Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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dann die Götter aus? Sie mussten das genaue Gegenteil sein. Hell, freundlich und gut. Vielleicht mit langen, hellen Haaren und leuchtenden, schimmernden Kleidern oder glänzenden Rüstungen vielleicht. Sie versuchte sich die Götter vorzustellen.

      Plötzlich lachte Anrar und dies riss Faith kurzzeitig aus ihren Gedanken. Sie versuchte sich wieder darauf zu konzentrieren, was um sie herum geschah, um berichten zu können, was geschehen war. Nur dann geschah etwas, womit sie niemals gerechnet hatte. Anrar drehte sich zu ihr herum und sah ihr direkt in die Augen.

      "Nein.", meinte er. "So ganz bestimmt nicht."

      Sie zuckte erschrocken zusammen und schwieg.

      "Glaubst du daran?", fragte der Dämon sie. "Glaubst du, Menschen hätten einen solch starken Glauben, dass sie Dinge aus diesem Glauben heraus erschaffen können? Ein beunruhigender Gedanke, oder nicht?"

      "Es ist eine Theorie.", meinte Faith trocken. Sie wusste dies war keine Antwort, doch etwas Gescheiteres fiel ihr im Moment nicht ein.

      "Ja, eine Theorie.", stimmte er ihr zu. "Doch mit Theorien ist es so eine Sache. Man weiß nie, wie viel Wahrheit sie enthalten können. Ich persönlich glaube daran. Es erklärt so viele Dinge, für die es im Leben keine Erklärung gibt. Es fällt einem leichter, das Leben um einen herum zu verstehen und zu akzeptieren. Alle diese möglichen Erklärungen, eine besser als die andere. Was sind sie schon, wenn nicht mehr als ein Anker, der dem Schiff sicheren Halt gibt? Als der Felsen in der Brandung? An das alles sich das denkende Wesen klammert, denn es kann gar nicht anders. Sobald es anfing zu denken, versuchte es gleich alles um sich herum zu erkunden, zu analysieren und zu begreifen. Es fing an in Dimensionen zu denken, in welche es gar nicht denken konnte, welche seine Vorstellungskraft sprengten. Doch einmal Fragen gestellt, so benötigten sie auch Antworten. Antworten, die keinen Sinn ergeben, die sicherlich die größten Irrtümer der Geschichte sind, aber ohne Antworten geht das denkende Wesen zu Grunde, denn der einzige Sinn in seinem Leben besteht in der Jagd auf Wissen und Antworten. Nur wie viel wissen wir eigentlich?"

      Für Faith begann das Ganze immer unwirklicher zu werden. Sie fragte sich, was im Geschehen war und wo sie sich befand. Denn sie war längst über die Grenzen ihrer sonstigen Rückblicke in eine längst vergangene Zeit hinausgekommen. Sie konnte sich mit niemandem unterhalten, denn sie lebte stets in der Gegenwart und blickte nur auf Leute, die längst in der Vergangenheit verschwunden waren und keine Rolle mehr im jetzigen Geschehen mehr spielten.

      "Was geht hier vor?", fragte sie mit ihrer gewöhnlich leisen Stimme, die trotz allem ausreichend Selbstbewusstsein widerspiegelte. "Wer seid Ihr?"

      "Schon wieder Fragen.", antwortete der Dämon. "Fragen über Fragen und keine Antworten in Sicht. Wie grausam muss dieses Leben doch sein. Wer ich bin? Ich bin Anrar, die Stimme Justakas und Justaka spricht zu dir."

      "Wie ist das möglich?", wollte sie weiterhin wissen. Sie musste sich anstrengen, ihre Furcht nicht allzu deutlich zu zeigen, doch immer wieder ging ihr der Gedanke durch den Kopf, wie weit dies hier real war und wie weit sie es noch unter Kontrolle hatte.

      "Ich bin überall.", erklärte Justaka durch Anrar erneut. "Überall in dieser Welt und außerhalb dieser Welt. Einmal dort und im gleichen Moment auch wieder da. Mir stehen Wege offen, die Menschen niemals betreten können. Im Gestern, Heute und Morgen. Ich bin in ihren Köpfen, ich bin in ihren Häusern, wenn ich dies will, ich bin mitten unter ihnen, ohne dass sie es merken und doch bin ich auch nirgends."

      "Und wieso seid Ihr nun hier?", erkundigte sie sich zögernd. "Was wollt Ihr?"

      "Die Frage lautet doch diesmal, was möchtest du? Doch das wisst ihr Menschen meistens nicht. Wenn du dir eine Antwort aussuchen müsstest, auf irgendeine Frage, die du schon immer beantwortet haben möchtest, ich bin mir sicher, du könntest dich nicht entscheiden. Überlege einmal für dich, wüsstest du es? Dir gehen sicher tausend Fragen durch den Kopf, doch du wüsstest nicht, welche du wählen solltest. Sie erscheinen dir auf einmal alle so furchtbar unwichtig. Oder es sind Fragen wie ‚Wo liegt der Sinn des Lebens?', mit deren Antworten die Menschen zwangsweise unglücklich werden würden. Jeden Tag stellst du dir neue Rätsel. Rätsel, die sich mit weiteren Rätseln immer weiter ausdehnen und am Ende stehst du da mit ein paar Fäden in der Hand und weißt nicht mehr, wozu und wohin. Wieso nicht einfach nur leben? Das ist der Fortschritt des Menschen. Rätsel. Eines Tages werden sie daran zu Grunde gehen, da bin ich sicher.

