Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
Скачать книгу
ließ sich dazu überreden, die Überhand von Davids Gefühlen zu erlangen. Er war froh bald wieder an einem sicheren Ort zu sein, wo er wusste, dass alles wieder in Ordnung sein würde. Denn es fiel ihm schwer sein Misstrauen den Fremden gegenüber abzulegen. Er war sich nicht sicher, ob sie ihm Feind oder Freund waren. Einerseits kannten sie ihn aber er sie nicht und doch war es, als wäre er ihnen schon einmal begegnet.

      Er war so sehr in seinen Gedanken verstrickt, dass er fast von seinem Pferd gefallen wäre, als dieses plötzlich alle seine Hufe in den Boden rammte und mit einem heftigen Ruck zum Stehen kam. Entsetzt klammerte er sich mit aller Kraft an der Mähne fest und es gelang ihm sein Gleichgewicht zu finden. Die Stute warf den Kopf hoch und schnaubte empört. Sie hatte nichts gegen den schnellen Lauf gehabt und scharrte auffordernd mit den Hufen, dass es weitergehen sollte. Doch vor ihnen auf der Straße standen drei Reiter, nur als Silhouetten zu erkennen. Sie standen mucksmäuschenstill da und bewegten sich nicht. Beinahe wäre Nekat, der vorne ritt in sie hinein galoppiert.

      David versuchte einen Blick auf die Drei zu werfen und ihm gelang es einige Einzelheiten des Vordersten zu erkennen. Was er sah, gefiel ihm allerdings ganz und gar nicht. Dieser Mann war ihm nicht unbekannt. Sein langer, roter Mantel wehte leicht in einer zarten Brise. Das Pferd auf dem er ritt gehörte sicherlich mit zu einem der Edelsten im Land und war gesattelt mit dem wertvollsten Lederzeug. Die braunen Haare umrahmten ein Gesicht, welches in ganz Zahur bekannt war. Das sollte es eigentlich auch, denn immerhin war dieser Mann sein König.

      Gemächlich ließ Atúl, der besagte König, sein Pferd auf die kleine Gruppe vor ihm zugehen. David kam der Gedanke, dass er wirklich königlich wirkte. Sehr bald korrigierte er sich auf machtvoll und stellte fest, dass machtvoll und königlich nicht dasselbe waren. Ein spöttisches Lächeln machte sich auf Atúls Mund bemerkbar. Ein Lächeln, welches schon fast wie ein höhnisches Grinsen wirkte.

      "Vorhersehbar.", bemerkte er mit leichter Abfälligkeit in der Stimme. Machtvoll aber ganz und gar nicht königlich. "Eine Schwäche an der schon viele große Helden zu Grunde gegangen sind." Seine Stimme bekam etwas Theatralisches. "Wie ich mit Bedauern feststelle, komme ich wohl ein wenig zu spät."

      David lief es kalt über den Rücken, als sich für einen Augenblick ihre Blicke trafen. Es war ein Blick, der einerseits Eisberge schmelzen konnte, aber andererseits auch ganze Meere gefrieren lassen. Dieser Blick war sehr einzigartig, denn meistens funktionierte er nur in eine Richtung. David jedenfalls fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut als ihn dieser machtvolle und absolut gar nicht königliche Blick traf.

      Um sich davon ablenken zu können, versuchte er die beiden Soldaten näher zu betrachten, aber ihre Blicke waren noch viel grausamer, obwohl es schwer zu sagen war wieso, denn sie waren absolut leer. Wahrscheinlich war es diese unmenschliche Leere, die so abstoßend wirkte, dass man besser daran war in Atúls fast ebenso unmenschliche Blicke zu sehen.

      Nekat trieb seinen Hengst vorwärts, bis er quer auf der Straße vor den ihm anvertrauten Leuten stand. "Was wollt Ihr, Atúl?", fragte er. Eine leichte Unsicherheit ließ sich nicht überhören, wahrscheinlich ebenfalls durch dessen merkwürdiges Verhalten hervorgerufen.

      "Oh, nichts bestimmtes.", meinte er nebensächlich. "Wahrscheinlich seid Ihr nur nicht ganz auf dem Laufenden, was einige Dinge betrifft. Vielleicht wäre es besser, Ihr würdet Euch über diese informieren."

      "Was sollen das für Dinge sein?" Nekat hatte nicht wirklich vor, sich mit Atúl über unwichtige Dinge zu unterhalten. Dinge, die ihn wahrscheinlich sowieso nicht viel kümmerten. Er hatte noch nie viel für Atúl übrig gehabt. Dieser hatte eine Persönlichkeit, die auf viele eher abstoßend wirkte, die ihm aber uneingeschränkte Macht verlieh.

      " Zum einen ist der Zugang zu dem Tal in welches Ihr wollt, dies nehme ich jedenfalls an, denn diese Straße endet dort, bis auf weiteres gesperrt.", begann Atúl. Auch er hatte nicht viel für seinen Gegenüber übrig. Doch dieser Umstand lag nicht daran, dass er an Nekat selbst etwas zu bemängeln hatte. Er kannte ihn ja kaum. Eigentlich kannte er kaum jemanden, denn er gab sich selten mit Niederenab. "Niemand wird es verlassen und niemand wird hineingelangen, solange, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind."

