen, wie Nesar einer ist, nur aus den Toten dieses Volkes. Wegen Verrats lastet ein schwerer Fluch auf ihnen, der sie selbst bis nach dem Tod in den Dienst der Götter zwingt. Es gibt ein Horn, welches sie in die Schlacht ruft, aber sie werden gnadenlos alles Leben auslöschen."

      "Ich nehme an, da Irask nun selbst tot ist, gehört diese Eigenschaft zu denen, die sich auf die Nachkommen vererben?", hakte Rugar nach.

      "Richtig.", bestätigte Peroth.

      "Und das Horn ist nicht zufällig das Horn, dass..."

      "Doch.", fiel Peroth ihm ins Wort. "Justaka war noch nie ein großer Freund von Blasinstrumenten."

      "Was meint Ihr damit?", wollte Rawnes wissen.

      "Das Horn liegt in der Festung Justakas.", beantwortete Rugar ihr die Frage. "Wir müssen uns also darüber nicht weiter unterhalten."

      "Großartig.", seufzte Rawnes.

      "Selbst wenn wir es zur Verfügung hätten, wüsste ich nicht, welche Auswirkungen es auf einen jungen Mann hätte diese Armee zu rufen und zu kontrollieren." Peroth war inzwischen aufgestanden und blickte auf das tosende Wasser unter ihnen hinab. "Sie sind schrecklich und kaltblütig und jeden ihrer Gedanken, jeden ihrer Schritte und jedes Mal, wenn eines ihrer Schwerter einen Menschen tötet, wird man es miterleben, als täte man es selbst."

      Rawnes schüttelte sich fröstelnd. "Nun, dies scheint mir also nicht der perfekte Plan, lasst uns über etwas anderes sprechen. Wer ist dieser Nesar und was will er überhaupt?"

      Zunächst herrschte abwartende Stille und nur das Rauschen des Flusses war zu hören. Dann wandte Peroth sich wieder ihnen zu. Einige Sorgenfalten mehr zeigten sich auf seiner Stirn.

      "Er ist ein Bote der Götter, manche sagen sogar ein direkter Berater Ulastas.", erklärte der Isk. "Sein Wort hat viel Macht, da sein Wille dem Ulastas entspricht. Er ist gekommen, um Unterstützung zur Sicherheit des Sitzes der Götter anzufordern. Dabei hat er es auf Xejohls Elfenarmee abgesehen, aber wir haben nun eine reelle Chance, dass der König seine Unterstützung uns gewährt."

      "Weil er die Sache mit Stalca glaubt und an die Prophezeiungen der Weisen, hinter denen Nekat her ist.", erinnerte Rugar. "Doch für deren Erfüllung können wir ihm keinerlei Garantie geben."

      "Wir werden sehen, was er glaubt.", wehrte Peroth ab.

      "Gut, eine andere Frage also: Gehört dieser Nesar zu den Guten oder zu den Bösen?", überlegte Rugar.

      "Was für eine Frage!", warf Rawnes ein. "Wenn er böse Absichten hätte, würde das ja bedeuten..."

      Sie brach in ihren Gedanken ab und biss sich verzweifelt auf die Unterlippe.

      "Es gab einmal eine Zeit, in der die Beziehungen zwischen den Göttern und den Menschen sehr viel enger miteinander verknüpft waren.", begann Peroth sanft. "Darauf vertraut Ulasta zu Recht nicht mehr. Heute werden die alten Sagen als ein veralteter Glaube der Isk angesehen, ohne sich daran zu erinnern, dass dies auch einmal der eigene Glaube gewesen ist. Ich würde nicht behaupten, dass die Götter uns böse gesinnt sind. Ulasta ist egoistisch geworden, vertraut nur noch sich selbst und denkt nur an das eigene Wohl."

      Wieder herrschte eine drückende Stille, bis Rugar sich räusperte. "Vielleicht ist es besser den morgigen Tag abzuwarten, bevor wir uns über zu viele Spekulationen den Kopf zerbrechen."

      "Ja, da hast du wohl Recht.", stimmte Peroth ihm zu. "Ich freue mich auch schon darauf endlich wieder eine Nacht in einem gemütlichen Bett verbringen zu können."

      Rawnes starrte vor sich auf den Boden, auch als Peroth schon gegangen war. Das Rauschen des Wasserfalls hallte in ihren Ohren und sie versank in ihren düsteren Gedanken, bis sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Ihr war entgangen, dass Rugar bei ihr geblieben war.

      "Mir