      Du fragst dich, wer die Götter sind? Wie sie aussehen, wer sie sind? Diese Frage ist leicht. Wenn wir davon ausgehen, die gängige Theorie ist korrekt, so schufen die Menschen ihre Götter selbst. Sie entstanden in der menschlichen Phantasie, waren stark und verfügten über grenzenlose Macht. Und was geschah? Die Natur macht es sich einfach. Sie erschuf keine neuen Götter. Nein, sie nahm einfach das mächtigste Volk dieser Erde und erhob es in die neue Position. Waren die Menschen wirklich so naiv und glaubten, sie wären es? Das mächtigste Volk dieser Welt waren nicht die Menschen, nein, es waren die Hujak. Hast du von ihnen gehört? Sie waren grausam und schrecklich. Wüteten und plünderten. Doch sie beinhalteten alle Eigenschaften, wie sie die Menschen ihren neuen Göttern zuordneten. So verläuft das Leben."

      Er machte eine kurze Pause, während er sie mit seinen glühenden Augen eindringlich betrachtete. Sie versuchte diesen Blick zu meiden. "Doch dies war nicht die Frage, die dich hierher geführt hat."

      Nachdem sie eine Weile über die letzten Worte, die sei gehört hatte nachdachte, hob sie entschlossen ihren hübschen Kopf und erwiderte entschlossen den forschenden Blick. "Was ist hier geschehen?"

      "Vergessen?", wiederholte der Berater neben dem König mit einer Spur Ungeduld in der Stimme. "Was heißt das, sie wurden vergessen?"

      Rawnes holte noch einmal tief Luft. Die Geschehnisse in Shin'Anrar, die noch einmal geistig vor Faith' Augen stattgefunden hatten, brachten ihr völlig neue Kenntnisse. Beunruhigende Kenntnisse und so war sie äußerst nervös geworden und würde diese neuen Feststellungen lieber mit Leuten erörtern, mit denen sich besser über diese bewegenden Dinge diskutieren ließ. Sie hatte eine Menge Respekt vor den Mitgliedern des Hohen Rates, doch an manchen Stellen fehlte es ihnen einfach an dem nötigen Verständnis, teilweise Wissens.

      "Wir haben sie einfach vergessen.", versuchte sie es von Neuem. "Wir wissen nicht mehr, wer dort lebt. Wir wissen nur, dass eigentlich Hunderte von Isk in der Stadt leben müssten, doch dies allein reicht nicht mehr aus, um sie noch immer am Leben halten zu können. Wir können uns nicht daran erinnern, jemanden Bestimmtes unter ihnen zu kennen. Wir wissen keine Namen oder auch nur ein bestimmtes Aussehen, alles was ein Wesen ausmacht. Solange dies keiner weiß, leben sie einfach nicht mehr. Sie sind kein Teil mehr dieser Welt."

      "Das verstehe ich nicht.", brummte der Berater neben dem König missmutig. Ihm begann diese ganze Besprechung immer weniger zu gefallen. Es würde die ganze Sache unheimlich verkürzen, würden sie dieses unnötige Gerede einfach auslassen und gleich zur eigentlichen Sache kommen, was genau nun geschehen sollte.

      "Ich verstehe.", entgegnete Xejohl und sein Gesicht wurde noch eine Spur düsterer als es das überhaupt schon im Laufe des gesamten Tages war. "Es ist genau das geschehen, was zurzeit überall auf dieser Welt geschieht. Es wird vergessen. Mit Absicht oder nicht, das ist schwer zu bestimmen. Tatsache ist, dass die Menschen anfangen zu vergessen. Dies alles und uns. Sie beginnen in ihrer neuen Welt zu leben und diese alte wird bald keinen Wert mehr für sie haben. Das Erschreckende an dieser Nachricht aber ist, dass Justaka in der Lage zu sein scheint, dieses Vergessen zu beeinflussen. Er könnte dadurch zu einer großen Gefahr für uns werden."

      Eine Weile herrschte betretenes Schweigen. Zwar hatten noch nicht alle genauestens erfasst, worum es eigentlich ging, doch hatten sie von einer drohenden Gefahr alles verstanden. "Doch der Tag ist nicht mehr lang und wir wollen noch zum Ende kommen.", fuhr Xejohl fort. "Also lasst uns fortfahren und zur eigentlichen Handlung zurückkehren. Was geschah des Weiteren auf eurem Wege hierher?"

      Zwar empfand Rawnes die Ereignisse in Shin'Anrar als ebenfalls sehr wichtig, jedenfalls sagte ihr dies eines der unbestimmten Gefühle, doch hielt sie ihren Protest zurück und überließ wieder Jack das Reden.

      "Unsere restliche Reise war recht ereignislos.", berichtete Jack zögernd. Er war