Il Vesuvio - Die Ehrenwerte Gesellschaft. Renate Zawrel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Renate Zawrel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745031539
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werden abgeholt«, klärte der Regisseur ihn auf. »Marie muss zum Arzt und kommt anschließend …«

      Karl unterbrach ihn besorgt. »Marie ist beim Arzt? Weshalb? Was ist passiert?«

      »Das weiß ich doch nicht!« Ronald hob die Schultern. »Es wird schon nichts Ernstes sein, wenn sie selbst Auto fährt. Ich sitze übrigens gern auf der Rückbank.« Er lächelte spöttisch.

      Karl überhörte die Spitze. Seine Gedanken waren bei Marie. Er rief sich ins Gedächtnis, wie sie vorgestern klitschnass ins Auto gestiegen war. Danach hatte sie ihn und Ronald ins Hotel gebracht und war anschließend doch noch zum mercato gefahren. Woher kamen sonst die Erdbeeren? Das war es – sie hatte sich eine Erkältung zugezogen! Die Aussicht, nun erneut neben ihr im Wagen zu sitzen, verursachte ihm ein angenehmes Kribbeln. Aber er blickte nicht auf, denn er war sicher, Ronald beobachtete ihn.

      Bis sie abgeholt wurden, verblieben ihnen noch gut dreieinhalb Stunden Zeit, die es irgendwie zu vertreiben galt. Sie setzten sich in die Lobby. Ronald studierte seine Unterlagen und Karl langweilte sich. Hin und wieder blickte er auf die Armbanduhr – viel zu oft.

      Ronald schlug vor: »Ehe deine Uhr vom Stieren Löcher kriegt, solltest du besser in deiner Rolle schmökern, meinst du nicht? Vielleicht gibt es da einige Stellen, die wir – der Originalität halber – in Italienisch sprechen sollten. Such sie, streich sie an und wir fragen Marie, ob sie uns – das heißt also dir – die Passagen übersetzt.« Ronald grinste unverschämt.

      »Gute Idee«, murmelte Karl. Ihm wurde einmal mehr klar, dass er sich zusammenreißen musste, wollte er nicht während der gesamten Dreharbeiten wegen seiner Schwärmerei für Marie aufgezogen werden. Und wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war – er benahm sich tatsächlich wie ein Kerl in der Pubertät. Nur, wie hieß es so schön: Vieles ist leichter gesagt als getan. »Ich verzieh mich dann mal auf mein Zimmer«, erklärte er und stand auf. »So was kann ich nicht in der Lobby erledigen.«

      Ronald nickte abwesend. Er war in Gedanken mit irgendeiner günstigen Kameraeinstellung beschäftigt.

      Seufzend ließ Karl sich im Zimmer aufs Bett fallen und vertiefte sich in sein Skript. Je mehr er sich in die Rolle hineinversetzte, desto mehr wurde er gefesselt und fand Szenen, die bei Verwendung italienischen Floskeln tatsächlich mehr Lokalkolorit erhielten.

      Als das Zimmertelefon läutete, verwunderte ihn dies im ersten Augenblick, doch ein Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk genügte – es war schon viertel vor zwei. »Wir treffen uns vor dem Hotel. Ich hab' noch was für dich«, grummelte Ronald ins Telefon und legte auf, ehe Karl fragen konnte, worum es sich handelte.

      Die Sonne lachte noch immer freundlich vom Himmel. Eilig zog er seine Jeans an und schnappte sich nach kurzem Luftschnuppern auf dem Balkon einen dicken Sweater. Diese Bekleidung genügte.

      Ronald stand vor dem Portal und wandte ihm den Rücken zu.

      »Was hast du für mich?«, fragte er und tippte ihm auf die Schulter.

      Der Regisseur zuckte zusammen. »Erschrick einen alten Mann nicht so«, protestierte er und fügte dann lächelnd hinzu: »Gute Nachrichten.«

      »Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.«

      »Dein Freund Victor hat die Rolle angenommen.«

      Ronald gab den Anruf wieder, den er bekommen hatte. »Victor muss noch einige Termine wahrnehmen, aber ich soll ihm das Drehbuch zuschicken. Rechtzeitig zu Drehbeginn wird er hier sein.« Graham strahlte gute Laune aus. Die Besetzung der Hauptpersonen war wieder komplett. Wenn auch Marie noch zusagte …

      Aber durfte man wirklich so viel Glück an einem Tag verlangen?

      Ein schwarzer Wagen bog in die Hotelauffahrt ein. Karl erkannte die Fahrerin des Wagens und … sein Puls erhöhte sich. »Solltest nicht besser du vorn sitzen?«, wandte er sich an Ronald. »Das ist die Gelegenheit, Marie zu fragen, ob sie für uns übersetzen und gegebenenfalls die kleine Rolle übernehmen würde.«

      Ronald ging sofort auf das Angebot ein. »Keine schlechte Idee. Du siehst Marie noch oft genug, falls sie zusagt.« Er klopfte Karl kumpelhaft auf die Schulter.

