Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
Скачать книгу
sind sie?", wollte David wissen, als Nekat eine Pause machte.

      "Du meinst die Götter und Dämonen?" Als David nickte fuhr Nekat fort. "Sie unterscheiden sich im Grunde nicht sehr von uns. Sie besitzen Kenntnisse über das Wirken von Magie, was sie zu mächtigen Magiern macht. Das berechtigt ihren Anspruch darauf, die Kontrolle über nahezu jegliches Leben zu befehlen, was auch eine enorme Verantwortung mit sich bringt. Aber sie haben Schwächen wie wir und auch sie können wohl Fehler machen, sonst wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen."

      "Wozu gekommen?" David verstand nicht alles, denn Nekat schien ihm absichtlich Dinge vorzuenthalten, als wäre es ihm unangenehm darüber zu sprechen.

      "Vielleicht hätte Justaka früher aufgehalten werden können.", mutmaßte Nekat bitter mit leiser Stimme, als fürchte er ungebetene Ohren könnten mithören. "Denn auch wenn sich sein Kampf gegen Ulasta richtete, hinderte es ihn nicht daran, die halbe Welt zu zerstören, bis er aufgehalten wurde."

      Wieder herrschte bedrückendes Schweigen und David wollte eigentlich niemanden belästigen, doch es nervte ihn, dass er unwissend blieb. "Wer hat ihn aufgehalten?"

      Nach langem Zögern antwortete Nekat ihm endlich. "Ich."

      "Das muss schon eine Weile her sein.", überlegte David unsicher.

      "Es ist fast zweitausend Jahre her.", bestätigte Nekat. Diesmal fuhr er von allein fort. "Doch es scheint nicht viel gebracht zu haben, denn mit seinem eigenen Fluch beschwor er sich ins Leben zurück, auch wenn ihm dies keiner glauben wollte. Es gab weise Männer, die seine Rückkehr prophezeiten, doch auch sie wurden nur müde belächelt. Inzwischen existieren nur noch Bruchstücke ihrer Aufzeichnungen. Glaube hat eine immense Macht, doch Unglaube schützt nicht und Vergessen macht alles nur schlimmer."

      "Nun ist er zurück.", vermutete David und brauchte im Grunde keine Antwort. Noch fiel es ihm schwer, dies alles überhaupt glauben zu können, deshalb erschütterte es ihn noch wenig. Vielleicht war er auch nur auf ein paar fanatische Spinner getroffen.

      "Die Weisen berichteten in ihren Prophezeiungen, wie bereits erwähnt, von seiner Rückkehr und auch, wie es möglich sein könnte ihn aufzuhalten." Nekat hielt kurz inne. "Beziehungsweise, wer."

      "Und?", hakte David nach.

      Er erhielt keine Antwort, nur einen stummen Blick Nekats von dem Mädchen Faith neben ihm auf ihn zurück. "Was soll das sein? Ein blöder Scherz?", ärgerte David sich.

      "Schön wäre es.", entgegnete Jack sarkastisch, der sich bisher zurückgehalten hatte.

      "Ihr müsst euch irren." Langsam dämmerte es David, dass diese Leute es durchaus ernst meinten.

      "Nein, das tun wir nicht.", behauptete Nekat.

      "Gut, dann solltet ihr eure Zeit nicht vergeuden und euch jemand anderes suchen.", schlug David vor.

      "Das ist das Problem, es gibt offensichtlich niemanden.", warf Jack wieder ein.

      "Ich will ja niemandem zu nahe treten,", begann David mit einem kurzen Blick auf Faith, die wortlos neben ihm saß, "aber wenn sie nicht irgendwelche Superkräfte besitzt, frage ich mich, wie das gehen soll. Soll ich ihn mit Steinen bewerfen?"

      Niemand reagierte auf seine Frage, was ihn nicht verwunderte. Stattdessen stand Nekat einfach auf und verließ sie ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

      "Was ist, kann ich jetzt nach Hause?", drängte David.

      "Das ist vielleicht keine gute Idee, Junge.", überlegte der alte Mann, Arthur, der noch immer auf einem trockenen Stück Fleisch herum kaute. "Unabhängig davon, was du glaubst, glaubt Justaka an das, was wir dir erzählt haben."

