Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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auf. Er war einem Menschen unähnlicher, als es selbst die Isk waren, doch hatte er mit eben diesem Volk doch nicht wenige Gemeinsamkeiten. Er hatte lange, schwarze Haare, die ihm wirr ins Gesicht fielen. Dieses war lang und schmal. Die Stirn hoch und die darunter liegenden Augen tief in den Höhlen. Aus ihnen glühte ein leicht rötliches Leuchten, welches Faith ein wenig Furcht einflößte, auch wenn es nur aufgrund der Magie leuchtete, welche in diesem Körper lebte.

      Die Gruppe hielt tatsächlich inne und machte den Weg frei, um eine kleinere Gestalt durchzulassen, die ihr Anführer zu sein schien. Von ihm war allerdings gar nichts zu erkennen, ebenso wenig wie von dem Rest seiner Begleiter, die sich wie Wächter um ihn stellten.

      "Was willst du noch?", fragte sie zurück. "Mich aufhalten? Dafür ist es zu spät. Das hättet ihr euch vielleicht früher überlegen sollen."

      "Das kannst du nicht tun.", wiederholte der andere hilflos. "Du würdest nicht nur dich selbst, sondern diese ganze Welt gleich mit vernichten. Du würdest es nicht aushalten können. Es würde dich überwältigen."

      "Spar dir deine Worte, Kaltur.", erwiderte die Gestalt. "Geh nach Hause, wo du hingehörst und grüße alle recht lieb von mir. Du hättest es ihnen vielleicht eher sagen sollen, vielleicht wären sie dann alle hier angerückt um sich zu verabschieden. Es war nett dich kennengelernt zu haben. Du warst nicht einmal der schlimmste von ihnen."

      Mit diesen Worten schien er seinen Weg fortsetzen zu wollen, doch der Andere gab nicht auf, sondern stampfte weiterhin hinterher.

      "Glaubst du mich einfach nach Hause schicken zu können? Hast du inzwischen vergessen, wer du bist? Ich werde dich nicht so einfach weitergehen lassen!"

      "So?" Die Gestalt wirbelte herum, als würde sie von dem Sturm überhaupt nicht beeinträchtigt werden. "Du willst mich also aufhalten?" Drohend kam er näher. "Ich glaube, jemand anderes hat hier vergessen, wer ich bin. Bestelle ihm doch noch schöne Grüße von mir, Ulasta dem Großen. Oder wie will er sich nun nennen? Wer hat es nötig aufgehalten werden zu müssen? Ich glaube, der Unfehlbare übernimmt sich ein wenig. Lass mich in Ruhe und kümmere dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten."

      "Du bist doch verrückt.", bemerkte Kaltur nur.

      "Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du gehen sollst. Anscheinend hast du das nicht richtig verstanden." Er hob seine Hand und es war, als würde er seinem Gegenüber einen unsichtbaren Stoß versetzen, der ihn ein Stück davon schleuderte und vor Schmerzen auf dem Boden liegen ließ. Dann wandte er sich endgültig wieder von ihm ab.

      Kaltur versuchte sich aufzurichten, aber er schaffte es nicht. "Justaka, nein!", rief er noch einmal mit letzter Kraft, aber sein Ruf stieß nur wieder auf Ignoranz.

      "Komm, und pack deine Sachen. Wir müssen weiter, nicht mitgekriegt?"

      Faith zuckte erschrocken zusammen, als sie unerwartet Jacks Stimme neben sich hörte. Mit einem Schlag war sie wieder in der Wirklichkeit und brauchte wieder, wie immer, eine Weile um sich zurechtzufinden.

      "Ist etwas?", fragte Jack besorgt.

      "Nein." Sie schüttelte den Kopf. "Nein, gar nichts."

      Sie suchte ihre wenigen Sachen zusammen und merkte dabei erst, wie unendlich müde sie mit einem Mal war. Sie würde alles dafür tun in diesem Moment in ihrem warmen Bett liegen zu können und einfach nur zu schlafen. Sie würde sicherlich einen ganzen Tag lang schlafen, wenn sie könnte und bestimmt eine Woche lang nicht mehr reiten. Aber sie konnte nicht.

      Ohne weiter darüber ein Wort zu verlieren, sattelten sie ihre Pferde wieder und machten sich aufbruchbereit. Das gesamte Geschehen verging schweigsam, denn die Meisten waren einfach zu müde, um auch nur noch zu protestieren. Auch Rugar merkte dies, als er im Sattel saß. Irgendwann war ein Punkt überschritten, an dem alles egal war und der Körper nur noch seine Ruhe forderte, die er bitter nötig hatte, nach den anstrengenden Tagen.

      Doch sie waren nur wenige Meter weit geritten, da begann es. Zuerst kamen nur ein paar Tropfen vom Himmel. Wie bei einem gewöhnlichen Regen und bis auf Peroth, der ja bereits wusste, was geschah, ärgerten sich alle, dass sie nun auch noch in der Kälte nass wurden. Nur blieb es nicht bei den paar Tropfen. Mit einem gewaltigen Donner, der den Boden erschüttern ließ, brach das heftigste Gewitter los, was sie alle je in ihrem Leben zuvor erlebt hatten. Es war sogar noch eine Spur heftiger, als das, welches David bei sich zu Hause erleben durfte.

