Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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deren Zahl erschreckend angewachsen ist. Doch wir entkamen ihnen bei unseren Begegnungen stets. Unser einziges merkwürdiges Zusammentreffen hatten wir mit Atúl." Mit einem Mal spitzten wieder sämtliche Ratsmitglieder die Ohren. "Er... er stellte Forderungen ihm Einlass in Naksa zu gewähren. Er begründete dies damit, dass er wissen wolle, was in seinem Land vor sich gehe. Wenn er keinen Zutritt gewährt bekommen würde, würde er sich ihn mit Gewalt nehmen. Verantwortliche sollen sich mit ihm darüber in Verbindung setzen."

      Empörtes Murmeln machte sich bemerkbar. Schließlich konnte sich ein ziemlich kleiner Mann nicht mehr zurückhalten. "Was glaubt dieser Mensch? Dass er Zugang zu einem unserer wichtigsten Orte haben kann? Er lässt uns doch auch nicht überall herumschnüffeln, oder? Ich kann verstehen, dass sich die Menschen allmählich von uns entfremden und sie uns nicht mehr unter sich haben wollen, aber dann sollen sie unsere Zufluchtsorte akzeptieren und dort nicht auch noch die Überhand haben wollen. Das könnt ihr ihm gerne sagen."

      "Seine Forderung bedeutet vor allem, dass er seinen Krieg vor den Eingängen Naksas starten wird.", murmelte der Berater neben dem König. "Doch was bringt ihm dies?"

      "Er wird Yesúw von beiden Seiten belagern können!", piepste eine erschrockene Stimme aus dem Hintergrund. "Niemand wird dann mehr rein und raus können."

      "Erst einmal muss er überhaupt wissen, wie er hierherkommen kann.", erinnerte der Berater neben dem König. "Selbst wenn er die Zugänge kennt, was ich schon einmal anzweifeln würde, kennt er dieses Gebiet hier überhaupt nicht. Er kann keine ganze Armee in ihm völlig unbekanntes Gebiet schicken. Und bevor wir uns überhaupt darüber Gedanken machen, muss er erst einmal Naksa für sich erobert haben."

      "Wie auch immer seine Pläne aussehen werden, wir müssen unter anderem mit dem Schlimmsten rechnen.", unterbrach Xejohl die kurze Diskussion. "Jack, was für einen Eindruck machte Atúl auf dich."

      "Ich bin mir nicht sicher." Jack versuchte sich die nächtliche Begegnung noch einmal vollständig, detailgetreu in seinem Kopf ablaufen zu lassen. "Er war irgendwie merkwürdig, doch ich kann nicht genau sagen weshalb. Er war schon immer recht arrogant, schon bevor er König wurde und wir hatten schon immer die ein oder andere Auseinandersetzung mit ihm, aber nun hat er sich irgendwie verändert. Er scheint sich auf jeden Fall unheimlich sicher zu sein in dem was er tut. Er scheint überzeugt davon zu sein, dass wir in keinem Fall eine Chance gegen ihn hätten. Noch seltsamer waren seine Begleiter. Es waren menschliche Soldaten, kein Zweifel, doch sie gaben einem nicht annähernd das Gefühl Menschen vor sich zu haben. Sie waren auf merkwürdige Weise völlig kalt, als wären sie schon lange tot."

      "Das ist in der Tat alles sehr merkwürdig.", bestätigte der Berater neben dem König mit leichter Skepsis. "Ich weiß nicht, was dies alles zu bedeuten hat, doch wir sollten uns darüber nicht allzu große Sorgen machen. Was weiß Atúl schon?"

      "Justaka weiß alles.", meldete sich ein weniger wichtiges Mitglied.

      "Darüber habe ich bereits nachgedacht.", bekräftigte Xejohl. "Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Atúl gemeinsame Sachen mit Justaka macht. Auch wenn es schwer fällt an solch leichtsinnige Möglichkeiten auch nur zu denken. Aber es scheint so zu sein, dass sie sich gegenseitig dazu benutzen ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Was dies für Folgen haben kann, sollte jedem klar sein. Wenn wir Glück haben werden sie sich früher oder später selbst im Wege stehen. Nur müssen wir nun entscheiden, was zu tun ist. Naksa wird nicht in der Lage sein sich selbst zu verteidigen, also empfehle ich den Einwohnern sich nach Yesúw zurückzuziehen. Von hier aus werden wir weit bessere Chancen haben einen Ansturm abzublocken."

      Eine Weile schwiegen alle bedrückt. Naksa galt als eine der letzten und größten Zufluchtsstätten. Seit die Menschen begannen sich von Magie und den mit ihr verbundenen Völkern zu lösen, sie teilweise in einigen Ländern sogar zu verfolgen, brauchten zumeist Animorphs und Elfen neue Heimstätten. Dort wurden auch Menschen der Alten Welt, wie die Zeit im Frieden noch genannt wurde und andere, klein gewordene Völker aufgenommen. Am Meer der Mitte so sagte man, lebten sogar noch einige wenige Zentauren, die fast schon als ausgestorben galten. Auch waren es nur leblose Kreaturen, die man dort vorfand. Sie lebten abgeschieden an Orten, an denen sie nicht zu Hause waren und dort vegetierten sie vor sich hin. Nur an wenigen Stellen dieser Welt waren noch Feen zu treffen und Geister waren sowieso nur noch eine Handvoll vorhanden.

