Il Vesuvio - Die Ehrenwerte Gesellschaft. Renate Zawrel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Renate Zawrel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745031539
Скачать книгу
Bei erstbester Gelegenheit würden sie gemeinsam eine Fahrt nach Capri unternehmen. Seine Jacht war geräumig genug, auch für eine Übernachtung geeignet. Und dass seinen Damen ein Bummel durch die einladenden engen Gässchen in Capri genehm sein werde, dessen war er gewiss. Schließlich gab es dort Designerartikel zu erwerben, von denen man anderenorts nur träumte. Selbstverständlich gestalteten sich auch die Preise entsprechend. Aber das spielte keine Rolle.

      Über das Gesicht des Lords huschte ein kleines Lächeln: Seine Gespielin Marie würde er am Sonntag mit einem schönen Schmuckstück überraschen. Er hoffte sehr, dass sie dann geneigt war, ihm ganz besondere Wünsche zu erfüllen.

      Sir Edward lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und streifte in Gedanken Marie die Kleidung ab, stellte sich vor, wie sie nackt vor ihm lag, ihm ihren wunderschönen Körper willig überließ. Er spürte, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte …

      Ein Pochen an der Tür des Arbeitszimmers weckte ihn unsanft aus seinem Tagtraum.

      »Ja bitte!«, rief er mit belegter Stimme und legte den Gefühlsschalter auf ›sachlich‹ um.

      Frederic trat ein und verbeugte sich gemessen. »Ein leichtes Mittagessen ist im Wintergarten serviert, Sir. Wie Sie gewünscht haben.«

      Höflich blieb der Butler an der Tür stehen. Natürlich entging ihm das gerötete Gesicht des Lords nicht, auch nicht dessen etwas rascherer Atem. Oh, Sir Edward hatte sich allem Anschein nach in Gedanken mit seiner sonntäglichen Besucherin vergnügt. Alle wussten um dieses Hobby, keinem war jedoch bekannt, um welche Art Gespielin es sich dabei handelte, denn noch nie hatte jemand sie zu Gesicht bekommen. Die Dame besaß einen Schlüssel zu einem bestimmten Eingang des Hauses, der für das Personal nicht einsehbar war. Frederic hatte sich einmal die Mühe gemacht und sich zu gegebener Zeit auf die Lauer gelegt, um einen Blick auf die geheimnisvolle Besucherin zu werfen. In der Dunkelheit vermochte er nur vage Details zu erkennen – durchschnittliche Größe, langes Haar, wohlproportioniert. Diese Beschreibung passte auf viele Frauen. Und so ging das Rätseln weiter.

      Sir Edward hatte inzwischen einige Mal kräftig durchgeatmet, sich aus dem Arbeitssessel erhoben und trat nun durch die vom Butler offen gehaltene Tür.

      »Danke, Frederic, sehr freundlich«, sagte er. »Für heute Abend ist auch alles bereit? Weiß man in der Küche Bescheid, dass der Avvocato mit uns speisen wird?«

      »Sehr wohl, Sir! Marie hat alles geplant. Sie hat sich eine wahrlich kulinarische Reise einfallen lassen für heute Abend. Darin ist sie eine Künstlerin.«

      Der Name Marie verursachte Sir Edward wie stets einen kleinen, angenehmen Kitzel und er bestätigte: »Ja, das ist sie.«

      Beim Genuss eines köstlich-leichten Salates mit Hühnerstreifen blätterte er in den Seiten der Financial Times und schmunzelte wiederum, als er den Höhenflug der Aktien betrachtete, die er zu einem wesentlich niedrigeren Kurs gekauft hatte.

      Sein Blick glitt nach draußen: Während noch gestern ein Sturm über den Golf von Neapel zog, sandte die Sonne heute ihre wärmenden Strahlen herab. Die kleinen, unbedeutenden Schneeflächen innerhalb der Gartenanlage waren verschwunden und im Wintergarten herrschte wohlige Wärme trotz ausgeschalteter Heizung.

      Lord Lindsay sah dem Butler zu, der damit beschäftigt war, das Geschirr abzuräumen. »Ich unternehme jetzt einen Rundgang im Garten«, sagte er. »Dann werde ich mich noch eine kleine Weile zurückziehen. Gegen sechzehn Uhr möchte ich gern den Tee serviert haben. Könnten Sie das veranlassen, Frederic?«

      »Selbstverständlich, Sir.«

      Auch Frederic würde sich ein Nickerchen gönnen. Mit Unbehagen dachte er daran, dass heute Abend wieder dieser ungehobelte Malcolm Mortimer erschien. Man musste keine besondere Menschenkenntnis besitzen, um festzustellen, dass dieser Mann sich am besten darauf verstand, Schwierigkeiten zu machen.

      In der Küche lief alles auf Hochtouren. Marie übertraf sich diesmal selbst. Wie bei solchen Anlässen üblich, gab es kleine Menükärtchen, die auf dem Tisch stehen würden.