      Mit dem Gewitter kam eine Dunkelheit über das Land, welche sie nur spüren konnten, denn es war bereits tiefste Nacht. Aber spüren konnten sie diese Dunkelheit. Sie legte sich bedrückend schwer um sie, durchflutete ihren Körper, durchflutete einfach alles um sie herum und versetzte sie in eine undefinierbare Art von Furcht. Eine Furcht, die ihre Herzen noch mehr belastete als die Dunkelheit zuvor. Und als sie so weiterritten und merkten, dass eigentlich schon längst wieder Tag sein sollte, da merkten sie außerdem, dass die Dunkelheit bis in den Tag hinein dauerte und wahrscheinlich noch mehrere weitere Tage andauern würde.

      SILVER RAIN

      Kein schöner Anblick bot sich einem Reisenden, wenn er den ansteigenden Hügel an seiner Spitze erreichte. In der Ferne konnte man noch immer die Ausläufer des Ostgebirges erkennen, die sich wie lange Zungen in das Land schoben. Als versuchten sie krampfhaft irgendetwas erreichen zu können. Der Schnee begann allmählich die Gipfel hinab zu kriechen und kündigte den schon bald kommenden Winter an. Ein leichter Wind kam von Norden her, der rau und kalt an den Kleidern zerrte. Als würde er einen wieder mit nach Süden nehmen und von dem weiteren Weg abbringen wollen. Als wäre es eine letzte stumme Warnung.

      Schon bald begann das Land sich wieder abzusenken, doch ihm fehlte es an Farbe. Zwar begann das Grün sich in der vorangeschrittenen Jahreszeit langsam zurückzuziehen, doch wenn man die Ebene vor einem betrachtete, wusste man, dass dieses Gras hier niemals grün war. Es schreckte Mensch und Tier und so kam es, dass eine gespenstische Stille herrschte. Eine tödliche Stille, mochte man meinen. Der Boden schien verbrannt und mit einer dünnen Ascheschicht bedeckt, die wie festgeklebt war, denn weder Wind noch Regen konnten sie verwischen. Hob man den Kopf, so blickte man auf die schwarzen, dunklen Ruinen einer verbrannten Stadt. Nur noch die Grundrisse waren zu erkennen. Kein Gebäude stand auch nur noch ansatzweise. Ein verheerendes Feuer hatte hier einst gewütet und niemand war in der Lage gewesen es aufzuhalten.

      Der Wanderer, der heute des Weges kam, ließ sich von der erschreckenden Aussicht nicht abhalten und begann den Hügel hinab zu reiten. Ein breiter Weg deutete darauf hin, dass es schon viele weitere vor ihm getan hatten. Der Weg führte bis zu einer einsamen, kleinen Hütte, die auf wundersame Weise plötzlich vor einem stand, als wäre sie zuvor gar nicht da gewesen. Von da an war es ein nur noch ab und zu ausgetretener Trampelpfad, als hätten sich die wenigen Mutigen in letzter Sekunde hier doch noch entschieden umzukehren. Auch der Wanderer hielt sein Pferd und stieg ab, um nachforschen zu können, was es mit der mysteriösen Holzhütte auf sich hatte, die hier völlig fehl am Platze schien.

      Der Wanderer ging zu einer Tür, die schief in den lange nicht mehr geölten Angeln hing und klopfte kräftig. "Ist jemand zu Hause?", rief er, als er lange Zeit keine Antwort erhielt, doch auch jetzt blieb immer noch alles still.

      "Ah, Besuch.", ertönte mit einem Mal eine Stimme aus einer völlig anderen Richtung. "Hätte ich es mir doch denken können. Wer sonst veranstaltet in dieser Gegend einen solchen Lärm?"

      Erschrocken fuhr der Wanderer herum und erblickte einen stämmigen, alten Mann, der fast um zwei Köpfe kleiner war als er selbst. Er trug einen dichten, verfilzten, schwarzen Bart und zwei Knopfaugen blinzelten herausfordernd über eine knollige Nase hinweg. Bekleidet war er mit einer ausgebeulten Hose und einem dünnen Leinenhemd, das vielleicht sogar einmal weiß gewesen war. Mit einem dünnen Lappen wischte er sich gerade seine verschmutzten Hände sauber.

      "Schleicht Ihr euch an jeden eurer Besucher so heran?", erkundigte sich der Wanderer ein wenig erbost.

      "Ich halte es für besser,", antwortete der Mann, "wenn man als erstes sieht, wer um die Ecke kommt, bevor man ihn in seinem Haus stehen sieht."

      "Da mögt Ihr vielleicht Recht haben.", stimmte der Wanderer ihm nun zu, nachdem er sich