Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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Es begann ein Rachefeldzug, dem wir nicht standhalten konnten und die Erde verbrannte unter seinen Schritten."

      Sie endete, denn anscheinend war es alles, was sie zu erzählen hatte, doch Nekat konnte noch nicht die Wichtigkeit in ihren Worten erkennen. "Wer ist dieser Berater?", fragte er. "Ihr nanntet niemals seinen Namen. Kenne ich ihn?"

      Es überraschte ihn, als er sah, wie eine Träne Shi'Nasaes Wange hinab rollte. Sie senkte in stummen Schmerz ihren Kopf, doch dann kam flüsternd der Name über ihre Lippen. "Justaka."

      DIE VERLORENEN KINDER

      Am Fuße des Ostgebirges auf der nach Osten gelegenen Seite, wuchs ein kleiner Wald. Er war wirklich nur sehr klein, im Maßstab zu dem Wald Naksa gemessen, der sich auf der westlichen Seite befand. Es wuchsen fast nur Laubbäume in diesem Wald. Überwiegend Birken. Breite Pfade schlängelten sich durch ihn hindurch und einige Sonnenstrahlen tanzten auf dem Boden. Zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit waren die meisten Bäume allerdings schon kahl oder standen zumindest mit nur wenigen Blättern da. Ein kleiner Fluss schlängelte sich eine Weile neben dem Weg entlang. Sein klares Wasser plätscherte über einige glatt geschmirgelte Steine hinweg. Später würde er sich mit den reißenden Fluten des Yesúws vereinigen und unterhalb des Gebirges die Klippen hinabstürzen, um in Naksa wieder ans Tageslicht zu treten.

      Diesem Fluss folgte Rugar mit seiner Gruppe. Er wusste von einem schmalen Aufstieg ins Gebirge, gleich dort, wo der Fluss in den Boden verschwand. Diese Straße führte durch eine enge, dunkle Schlucht, die mitten im Herz des Ostgebirges zu enden schien. Von dort aus führte ein einsamer Pass in eine Gletscherspalte, die sich sogar mit Pferden passieren ließ. Doch man musste diesen Weg wirklich gut kennen, um ihm vertrauen zu können. Folgte man dem Verlauf dieser Spalte, so würde man plötzlich vor einem großen, in das Eis gehauene Tor stehen, welches direkt in das Gebirge hinein führte. Ein steilen Abhang hinunter und man kam an das Ufer des hier noch seicht dahin fließenden Yesúws.

      Meist lagen Boote bereit, die auch ein Pferd in sich aufnehmen konnten. Wenn man mit diesen Booten dem Fluss folgte, würde man zu einer Burg kommen, die einst vor Jahrtausenden in diese gigantische Höhle gebaut wurde. Bisher hatte sie noch kein Außenstehender gefunden und diejenigen, die von ihr wussten, wagten es nicht ihr ein Leid zu tun. Selbst Justaka würde dort keine Waffe ziehen, denn dies war ein heiliger Ort. Doch man musste Acht geben, um ihn auch erreichen zu können. Der Fluss war tückisch. Das türkise Leuchten des Wassers und das gelbliche Schummern in der Höhle ließen die Augen schnell von dem Gewässer verträumt fort gleiten, doch dies konnte den sicher Tod bedeuten, denn steuerte man sein Boot nicht schnell genug in den Schatten der Burg, so würde es gnadenlos den Wasserfall hinuntergezogen werden. Rugar würde dieses Boot nicht zum ersten Mal fahren.

      Doch fragte er sich, ob er wohl jemals soweit kommen würde, sie alle bis nach Yesúw zu bringen. Er wusste nicht genau aus welchen Gründen ihn solche Zweifel plagten, aber er spürte eine herannahende Gefahr. So deutlich spürbar, als stände sie ihm bereits gegenüber. Auch wenn der Tag ein sehr friedlicher Tag zu sein schien. Die Sonne brannte noch einmal mit all ihrer Kraft vom Himmel hinab. Die Bäume präsentierten ihre Blätter zum letzten Mal in allen mögliche Farben. Die Vögel zwitscherten, als wäre gerade erst der Frühling herangekommen. Und doch wurde Rugar von einer Stimmung bedrückt, als drohte das Ende der Welt.

      Es war bereits spät. Oder sehr früh, wie man es gerade betrachten wollte. Doch noch immer saßen sie um das kleine Feuer herum und versuchten sich irgendwie daran zu wärmen. Denn sie froren alle erbärmlich diese Nacht. Sie versuchten angestrengt darüber nachzudenken, wie es denn nun weitergehen sollte, oder was überhaupt bisher geschehen war. Jeder für sich war dabei seine Gedanken zu klären und überhaupt noch einmal zu bedenken, in was für einer Situation er sich momentan befand.

