Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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Leuten einzugehen. Doch trotz allem können Kobolde hervorragende Freunde sein und auch irgendwo tief in Tarry vergraben liegt ein großes Herz.

      "Was ist mit meinen Eltern, wie geht es ihnen?", bestürmte David seinen kleinen Freund, dessen Miene nur noch ein wenig missmutiger wurde.

      "Es geht ihnen gut.", antwortete er kurz. "Abgesehen davon, dass sie sich ständig fragen, wo du denn stecken könntest."

      "Es war ganz sicher nicht meine Absicht.", versicherte David. "Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, was überhaupt passiert ist."

      Er begann ohne Aufforderung zu erzählen und ließ keine Kleinigkeit aus. Endlich bekam er die Möglichkeit dazu offen, mit jemandem den er kannte über das Erlebte und seine Ängste dabei zu reden. Er konnte den Gedanken in seinem Kopf freien Lauf lassen und berichten, was für Probleme er sich vorstellte zu haben und haben zu können. Er wickelte noch einmal das Papier aus und zeigte es ihnen, doch auch sie konnten nichts damit anfangen. Mit seinem Reden begann sich auch alles wieder zu sortieren und die richtige Reihenfolge anzunehmen. Sein Abenteuer begann übersichtlicher zu werden und ließ sich besser verstehen.

      "Wenn ich könnte, würde ich sofort nach Hause zurückkehren, aber die Soldaten haben alles abgesperrt und ich komme mit Sicherheit nicht dort hinein. Die erwischen doch jeden, der es versucht!", endete er.

      "Sicher.", nickte Tarry.

      "Aber ich kenne diese Leute hier gar nicht.", überlegte David laut vor sich her. "Ich weiß doch gar nicht, ob ich ihnen überhaupt trauen kann. Ich weiß gerade eben mal ihren Namen."

      "Das ist doch schon einmal was.", meinte Céwik, der bisher (wie meistens) stumm daneben gesessen hatte und sich einfach alles nur angehört hatte, während sein Gehirn im Hintergrund arbeitete. "Und wo willst du sonst hin? Ich meine, du kannst es ja versuchen rein zu kommen. Sag ihnen doch einfach, du warst verreist und möchtest jetzt gerne wieder zurück."

      David sah ihn eine Weile ratlos an und dann sagte er, was ihn schon mehr als eine ganze Weile beschäftigt hatte. "Ich weiß nicht wieso, aber ich bin mir da nicht so sicher, ob es eine gute Idee wäre. Ich denke nicht, dass sie mich durchlassen würden."

      "Wieso das nicht?", wunderte sich Tarry, der erstaunt über den plötzlichen Ernst in Davids Stimme war. "Was sollten sie von so einem unbedeutenden Menschen wie dir wollen? Tut mir leid, aber ich glaube, du fängst an dich da in was rein zu steigern. Wer ist dieser Trupp überhaupt? Was wollen sie, besser wo wollen sie hin?"

      "Ich weiß nicht.", murmelte David, der sich von Tarry nicht überzeugen lassen wollte. "Ich meine, sie wollen zu einem Ort, der sich Naksa nennt und derjenige, der sie anscheinend dorthin führt, nennt sich Nekat."

      "Nekat?", wiederholte Tarry, plötzlich mit erstaunten Augen. "Etwa Gesh'Nekat? Der Götterbote, auf dessen Schultern der Fluch Justakas ruht? Der mit dem Schicksal des Dämonenherrschers auf ewig und immer verbunden ist, wie es kein anderes Lebewesen auf dieser Welt ist?"

      "Der Gesh'Nekat?", hakte Céwik noch einmal nach, nachdem David die beiden nur verblüfft anstarrte.

      "Ihr kennt den?", erkundigte er sich, obwohl die Frage wohl schon geklärt war.

      Aus diesem Grund hielt es keiner für angebracht sie zu beantworten. "Aber was will er denn von dir? Du meintest doch, sie würden dich kennen?", versuchte Tarry selbstgestellte Rätsel zu beantworten.

      "Ja.", antwortete Céwik an Davids Stelle. "Deswegen kommt ihm doch alles so unheimlich vor. Hast du nicht zugehört? Mir würde die ganze Sache auch nicht geheuer sein."

      Tarry warf ihm einen knappen, vernichtenden Blick zu und Céwik beschloss vorzeitig erst einmal nichts mehr zu sagen. "Aber es kann nicht sein, dass...", überlegte Tarry gedankenverloren weiter. "Nein, das kann es wirklich nicht."

      "Was kann nicht sein?", hakte David nach.

      "Nichts, wirklich." Tarry gähnte. "Mann, wir sind den ganzen Tag durch die Gegend gerannt, du kannst dir nicht vorstellen, wie müde ich bin."

      Doch, dass konnte David und auch wenn noch immer tausend ungeklärte Fragen durch seinen Kopf spukten, rollte auch er sich auf seinem Nachtlager zusammen und schlief überraschend schnell ein.

