Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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einen einzigen Vorwurf, der sie nach und nach in den Wahnsinn treiben würde, denn ständig wenn sie ihre eigenen Augen schließen wollte, sah sie wieder die braunen, vorwurfsvollen Augen vor sich. Nie wieder würde sie schlafen können ohne diese verdammten Augen zu sehen.

      Ihre Hände zitterten noch immer. Sie wollten einfach nicht aufhören zu zittern, so sehr sie sich auch bemühte sie unter Kontrolle zu halten. Und noch immer klebte das Blut an ihnen und wollte sich einfach nicht abwischen lassen, so sehr sie auch an dem Stoff ihres Kleides rieb.

      Tränen rollten ihr über die Wangen und aus diesen Tränen wuchsen nach und nach immer lautere Schluchzer, doch sie wollte nicht weinen und schluckte den dicken Kloß in ihrem Hals einfach nach unten, doch dadurch wurde es nur noch schlimmer.

      Durch einen feuchten Schleier hindurch fiel ihr Blick auf eines der hohen Fenster. Wie gebannt hing ihr Blick daran, bis sie sich endlich aufraffte und den kurzen Weg durch das Zimmer zurücklegte. Unter ihr stürzte sich der Yesúw die Klippen hinab. Sie wollte doch nur herausfliegen aus dem Käfig, der sie gefangen hielt und sie war bereit gewesen alles dafür zu geben.

      Also breitete sie die Flügel aus und flog. Und noch immer stürzte sich der Yesúw die Klippen hinab.

      AUFBRUCH

      Sie waren insgesamt drei weitere Tage in Yesúw geblieben. Die Heiler der Elfen-Festung verstanden ihre Arbeit hervorragend und so ging es Davids verletztem Fuß schon nach wenigen Tagen wieder einigermaßen gut. Auch von der extremen Unterkühlung war kaum mehr etwas zu spüren. Schnell war die gewohnte Wärme wieder in den Körper zurückgekehrt.

      Aber Davids schnelle Genesung war das einzig erfreuliche innerhalb und auch außerhalb der Mauern Yesúws. Der plötzliche und völlig unerwartete Tod von Rawnes aus Naksa erschütterte die Sicherheit des Rates. Rawnes war eine der meist gehörtesten Stimmen des Rates gewesen. Auch wenn sie im Vergleich zu ihren Kollegen noch fast ein Kind war, verstand es die junge Priesterin hervorragend sich durchzusetzen. Nicht nur ihre eigenen Leute in Naksa, nein auch ihr völlig Fremde verstand sie zu führen und man folgte ihr ohne Zögern. So lagen alle Hoffnungen irgendetwas in diesem Kampf ausrichten zu können zum großen Teil in ihr.

      Doch die Mitglieder des Rates zu erschüttern, darin lag nicht die Absicht des Mörders, das hatten zumindest Xejohl und Peroth schnell durchblickt. Ihr Tod hatte eine noch weitaus schlimmere Folge. Niemand hatte in der ganzen Aufregung mitbekommen, wann und vor allem wohin Rugar die Festung verlassen hatte. Als sie sein Fehlen bemerkten, war es bereits zu spät. Späher waren ausgeschickt worden, um noch eventuelle Spuren entdecken zu können, doch der Sturm hatte sie bereits alle verwischt. Sie wussten es alle, wenn Rugar die Kontrolle über sich verlieren würde, dann hätten sie einen weiteren, überlegenen Kämpfer auf der Seite des Feindes.

      Wer der Mörder war, stand schnell fest. Auch wenn keiner begreifen konnte, welche Motive Sayonara dazu gebracht haben sollten. Keiner zweifelte daran, dass nicht sie dieses Vorhaben geplant hatte. Sie führte die Tat nur für jemanden anderes durch. Wer dieser andere war, darüber stritten die Ratsmitglieder. Sie stimmten für Justaka, doch ein Großteil stimmte dagegen, denn der Dämonenherrscher hatte nichts für so etwas übrig. Außerdem hatte er es überhaupt nicht nötig. Das sahen alle ein und doch verlangten sie einen Schuldigen, also hielten sie an ihrer Meinung fest. Sayonara wollte niemanden als schuldig bezeichnen, auch wenn sich der Fluss bereits für sie entschieden hatte, denn an ihren Händen klebte das Blut. Nun wussten sie es alle, es war nicht nur eine Legende, dass der Fluss selbst die Übeltäter zu sich holte.

      Was alle jedoch in helle Aufregung brachte, war die Erkenntnis, die Prophezeiungen der Weisen könnten sich wahrhaftig erfüllen. Die Zeichen standen gut, so waren doch angeblich Nekats Kinder zurückgekehrt, auch wenn zu Recht in Frage gestellt wurde, was sie denn wohl gegen einen übermächtigen Gegner würden anrichten können.