      David saß ein wenig abseits von den anderen und rupfte nachdenklich einige Grashalme aus dem Boden. Er versuchte nachzudenken. Eigentlich hatte er hier überhaupt nichts zu suchen. Er war ein freier Mensch, konnte hingehen, wohin er wollte und musste nicht mit Fremden ziehen. Aber in gewisser Weise gab ihm irgendetwas das Gefühl, genau dies tun zu müssen. Dieses Gefühl war wohl er selbst, der sich nicht erklären konnte, was mit einem Mal um ihn herum geschah und glaubte, bei diesen Leuten Antworten zu finden, doch es taten sich nur noch mehr Fragen auf. Und diese merkwürdigen Träume, die ihn in letzter Zeit plagten. Als wären es Erinnerungen aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, an die er sich absolut nicht erinnern konnte und in der er jemand völlig anderes zu sein schien als er jetzt war. Und der Einzige, den er hierüber befragen konnte, war fort. Es war immer leicht, zu behaupten jemanden fragen zu wollen, der gar nicht mehr da war. Wahrscheinlich hätte David den Mund trotzdem nicht aufbekommen.

      Sein Blick glitt über die Anwesenden und er entdeckte schnell Faith Bates, die ebenfalls abseits saß, aber dies tat sie sicherlich mit aus einem anderen Grund als er. Sie war recht launisch und seit er sie kannte schien sie ununterbrochen an schlechter Laune zu leiden. Er fragte sich, ob dies einfach in ihrer Natur lag, oder ob sie vielleicht einen wirklichen Grund dazu hatte. Vielleicht war es nur eine Art Schutz für sie, denn er konnte sich gut vorstellen, dass sie sich nicht besonders wohl fühlte in letzter Zeit, wenn sie ähnliche Sorgen hatte wie er. Doch dies zu fragen wagte er sie nicht. Er hatte keine Ahnung warum. Wahrscheinlich hatte er Angst davor, sich irgendwie zum Narren zu machen, dass er sich alles vielleicht nur einbildete und Träume nur Träume waren. Wenn auch recht merkwürdige Träume, die sich kaum erklären ließen und äußerst beunruhigend waren.

      Er hatte Tarry gefragt, was er nun tun würde. Die Kobolde waren ein Grund, weshalb er sich oft zurückfallen ließ und sich ein ganzes Stück abseits der Gruppe aufhielt. So konnte er sich mit seinen zwei kleinen Freunden ungestört unterhalten, denn sie konnten nicht offen mit ihm reisen. Es war nicht garantiert, dass man sie dabei haben wollte. Kobolde waren keine angesehenen Reisegefährten. Doch auch Tarry, der sich sonst immer sehr schlau gab, wusste nicht viel mehr, als was David ihm erzählt hatte. Sein Rat allerdings war, bei den Fremden zu bleiben. Denn die letzten Vorkommnisse galt es zu klären und er wusste keine andere Möglichkeit Antworten zu finden, als im weiteren Geschehen der Geschichte, das sich momentan dieser Gruppe angeschlossen zu haben schien. Also beschloss David zu bleiben, auch wenn es ihm noch immer nicht gefallen mochte und er sich immer noch um seine Eltern sorgte, die in einem kleinen, abgeschiedenen Tal waren, nicht wussten, wo ihr Sohn abgeblieben war und... War er überhaupt ihr Sohn? Diese Frage drängte sich nicht zum ersten Mal zwischen seine Gedanken.

      Er seufzte. Die ganze Herumdenkerei würde doch nicht zu einem brauchbaren Ziel führen.

      "Wieso sollte überhaupt etwas geschehen?", fragte Jack in die allgemeine Runde.

      "Nun...", versuchte Rugar sein Glück. "Weil ich denke, dass dies alles einem Plan folgt. Einem Plan von Justaka selbst. Aber nein, ich weiß nicht, was er vielleicht damit zu beabsichtigen gedenkt. Und ich weiß auch nicht, wer alles dazugehört. Zumindest gehen sowohl Nekat, als auch Rawnes davon aus, dass dies alles im Zusammenhang der Prophezeiungen steht."

      "Ich denke, dass wird ein Problem.", mischte sich nun Arthur ein, der den bisherigen gesamten Tag ungewöhnlich schweigsam gewesen war. "Wer sagt, ob es unter diesen Umständen gut ist, wenn wir zusammengetroffen sind. Wer auch immer alles dazugehört. Aber wie wollen wir es ohne dieses Wissen überhaupt verhindern? Ich meine, es kann jeden Moment passieren, dass wir uns alle getroffen haben und dann bricht sonst was zusammen. Vielleicht sollten wir uns morgen früh, sobald es hell ist einfach trennen. Jeder in eine Richtung und möglichst darauf achtend, dass er niemand anderes wiedertrifft."

      "Das halte ich für absolut keine gute Idee.", widersprach Rugar ihm sofort. "Außerdem..."

      Plötzlich hielt er inne und alle lauschten erschrocken. Sie glaubten jemanden heranpirschen zu hören, doch dies konnte genauso gut Einbildung sein, denn dies geschah schnell in solchen Situationen. Vor allem konnten sie die Quelle des vermeintlichen Geräusches nicht finden und so verließen sie sich gemeinsam auf Rugar, der mehr Erfahrung mitbrachte, als sie alle zusammen.

      Doch auch diese reichte nicht aus. Es ging alles so furchtbar schnell, dass niemand wirklich mitbekommen hatte, was geschehen war. Auch Rugar nicht, als er plötzlich am Boden lag. Er wusste nur noch, wie sich mit einem Mal das Gebüsch neben ihm geteilt hatte,