      ***

      Marie hatte es gern übernommen, die beiden Männer vom Hotel abzuholen. Es war für sie nicht wirklich ein Umweg. Der medico führte die Praxis in seiner Privatvilla am Meer. Von dort zum Hotel war es mit dem Auto nur ein Katzensprung. Sie würde die Männer auch in dem Glauben lassen, sie sei wegen einer Erkältung in Behandlung. Tatsächlich hatte Sir Edward sie damit beauftragt, ihm ein spezielles Medikament von Medico Vicenzo zu besorgen. Es gab nun mal Dinge, die wollte der Lord nur Marie anvertrauen. Dazu gehörte das Abholen eines Potenzmittels.

      Es geschah durchaus nicht zum ersten Mal. Daher lächelte sie auch jedes Mal wissend, wenn der Lord sie in sein Arbeitszimmer bat und sich zwischen ihnen ein nur von Fall zu Fall leicht abgewandeltes Ritual vollzog.

      »Marie, hättest du die Freundlichkeit, von Medico Vicenzo etwas abzuholen?«, fragte Sir Edward in seiner steifen Art. »Du weißt, es ist nicht unbedingt etwas, das die gesamte Belegschaft wissen muss.« Hier, in diesem Zimmer, in dem sie allein waren, sprach der Lord Marie mit einem vertraulich klingenden Du an, während er in der Öffentlichkeit und in Gegenwart des übrigen Personals selbstverständlich das höfliche Sie benutzte.

      »Aber sicher, Sir Edward«, war die Antwort, die er erwartete. Allerdings pflegte Marie trotz der verschlossenen Tür das Sie beizubehalten, was er mit einem Schmunzeln registrierte.

      Diesmal lautete die Abwandlung von seiner Seite: »Vielleicht solltest du dich ja auch untersuchen lassen. Frederic teilte mir mit, dass du am Dienstag ein bisschen viel Regen abbekommen hast und seither ein wenig blass zu sein scheinst. Das Wochenende steht bevor und ich denke, da solltest du gesund sein.«

      »So ist es, Sir Edward«, hatte sie mit einem Lächeln zugestimmt und den Geldschein entgegengenommen, den sie an den medico weiterreichen sollte. Überrascht war sie dann nur gewesen, als der Lord sie noch einmal zurückrief und ihr auftrug, auf dem Rückweg die beiden ›Herren vom Film‹ abzuholen. »Wir beabsichtigen, uns das Gelände anzusehen, in dem sie die Trailer aufstellen werden. Verständige mich telefonisch, sobald du die untere Einfahrt erreicht hast. Wir treffen uns dort. Danach können die Herren, wenn es ihnen genehm ist, noch auf einen Fünf-Uhr-Tee bleiben. Dieser Karl Landmann gefällt mir ausnehmend. Ich beabsichtige, mit ihm ein wenig über Neuseeland zu plaudern.«

      »Selbstverständlich, Sir Edward, kein Problem«, hatte sie freundlich geantwortet. »Frederic muss den Herren nur Bescheid geben.«

      Marie brauchte nicht lange beim medico. Vorsorglich kontrollierte der Arzt ihren Gesundheitszustand, doch bis auf einen leicht geröteten Hals fehlte ihr nichts. Patienten wie sie machten den medico nicht reich. Er verschrieb Marie etwas zum Gurgeln und riet ihr, kürzer zu treten, obwohl er wusste, dass sie diesen Rat nicht befolgen werde. Die Medikamente für den Lord lagen bereit, wurden kommentarlos an die Frau ausgehändigt und schon stieg sie wieder in den Wagen und fuhr davon.

      Es war fast zwei Uhr nachmittags, als sie den Gästeparkplatz vor dem Rex ansteuerte. Die Männer standen wartend neben dem Hotelportal. Maries Herz klopfte ein wenig heftiger als sonst. Sie kurbelte die Seitenscheibe herunter und rief ihnen ein fröhliches buongiorno zu. »Steigen Sie ein, ich fahre Sie zu dem Platz, den Sie mit Sir Edward besichtigen wollen.«

      Karl hatte Mühe, seine langen Beine im Fond unterzubringen. Maries eigenes Auto war nun mal keine Limousine, sondern ein Kleinwagen. Ronald machte zudem keine Anstalten, seinen Sitz ein wenig nach vorn zu schieben. Maries Sitz war wesentlich weiter vorn eingerastet. Vorsichtig schob Karl sich hinter sie. Hier stießen seine Knie wenigstens nicht an den Vordersitz.

      Marie trug das Haar wie immer hochgesteckt und Karl starrte auf die samtig weiche Haut des Halses, auf dem sich feine Härchen kringelten. Er verschlang die Hände ineinander, um nicht in Versuchung zu geraten, die sanfte Linie ihres Halses nachziehen. Wo waren seine guten Vorsätze geblieben? Er musste sie draußen vor dem Wagen verloren haben.

      ***

      Lord