      Auf einmal erhielt jemand allerdings Redeerlaubnis, den viele überhaupt nicht kannten. Wenigstens war ihnen der Isk-Meister einmal vorgestellt worden und sie konnten sich gerade noch mit Mühe an seinen Namen erinnern. Und ihm gelang es, den versammelten Rat nach und nach davon zu überzeugen, wenn ein Teil der Prophezeiung sich doch zu erfüllen schien, warum das auf andere nicht auch zutreffen sollte. Selbst glaubte er nur halbherzig daran, denn er wusste von den Problemen, die dieses Phänomen begleiteten.

      Trotzdem erreichte er, was er wünschte.

      Er verlangte nur eines, aber etwas völlig Absurdes. Naksa solle auf keinen Fall verlassen werden. Es war in vielen Augen einfach nur Leichtsinn. Es war ihnen klar, dass Naksa seine Stellung nicht halten würde, sollte der Feind sich vor dem Wald sammeln und von dieser Seite versuchen in Yesúw einzudringen. Sie waren inzwischen zu eitel geworden, um zu ahnen, dass der Feind es nicht auf Yesúw abgesehen hatte.

      Xejohl beschloss also doch eine Armee nach Naksa zu senden, auch wenn das überhaupt nicht den Vorstellungen des Fremden, den niemand kannte, zu entsprechen schien. Er zog sich immer häufiger mit Xejohl zurück und sprach aufgeregt mit ihm. Doch am Ende stand die Entscheidung fest. Tausend Mann des Elfenheeres würden nach Naksa gehen, auch wenn dies viel zu wenige waren, aber es war immer noch besser als gar nichts.

      Bevor nun aber die verbleibende Gruppe um Peroth herum nach Naksa aufbrechen konnte, zeigten sich im Vorfeld die ersten Schwierigkeiten.

      "Wo willst du hin?"

      Jack versperrte Stalca den Weg, was vielleicht keine besonders gute Idee war, doch die Gefahr, dass der Isk einfach weglief, wenn er hinter ihm her rief war zu groß.

      "Lass mich vorbei.", forderte dieser statt einer Antwort.

      "Wenn du mir einen vernünftigen Grund nennen kannst.", blieb Jack beharrlich.

      "Ich kann tun und lassen, was ich will." Stalca war wütend, doch seine Wut richtete sich nicht auf Jack, was ihn wohl dazu bewog die Ruhe zu bewahren. Aber in seinen Augen blitzte es gefährlich.

      "Das kannst du dir schon einmal wieder abgewöhnen, denn wenn du vorhast dorthin zu gehen, wohin ich ahne, dann wird sich das sehr bald schon wieder ändern.", erinnerte Jack.

      "Geh einfach aus dem Weg." Stalcas Stimme wurde eine Spur drohender.

      "Ich bezweifle, dass diese Entscheidung richtig ist.", versuchte es Jack ein letztes Mal. Er wusste nicht, was passieren würde, sollte er es darauf ankommen lassen. Es war nicht einmal unwahrscheinlich, dass Stalca sich mit Gewalt den Weg freigeben ließ.

      "Aber es ist meine und ich allein habe sie über mich getroffen.", sagte Stalca deutlich betont.

      Jack trat beiseite und ließ ihn gehen. Im Grunde war es nicht sein Problem, auch wenn er es lieber gesehen hätte, sie würden einen vernünftigen Kämpfer behalten können. Auch wenn der Weg nicht mehr weit sein würde, so wusste doch keiner, was ihnen unterwegs noch begegnen konnte.

      "Stalca." Es war Faith, die es diesmal versuchte und tatsächlich blieb dieser noch einmal genervt stehen. Jack bezweifelte, dass sie mehr Erfolg haben würde, aber er konnte es sich nicht ansehen, denn sie schickte ihn mit einem stummen Blick fort.

      "Es wird dir nicht helfen.", fuhr sie sehr viel leise fort, als Jack es getan hatte.

      "Was wird mir nicht helfen?", fragte Stalca ungeduldig.

      "Davor davonzulaufen.", antwortete sie. "Das wird dir nichts nützen, möglicher Weise nicht einmal gelingen."

      "Dessen bist du dir so sicher, ja?" Er drehte sich zu ihr herum und kam ein paar Schritte näher.

      Sie war nicht gerade der mutigste Mensch der Welt und Stalca hatte im Moment nicht gerade die beste Laune. Sein Tonfall änderte sich ihr gegenüber nicht gerade und auch wenn es ihr widerstrebte, musste sie zugeben, dass sie sich ein wenig davor fürchtete, was passierte, wenn sie seine Wut plötzlich auf sich selbst ziehen würde.

      "Ich weiß, wer du bist, auch wenn es dir nicht helfen wird, wenn ich es dir sage, da ich es dir nicht erklären könnte." Sie warf einen Blick zur Seite. "Das kann nur Peroth."

      "Das tut er aber nicht, nicht mir zumindest.", merkte Stalca an. "Und solange er das nicht tut, habe ich hier nichts verloren. Ich lebe mein Leben und niemand