      "Was für Untersuchungen?", unterbrach Nekat mit scharfem Ton.

      Atúl zog kurz verärgert die Brauen zusammen, doch er beschloss nicht die Geduld zu verlieren. "Es werden bestimmten Phänomen auf den Grund gegangen, die von der hiesigen Bevölkerung als recht beunruhigend empfunden werden. Nichts Besonderes denke ich, aber sicher ist nun mal sicher, oder findet Ihr nicht?"

      "Seit wann kümmert Euch die Sicherheit in Eurem Land?", bemerkte Nekat.

      Atúl beschloss erneut nicht weiter darauf einzugehen, was ihm diesmal schon etwas schwerer fiel. "Zweitens geht es um eine weitaus wichtigere Angelegenheit. Da wir uns nun schon einmal zufällig über den Weg gelaufen sind, kann ich Euch sicher eine Botschaft übermitteln. An wen auch immer. Gebt sie dem, der sie am ehesten gebrauchen kann. Ich werde eine Gruppe meiner Männer nach Naksa schicken. Ich wünsche, dass sie dort alles zu sehen bekommen, was sie zu sehen wünschen. Dieses Gebiet gehört nun einmal zu meinem Land und ich möchte über mein Land Bescheid wissen."

      "Ich bin mir sicher, dass Euch kein Einlass gewährt werden wird."

      Wieder trieb Atúl sein Pferd an und kam noch ein Stück näher an sie heran. "Und ich bin mir sicher, sie sollten sich dies noch einmal genau durch den Kopf gehen lassen. Denn ansonsten könnte es gewisse Folgen haben."

      "Ihr glaubt also, es wäre für uns besser, wenn wir Naksa freiwillig in Eure Hände übergeben?" Nekat schnaubte abfällig. "Das denke ich nicht."

      "Ich hoffe, Eure Meinung ist nicht ausschlaggebend. Denn warum sollte ich mir Schlechtes für Naksa wünschen?" Atúl kehrte wieder zu seiner ursprünglichen Position zwischen seinen beiden Soldaten zurück. "Ich wünsche Euch noch einen wunderschönen Abend, Nekat."

      Mit diesen Worten ließ er sie allein zurück und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Nur noch der Hufschlag der drei Pferde war für eine Weile zu hören, doch auch dieser wurde schnell verschluckt. Dann herrschte Stille um sie herum.

      Sie waren lange und weit in einem strengen Tempo geritten, bis sie endlich am Wegesrand hielten, um unter einigen alten Bäumen ein provisorisches Nachtlager zu errichten. Noch ein paar wenige Meter weiter und David wäre vermutlich vor Anstrengung vom Pferd gefallen. Seine Muskeln waren verspannt und er hatte Krämpfe in den Beinen. Als er abstieg konnte er sich kaum bewegen.

      Eine geraume Zeit später saßen sie an einem unruhig brennenden Feuer, um ein karges Mahl zu sich zu nehmen. Bis auf die paar Bäume unter denen sie hockten, waren sie umgeben von offenen Feldern und der kalte Wind ließ sie erbarmungslos frieren. David zog sich die Jacke enger um die Schultern, doch es half nicht wirklich. Nach einer Weile verlor er die Geduld.

      "Könnte mir eventuell jemand erklären, was hier vor sich geht?" Er wollte fordernd klingen, selbstbewusst, doch er war einfach nur müde und erschöpft.

      Ratloses Schweigen herrschte zunächst vor, bis sich der Mann räusperte, der sich Nekat nannte. "Was weißt du über die Legenden und Mythen rund um die Götter?", fragte er.

      "Nichts.", gestand David ohne lange darüber nachzudenken.

      Wieder folgte Stille, diesmal ein wenig verzweifelter, gepaart mit einigen hilflosen Blicken. Nur auf Jacks Zügen zeigte sich ein mitleidiges Grinsen, was aber wohl nicht David galt. Erneut dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis Nekat den Versuch begann es ihm so einfach wie möglich zu erklären. Er schien sich in seiner Rolle nicht wohl zu fühlen, auch wenn David den Grund hierfür nicht gleich erkennen konnte.

      "Weißt du etwas über den Kampf zwischen Göttern und Dämonen?", versuchte Nekat es erneut, doch wieder konnte David nur den Kopf schütteln.

      "Na ja, macht ja nichts.", seufzte Nekat. "Das ist im Grunde auch schnell erklärt. Auf der einen Seite stehen die Götter mit ihrem Führer Ulasta und auf der anderen Seite stehen die Dämonen, geschaffen von ihrem Führer Justaka. Im Grunde scheint die Geschichte lächerlich, denn sie basiert auf einen schlichten Streit. Zuvor gehörte Justaka mit in die Reihen derer, die den Göttern untertan waren, ein starker