      Nur ein Volk verstand es hervorragend zu überleben. Mitten unter den Menschen lebten sie als unauffällige Untermieter. Einst waren sie unsichtbar, doch sie lösten sich ebenfalls von der Magie, denn magische Wesen konnten nur mit ihr überleben. Schwand die Magie, schwand ihr Lebensatem. Doch noch nie gab es auf der Welt solch anpassungsfähige Wesen und niemals würde es sie wieder geben. In gewisser Weise waren sie Überlebenskünstler, Wunder des Lebens. Kobolde. Doch sie waren die Einzigen. Der Rest schwand dahin.

      Schweigend saß ein Mann bisher mitten unter den Ratsmitgliedern und lauschte ihren Diskussionen. Er wusste, wie sinnlos sie im Grunde waren, denn ihm war mehr als sonst jemandem in diesen Hallen offenbar. Doch nun schreckte er auf.

      Halte sie auf, mein treuer Diener! Sie wissen ja nicht, was sie anrichten können! Automatisch erhob er sich.

      "Ihr dürft Naksa nicht verlassen.", protestierte er.

      Erschrocken wandten sich alle anwesenden Augenpaare auf den alten Isk-Meister. Noch nie hatte es ein Außenstehender gewagt ungefragt in die Entscheidungen des Rates hineinzusprechen und sie auch noch so energisch zurückzuweisen. Eine unscheinbare Gestalt in einen langen, braunen Mantel gehüllt, stand neben den Wachen an der ebenso unscheinbaren Tür. Bisher hatte sie niemand beachtet. Keinem schien der sonderbare Umstand aufgefallen zu sein, dass sie vielleicht mit in diesem wichtigen Raum hinter der unscheinbaren Tür gewesen sein könnte. Doch nun trat sie einige Schritte vor. Einige wenige und recht kleine nur, doch schaffte sie es perfekt sich so trotzdem in den Mittelpunkt zu stellen.

      "Wieso sollten sie nicht, Peroth?", fragte sie herablassend.

      Alle anwesenden Augenpaare wanderten von Peroth noch wesentlich erschrockener zu dem Fremden. Meister Peroth mochte nicht dem Rat angehören, aber er war eine angesehene und hochrangige Persönlichkeit. Auch wenn man meist nur die Hälfte von dem verstand, was er zu sagen hatte. Doch dies machte ihn zu einer noch viel weiseren Gestalt in den Augen vieler. Ansonsten säße er jetzt nicht hier an diesem Platz. Trotz dass er sich ab und an ein wenig sonderbar verhielt, würde es niemand wagen in solch einem respektlosen Ton mit dem Meister zu sprechen.

      "Ihr.", erwiderte Peroth nur, ohne sich vorher auch nur vollständig umgedreht zu haben. Es war nur ein einziges Wort welches über seine Lippen kam, doch es sagte alles, was es zu sagen gab. In ihm schwang die gesamte Hilflosigkeit und Enttäuschung des Isk mit. Mit ihm begrub er all seine Hoffnungen.

      "Ich sagte doch bereits, die Zeit für uns ist gekommen.", fuhr die Gestalt fort, während er seine Kapuze aus dem Gesicht zog. Dunkle, braune Haare verdeckten fast die spitzen Elfenohren, doch für einen Elf war er ein sehr ungewöhnlicher Elf, so war die Meinung der stummen Beobachter, die interessiert verfolgten, was sich nun neu anbahnte.

      "Wieso also wundert dich mein Eintreffen? Ich wurde geschickt um dem hier ein für alle mal ein Ende zu bereiten, nachdem doch einige Versuche zuvor schon kläglich gescheitert sind. Sie haben sogar noch alles schlimmer gemacht, als es vorher war. Bisher war noch alles einigermaßen unter Kontrolle, doch dann endete alles in einer Katastrophe. Ich bin gekommen, um es endlich besser zu machen. Und solange unser Heer noch nicht bereit ist, werden wir zeitweise ein anderes benötigen."

      Peroth drehte sich langsam wieder zu Xejohl herum. Fassungslos starrte er den Elfen-König eine Weile an. "Ihr habt ihm Eure Armeen überlassen?", fragte er zur Vorsicht noch einmal.

      Xejohl mied seinen Blick. "Was hätte ich denn tun sollen?", lautete seine stumme Botschaft. "Ich kenne die Prophezeiungen der Weisen.", murmelte er leise, so dass es gerade eben noch Peroth und ein paar in seiner Nähe verstehen konnten. Auf einmal wirkte der Herrscher müde und alt, am Ende seiner Kraft. "Sie sind nicht eingetroffen."

      "Das sind sie!", widersprach Peroth. "Das sind sie wirklich!"

      Der Fremde lachte bitter. "Davon träumst du. Du solltest gehen. Wohin