Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
Скачать книгу
Jedenfalls war es in Jacks genervten Ohren wie ein Jammern. Er selbst konnte auch keine Ruhe finden, doch das sagte er ihr nicht. Es war praktischer und sicher auch angebrachter ihr die Schuld dafür zuzuweisen.

      "Du könntest dir wenigstens Mühe geben es zu versuchen.", brummte er ungeduldig. Wenigstens den Mund könnte sie doch halten, wenn er sie schon den ganzen Tag über ertragen musste.

      "Was denkst du, was ich die ganze Zeit versuche?", fauchte sie zurück.

      "Sonst konntest du auch schlafen!", fuhr er sie an. Eine Spur zu heftig, wie er sich gleich darauf eingestand, aber dies änderte nun nichts mehr daran.

      "Aber heute nicht!" Die drei Worte gingen in leichtem Schluchzen unter, welches mühsam versucht wurde unterdrückt zu werden.

      Jack ärgerte sich ein wenig über sich selbst. Sie alle waren in letzter Zeit angespannt und im Stress gewesen. Er hatte im Grunde kein Recht seinen Missmut darüber an ihr auszulassen und es kam ihm der Gedanke, dass er sich vielleicht ein wenig zu oft mit ihr gestritten hatte. Sie war auch nur ein Mensch, wenn auch ein äußerst anstrengender. Wenn sie ein wenig freundlicher wäre, würde es ihm sicher auch leichter fallen, ein wenig freundlicher zu ihr zu sein.

      "Ich kann auch nicht schlafen." Ein bisschen Wahrheit war jetzt vielleicht angebracht beschloss er.

      "Tut mir leid.", murmelte sie.

      "Liegt nicht an dir.", warf er schnell ein. Ein wenig zu schnell, wie er trotz allem fand. "Liegt wohl einfach an dieser Nacht. Liegt vielleicht noch ein wenig zu viel Aufregung in der Luft."

      "Ich habe Angst.", flüsterte Faith fast lautlos. "Ich habe Angst, weiß aber nicht wovor. Und dies macht mir wieder von Neuem Angst und darüber ärgere ich mich. Es war meine Idee mitzukommen, auch wenn ich gewusst haben sollte, dass es nicht ganz einfach werden könnte. Aber ich will nicht aus Angst einfach wieder umkehren."

      "Das kannst du sowieso nicht so einfach tun.", erinnerte sie Jack. "Oder willst du den ganzen Weg wieder allein zurück? Ich glaube kaum, dass dich jemand begleiten wird. Und außerdem, haben wir alle Angst."

      Es schien sie nicht wirklich zu überzeugen. "Es ist grausam.", meinte sie. "Egal wo wir sind, wir werden überall in Gefahr sein."

      " Was redest du?" Er wusste, dass sie Recht hatte, aber er wusste auch, dass er sie irgendwie beruhigen müsste. "Wer sollte denn schon etwas von uns wollen?" Schwach, Jack Bradley, gestand er sich in Gedanken dazu.

      "Ich weiß es nicht.", wiederholte sie. "Es ist, als wäre etwas hier. Ganz in der Nähe. Als würde es uns die ganze Zeit verfolgen und nicht locker lassen. Als würde es jeden unserer Schritte genau sehen und kennen und als wüsste es alles über uns, wo wir hin wollen, was wir vorhaben, was unsere nächsten Schritte sind. Wie ein riesiges, nicht vorhandenes Auge, was aber doch eine unheimliche Existenz besitzt."

      Eine Weile sagte Jack gar nichts. Er wusste, dass sie recht haben musste. Etwas begleitete sie schon eine ganze Weile lang und es war nicht nur eine Ahnung, wer dieses gestaltlose Etwas war.

      "Jack?", fragte Faith zögernd. Ihre Angst wurde leise in ihrer Stimme laut und wenn er nicht bald etwas wirklich Beruhigendes zu ihr sagen würde, würde sie sich sicher immer weiter ausbauen.

      "Hm?", fragte er zurück.

      "Es stimmt, oder nicht?" Sie schien darauf zu warten, dass er ihr das Gegenteil sagte, doch er wusste nicht, ob dies eine gute Idee war.

      "Vielleicht.", murmelte er nur.

      "Jack?", fragte sie erneut.

      "Hm?", fragte er erneut zurück.

      "Hast du etwas dagegen, wenn ich ein Stück weiter neben dir schlafe?", wollte sie wissen.

      Jack schüttelte den Kopf. "Nein.", meinte er, nachdem ihm eingefallen war, dass sie diese Bewegung schwer sehen konnte. Faith schob ihre Strohmatratze ein Stück näher an seine heran und wickelte sich dort wieder in ihre Decke.

      Zu seiner eigenen Verwunderung verspürte David keine besonders große Müdigkeit. Obwohl er am vergangenen Tag sehr viel erlebt hatte und in manch fragwürdige Situation geraten war, schien er immer noch hellwach und sein Herz schlug immer noch schneller, wenn er an die zurückliegenden Geschehnisse dachte.