      Diese Nacht war wieder einer der Nächte, die nicht vergehen wollte. Etwas in Nekat drängte weiter, doch er musste warten, denn Mensch und Tier brauchten Ruhe. Auch sein Pferd konnte ihn nicht die ganze Nacht hindurch tragen, auch wenn es für seine Verhältnisse schon eine lange Pause bekommen hatte. Eigentlich würden sie aufbrechen können. Stattdessen war er ein ganzes Stück durch die Gegend gewandert, bis er schließlich auf einem Hügel angelangt war, von dem aus man eine ununterbrochene Sicht nach Norden hatte. Im Hintergrund ragte das Ostgebirge in die Höhe, doch es war lange nicht so weit entfernt, wie es vielleicht wirkte. In ein, zwei Tagen war es von hier aus erreicht, wenn man wollte und sich beeilte. Sie würden wohl eher zwei Tage brauchen. Ansonsten war kaum etwas zu erkennen. Nur ein mächtiger, allerdings halb zerstörter Turm war noch schwärzer als die Nacht, so dass er deutlich aus dem benachbarten Tal herausragte.

      "Vergiss es.", hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich und er fuhr erschrocken herum. Doch es war nur Rugar, der ihm nach einer Weile gefolgt war. "Jeder, der versuchen würde auch nur einen Schritt näher als erlaubt an dieses Tal heranzukommen, würde sofort bemerkt werden. Atúl wird wichtige Gründe haben, wenn er sich die Mühe macht, ein solch unbedeutendes Stück Land vollkommen abzuriegeln."

      "Ja, und mich würde sehr interessieren, was dieser Grund wohl sein mag.", bestätigte Nekat und richtete seinen Blick noch einmal auf die entfernte Ruine.

      "Du solltest langsam einmal eine Pause machen dir weitere Rätsel zu stellen.", behauptete Rugar. "Es bekommt einem auf Dauer nicht."

      "Es könnte wichtig für uns sein."

      "Könnte es."

      "Es wäre vielleicht besser, wenn wir darüber Bescheid wüssten."

      "Vielleicht."

      "Also?"

      "Wenn Atúl etwas weiß, werden wir es sicher auch noch rechtzeitig herausfinden."

      Nekat seufzte. "Es wäre schön, könnte ich auch daran glauben." Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen und sie starrten nur in die Nacht hinaus. Jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

      "Würdest du sie allein nach Naksa bringen?" Die Frage stellte Nekat, als würde er zu sich selbst sprechen und nicht einmal wirklich wahrnehmen, was er sprach.

      "Kommt ganz darauf an, aus welchem Grund du es nicht tun solltest.", antwortete Rugar und nicht nur leichtes Misstrauen war aus dieser Stimme zu hören. Rugar war selten dazu fähig Gefühle für irgendetwas oder irgendjemanden zu zeigen und auch dies bildete eine seltene Ausnahme. Nekat drehte sich erneut zu ihm herum und hielt seinem argwöhnischen Blick stand.

      "Ich werde nach Midnight Town und Sunspring reiten.", erklärte er ruhig. "Ich habe keine Ahnung, was Atúl vorhaben sollte, aber sein Verhalten sollte uns eine Warnung sein. Wer weiß, was für Freunde er sich geschaffen hat. Ich würde ihm alles zutrauen. Die Mönche und Gelehrte Midnight Towns und Sunsprings haben keine Ahnung, was vor sich gehen könnte, also werde ich sie warnen."

      Diese Erklärung schien Rugar nicht zu beruhigen, sondern seine Beunruhigung noch zu vertiefen. "Du wirst nicht nach Silver Rain gehen."

      Es war keine wirkliche Frage. Trotzdem fiel es Nekat schwer diesen Satz zu bestätigen. Silver Rain. Die Stadt, die ihrer beider Schicksale auf unerklärliche Weise (wahrscheinlich nur aus einer Laune heraus) miteinander verband. Eine Unmenge von Gefühlen löste dieser Name tief in Nekats Geist aus, doch am Ende blieb nur eines: Eine qualvolle, nie endende Sehnsucht.

      "Nein." Es war fast nur ein Flüstern.

      "Versprich es.", forderte Rugar ihn auf. Sein Blick bohrte sich noch fester in Nekats Augen, doch es war natürlich unmöglich verhindern zu wollen, wie Nekat diesem auswich.

      "Das kann ich nicht.", brachte Nekat schließlich mit einiger Mühe heraus, denn er hatte trotzdem versucht diesem Drang zu wiederstehen. Rugar schien enttäuscht zu sein, als er sich von ihm wegdrehte.

      "Rugar.", hielt er ihn auf, als er zu gehen schien. Er trat auf seinen Freund zu und drückte ihn kurz an sich, für die Zeit, wo er keinen Protest erwartete. "Falls wir uns nicht mehr sehen sollten.", sprach Nekat leise. "Bring sie sicher nach Hause."

      Dann ging er und verschwand mit eiligen Schritten in die Dunkelheit. Zurück ließ er Rugar, der sich den unerwarteten Schmerz zu erklären versuchte, der ihn mit einem Mal tief in seinem