      ›Fischcarpaccio – Soup de poisson – Hummerspieße – Pavlova‹

      Es handelte sich um Speisen aus internationalen Küchen und Pavlova war eine Süßspeise aus Neuseeland: Ein Baiser-Traum mit Schlagsahne und Erdbeeren. An wen hatte Marie wohl gedacht, als sie dieses Nationalgericht der Kiwis, wie die Bewohner Neuseelands scherzhaft bezeichnet wurden, zauberte? Frederic lief das Wasser im Mund zusammen. Wusste er doch, dass es die gleichen Köstlichkeiten auch für die Angestellten gab. Darauf bestand der Lord: Sein Personal sollte die gleichen Annehmlichkeiten haben, wenn es ihn und seine Gäste bei solchen Festen bediente.

      ***

      Der Avvocato traf als erster Gast ein. Lord Lindsay hatte ihn gebeten, etwas früher zu kommen. Die beiden Herren standen im Salon und diskutierten bei einem Aperitivo über die aktuellen Ereignisse, heute insbesondere über die Entführung des Sohnes von Gianna Garibaldi, der Besitzerin einer großen Boutique in Neapel. Nur wenig war davon an die Öffentlichkeit gedrungen. Aber der Avvocato besaß Informationsquellen an einflussreicher Stelle. Entführung gehörte eigentlich nicht zu den Geschäften der Camorra, und der Name Gianna Garibaldi war nie mit der ›Ehrenwerten Gesellschaft‹ in Zusammenhang gebracht worden. Es wurde gemunkelt … der Avvocato flüsterte dem Lord etwas ins Ohr, das dieser kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm.

      Man würde sehen, wie sich die Sachlage entwickelte.

      Das Gespräch wandte sich dem geplanten Film zu. Der Rechtsanwalt wiegte bedenklich den Kopf. »Der Regisseur wird sehr vorsichtig sein müssen, wenn er diesen Film wirklich drehen will. Sonst sitzt er bald mit Bleischuhen auf dem Meeresgrund. Ich kenne natürlich das Drehbuch nicht. Vielleicht beschönigt er ja die Taten der ›Ehrenwerten Gesellschaft‹ und …« Das Läuten am Portal hinderte ihn an weiteren Ausführungen.

      Frederic öffnete und ließ die Gäste ein. Er registrierte sofort, dass Malcolm Mortimer fehlte und atmete erleichtert auf. Höflich übernahm er den Mantel Ronalds und die Jacke Karls und brachte sie in die nicht einsehbare Garderobe.

      Karl blickte sich unauffällig um: Keine Spur von Marie. Aber er würde sie ja sehen, wenn sie die Speisen servierte. Doch darin irrte er.

      Die Enttäuschung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als Francine geschäftig auf und ab lief und geschickt bediente. Weil er schlecht fragen konnte, womit Marie beschäftigt war, widmete er seine Aufmerksamkeit schließlich dem Tischgespräch.

      Marie hätte nicht einmal eine Sekunde Zeit gehabt, die Küche zu verlassen. Jedes Gericht erforderte eine spezielle Dekorierung auf dem Teller und sie ließ es sich nicht nehmen, alles selbst zu arrangieren. Für diesen Abend hatte sie Pierre die Arbeit abgenommen, der nun mit Argusaugen über ihre Kochkünste wachte – aber nichts auszusetzen fand.

      »Ach, Marie, die Männer wissen gar nischt, was sie loben sollen, weil es sie so gut schmeckt.« Francine verdrehte theatralisch die Augen. Mit jedem neuen Gang, den sie servierte, bekam sie ein Lob an die Köchin mit. Auch der Lord war von der heutigen Kreation begeistert. Er hatte es ja schon immer gewusst, diese Frau war in jeder Beziehung eine Perle.

      Erst das Dessert servierte Marie selbst. Schließlich hatte sie ja über das Internet herausgefunden, was es in Neuseeland an kulinarischen Besonderheiten gab. Die Erdbeeren, die sie im mercato erstanden hatte, leuchteten glänzend rot aus der geschlagenen Sahne und die luftigen Baisers lockten jeden Gourmet.

      Auch Karls Augen glänzten, als Marie das Esszimmer betrat. Er drückte seine Hände fest auf die Tischplatte. Gern wäre er aufgesprungen und hätte ihr geholfen. Er erkannte sofort, was hier serviert wurde. Das konnte kein Zufall sein! Aber er musste es sicher wissen. Als Marie ihm die Pavlova mit freundlichem Lächeln vorsetzte, fragte er: »Kennt man diese Nachspeise auch hier in Italien?«

      »Nein, Mister Landmann«, antwortete Marie wahrheitsgemäß. »Das Internet hat mir verraten, was es auf der anderen Seite der Erdkugel für wunderbare Süßspeisen gibt. Guten Appetit, die Herren!« Und dann verließ sie mit Frederic das Zimmer.

      Sir Edward beobachtete den Neuseeländer