      Stumm betrachtete er das Bündel neben sich, welches er noch immer nicht angerührt hatte. Normalerweise war er ein sehr wissbegieriger Mensch, doch hierbei schien sein Interesse gänzlich im Hintergrund zu stehen. Trotzdem musste er wissen, woran er war und so zog er es an sich. Ein festes Garn umspannte sorgfältig gewickelte Leinen. Einen Moment zögerte David noch, doch dann öffnete er entschlossen den Knoten und wickelte den Stoff beiseite. Kurze Zeit später hielt er einige lose Blätter Papier in den Händen. Es war nicht irgendwelches Papier. Papier allein war schon sehr teuer und schwer zu bekommen und dieses war von einer Reinheit, wie David sie noch nie zuvor in den Händen gehalten hatte. Er war ein wenig enttäuscht, denn er hätte mit weitaus mehr gerechnet. So wertvoll diese Blätter auch sein mögen, erstens waren sie beschrieben und zweitens wirkten sie nicht sehr aufregend, so dass David sich fragte, was an ihnen so wichtig sein sollte. Seufzend blätterte er die Seiten durch. Sie waren mit einer ihm fremden Schrift beschrieben. In einer sauberen Arbeit mit einer feinen Feder Strich für Strich. Leider konnte David nicht lesen, was dort geschrieben war.

      Vorsichtig wickelte er das Papier wieder in die Leinen ein. Ihn verließ das Gefühl nicht, es könnten wichtige Informationen sein, die er unfreiwillig bekommen hatte. Er musste nur jemanden finden, der es für ihn lesen und dem er vertrauen konnte.

      "David?", drang plötzlich eine vertraute Stimme an sein Ohr, die so vertraut klang, dass er gar nicht erst merkte, sie gehörte nicht hierher. "Hey, David!"

      Überrascht drehte er sich um und erblickte eine Gestalt, die ihm nur knapp übers Knie reichte. "Tarry?", fragte er erstaunt und sah ein wenig ratlos in die verärgerten Koboldaugen. Tarrys widerspenstige, schwarze Haare waren noch ein wenig zerzauster als sonst und seine geflickte Jacke war mit Erde verdreckt. Seine Augen, die noch schwärzer als seine Haare waren funkelten unheilverkündend. Die Hände hatte er in die Seiten gestützt und sein Mund verzog sich schmollend. Hinter ihm rollte sein Bruder Céwik den seichten Hang hinunter und blieb erschöpft auf dem Rücken liegen.

      "Ich brauche eine Pause, Mann!", keuchte er. Trotz dass die beiden Kobolde Brüder waren, konnten sie nicht unterschiedlicher sein. Tarry voller Temperament ohne jegliche Zurückhaltung, egal in welcher Situation. Céwik für einen Kobold ungewöhnlich zurückhaltend und vielleicht ein wenig schüchtern. Tagsüber oftmals nicht anzutreffen, da er irgendwo tief in Gedanken versunken über den Sinn des Lebens philosophierte und sich Fragen stellte, die ihm keiner beantworten konnte.

      "Wir sind da, Dummkopf!", fauchte Tarry.

      "Ach, wirklich?" Céwik hob den Kopf und sah David. Er versuchte es mit einem leichten Lächeln, doch er schien wirklich außer Kräften zu sein.

      "Und wir hätten uns nicht einmal beeilen brauchen oder uns in irgendeiner Art Sorgen zu machen, denn anscheinend scheint es unserem großen Freund ja ganz gut zu gehen.", brummte Tarry vor sich hin. "Jedenfalls konnte ich keine große Wiedersehensfreude an ihm erkennen. Es ist ja nicht so gewesen, dass wir uns große Sorgen gemacht haben, nachdem er in Caparian City spurlos verschwunden war und sein Vater bis in die Dunkelheit gewartet hat und jetzt große Ängste aussteht. Ach, wieso denn? Wir wussten doch, dass er großes Glück hatte und neue Freunde findet, die ihm aus der Patsche helfen."

      Als jemand, der sich in der Welt der Magie und ihrer Bewohner nicht besonders gut auskennt, soll erklärt werden, dass Kobolde, so klein sie auch sein mögen, recht häufig und gerne das Wort großbenutzen. In ihrer eigenen Sprache gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Arten dieses Wortes. Es gibt, um einige Beispiele des Gebrauchs dieses Adjektivs zu nennen, den Großen Krieg (zwischen Elfen und Kobolden, den keiner der beiden Seiten gewann), die Großen Heldentaten (die in dem eben genannten Krieg eine große Rolle gespielt hatten) und vor allem das Große Volk (wie sie sich selbst bezeichnen). In der Bibliothek von Sunspring gibt es ganze Regale mit Literatur über die verschiedenen Völker dieser Welt. Auch über Kobolde gibt es eine Menge, sehr häufig Negatives, zu