      Es war ein Traum. Ein ganz normaler Traum, mochte man meinen. Auch David hielt es zunächst für einen Traum, aus dem er am frühen Morgen hochschreckte. Auch wenn er für einen Traum schrecklich real war. Als wäre es eine für lange Zeit vergessene Erinnerung, die sich einen Weg aus den Tiefen seines Gedächtnissen an die Oberfläche grub.

      Es war Nacht. Genauso eine Nacht, wie sie momentan über ihnen wachte. Doch trotzdem war es taghell um ihn herum. Zunächst war er verwirrt, wusste nicht, wo er war. Als hätte ihn gerade eben erst jemand an diesen Ort gesetzt. Er drehte sich einmal um sich selbst und sein Blick fiel staunend auf umstehende Häuser, die ganz in weiß gestrichen waren und die aus Marmor, Glas und edlen Steinen zu bestehen schienen. Er war in einer Stadt von solch einer Pracht, wie sie kaum eine andere hatte.

      Ganz in seiner Nähe erhob sich ein riesiges Gebäude mit einem gewaltigen Kuppeldach. Dieses Dach ruhte auf meterhohe Säulen, die bis in den Himmel zu ragen schienen. Unter der Kuppel gab es mehrere Gebäude, die alle zueinander geordnet standen und komplizierte Vier- und Dreiecke bildeten. Zwischen diesen Gebäuden verliefen lange, breite Gänge, zwischen denen seltsame Bäume und fremde Blumen wuchsen. An einigen Stellen gab es ganze Miniparks mit kleinen Springbrunnen und Statuen von berühmten Männern. Mochte man Caparian City als märchenhaft beschreiben, so gab es für diese Stadt mit dem wohl größten Gebäude Zahurs in seiner Mitte kein Wort mehr dafür ihren Glanz zu beschreiben.

      Doch erst spät wurde ihm bewusst, dass diese Stadt gerade im Untergang lag. Schon zu Beginn hatte es ihn gewundert, wie hell es um ihn herum war und erst jetzt bemerkte er die Feuerwände, die sich aus allen Himmelsrichtungen her um die Stadt schlossen und sich Meter für Meter mit einer grausamen Langsamkeit unaufhaltsam weiter fraßen.

      Alles in seinem Traum geschah nur Stück für Stück und wurde nur allmählich klarer. Das riesige Gebäude zu seiner Rechten stand ebenfalls lichterloh in Flammen und auf einmal kam ihm der Name dieser Stadt in den Sinn, obwohl er glaubte sie noch nie betreten, geschweige denn, schon einmal von ihr gehört zu haben. Ein anderer Teil seines Selbst begann ihm zu widersprechen.

      "Silver Rain.", murmelte David im Schlaf.

      Plötzlich spürte er, wie etwas seine Hand zerdrückte, so dass sie schon ganz taub wurde. Er erkannte ein Mädchen, schon eine junge Frau, an seiner Seite, die sich vor Angst an ihn klammerte. Er hatte sie vor nicht allzu langer Zeit bereits kennengelernt. Ihr Name war Faith. Sie kam von einem weit entfernten Gutshof und schien manchmal recht selbstüberzeugt von sich zu sein. Jetzt machte sie aber einen ganz anderen Eindruck auf ihn. Sie sah auch irgendwie anders aus. Ihre Haare waren offen und wehten aus ihrem Gesicht. Sie wirkte um einiges zarter und zerbrechlicher. Über ihren schlanken Körper trug sie ein kostbares, weißes Kleid, was nun aber schon teilweise einige Rußflecken aufwies, die wohl kaum mehr herauszubekommen waren.

      Er wandte sich von ihr ab und bemerkte zwei weitere Männer, die vor ihm standen. Den einen kannte er ebenfalls seit einiger Zeit. Von dem er den Namen Nekat wusste. Auch er sah allerdings ganz anders aus. Er wirkte jünger und weniger müde, auch wenn er um keinen Tag älter schien als jetzt. Seine Kleidung war ebenfalls anders. Kein geflickter Mantel umhüllte ihn und weder abgenutzte Hose noch Hemd bedeckten seinen Körper. Stattdessen schützte ihn ein schnell übergeworfenes, silbernes Kettenhemd, darunter trug auch er ein langes, weißes Gewand und seine Schuhe schienen aus feinstem Leder. Er sah stolz aus, trotz dass er bereits teilweise schwere Wunden davon getragen hatte.

      Dieser Anblick berührte etwas, tief in Davids Innern. Er wollte vorwärts stürmen und diesem Mann helfen, auch wenn er ihn kaum kannte. Sein Blick wanderte weiter, um den Gegner sehen zu können und er erstarrte. Diesen Mann hatte er in der Tat noch nie gesehen, denn er war seit gut zwei Jahrtausenden tot, auch wenn einige von seiner angeblichen Rückkehr sprachen. Justaka. In seinem schlichten, schwarzen Mantel gehüllt, sah er fast harmlos aus, doch seine grauenvolle Macht hing über ihm, wie die Rauchwolke über dieser Stadt.

      "Gib