Gungo Large - Spiel mir das Lied vom Troll. Thomas Niggenaber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Niggenaber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754118160
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du Arsch«, murmelte ich schlaftrunken. »Wenn man dich nach dem Aufwachen als Erstes sieht, wünscht man sich sofort in einen Albtraum zurück.«

      Der rotbärtige Hilfssheriff drosch weiter mit demEssnapf auf die Gitterstäbe ein, obwohl ich bereits wach war, nur um mich zu ärgern. »Steh auf du Penner! Ich soll dich zum Bürgermeister bringen!«

      Ich setzte mich auf und horchte für einen kurzen Moment in mich hinein. Elsa war verschwunden, ich hatte also lange genug geschlafen um sie und ihre Tanzwut zu vertreiben. Dafür zitterten meine Hände jetzt so sehr, dass jedes Glas Milch in ihnen zu Butter geworden wäre und eine unbeschreibliche Leere erfüllte mich. Doch das war nur die übliche Reaktion meines Körpers auf mehrstündigen Alkoholentzug. Anzumerken wäre jedoch, dass ich selbst mit diesem Flatterigen noch jedes Ziel mit einer Schusswaffe hätte treffen können.

      »Was bitte soll ich denn beim Bürgermeister?«, wollte ich wissen.

      Ombringer zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich?Vielleicht will er dich für deine Verdienste zum Ehrenschluckspecht der Stadt ernennen. Der Sheriff ist schon bei ihm, also sieh zu, dass du deinen Hintern bewegst.«

      Der Geschmack in meinem Mund war ebenso schal wie die Witze des Deputys, weshalb ich auf beides gerne verzichtet hätte.

      »Hast du 'nen Drink oder 'ne Kippe für mich?«, fragte ich deshalb ohne mir große Hoffnung auf eine positive Reaktion darauf zu machen.

      Sie fiel aus wie erwartet. »Einen Tritt in die Weichteile kannst du haben, das ist auch alles.«

      Der Hilfssheriff schloss die Zellentür auf, die sich quietschend für mich öffnete. Ich erhob mich von der Pritsche und trat hinaus.

      »Dreh dich um«, forderte Ombringer mich auf. »Hände auf den Rücken!«

      Ich sah ihn ungläubig an. »Ernsthaft jetzt? Hast du ohne deinen Boss so viel Angst vor mir, dass du mir Handschellen anlegen musst, obwohl du eine Kanone hast und ich nicht?«

      »Das hat nichts mit Angst zu tun«, erklärte der fiese Zwerg, während er mir die metallenen Handfesseln anlegte. »Ich schikaniere dich nur unheimlich gerne.«

      Ich musterte ihn eingehend. »Kotzt es dich nicht manchmal an, Du zu sein?«, wollte ich wissen. »Ich meine, bist du mit deiner Gesamtsituation echt zufrieden? Niemand in der Stadt kann dich leiden und du wirst niemals mehr sein als der kleine, gemeine Gehilfe des Sheriffs. Ist doch erbärmlich, oder?«

      Ombringer legte seinen Kopf auf die Seite und grinste mich spöttisch an. »Und das aus dem Munde des größten Säufers und Verlierers von ganz Copperhole.«

      Ohne Handschellen hätte ich nun meinen Zeigefinger mahnend erhoben. So aber sah ich den Deputy nur an und hob meine linke Augenbraue – ein Minenspiel, dass ich lange vor dem Spiegel geübt hatte, da es mir ein unheimlich intelligentes, überlegenes Aussehen verlieh.

      »Und genau das sollte dir zu denken geben!«

      Doch das tat es nicht, wie ich nur wenig später feststellen musste. Als wir das Büro des Sheriffs verließen, stellte mir dieses linke Frettchen ein Bein, während er mich gleichzeitig nach vorne stieß. Ich strauchelte kurz und fiel schließlich vornüber. Da meine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren und ich mich nicht mit selbigen abfangen konnte, stürzte ich ungebremst auf die staubige Straße. Ich schaffte es noch, mich im Fallen seitwärts zu drehen, sodass mir zumindest eine gebrochene Nase oder andere Blessuren im Gesicht erspart blieben.

      »Da hat er bums gemacht und unten ist er«, frotzelte der Hilfssheriff hinter mir. »Los, steh auf, du hast doch lange genug geschlafen!«

      Ich erwiderte nichts, während ich mich aufrappelte. Meine Liste mit den Dingen, die ich in meinem Leben unbedingt noch machen wollte, war jedoch soeben um den Punkt Ombringer umlegen erweitert worden.

      Mein Hemd war an der Schulter eingerissen, meine Jeans mit Staub bedeckt und selbst in den Haaren trug ich noch ein paar Hinterlassenschaften der Straße – mein Outfit war also mehr als angemessen für einen Besuch beim Oberhaupt dieser Stadt, dessen Büro wir kurz darauf betraten.

      Bürgermeister Jogrund Honesty residierte natürlich im Rathaus, einem Gebäude am südlichen Ende der Stadt, das sich eigentlich kaum von den anderen Holzbauten in Copperhole unterschied. Weder Erhabenheit noch Würde strahlte dieser Bau aus und repräsentative Insignien oder gar Prunk suchte man hier vergebens, sowohl außen als auch innen. Lediglich der schwere Schreibtisch des Bürgermeisters war aus einem edlen, dunklen Holz gefertigt, das perfekt mit der ebenfalls dunklen Wandvertäfelung in seinem Amtsraum harmonisierte. Hinter diesem Schreibtisch saß das Gemeindeoberhaupt dann auch. Er war ein älterer Zwerg mit grauem Haarkranz, einem ebenso grauen Backenbart und einer schmalen Lesebrille auf der Nase, über deren Rand er uns anblickte, als wir den Raum betraten.

      Sheriff McHardy saß auf einem Sessel vor dem Schreibtisch. Er erhob sich verärgert, als er mich in Handschellen sah.

      »Was soll denn dieser Blödsinn?«, fuhr er seinen Deputy an. »Nimm ihm sofort die Dinger ab!«

      »Dein Büttel würde sogar ein Brathuhn fesseln, wenn er mit ihm allein sein müsste«, bemerkte ich, während ich von meinen Fesseln befreit wurde. »Es könnte ihn ja angreifen.«

      Bürgermeister Honesty verzog keine Mine. Er musterte mich stumm und wandte sich dann dem Hilfssheriff zu. »Danke Deputy, Sie werden hier nicht mehr gebraucht!«

      »Wie auch sonst nirgendwo«, fügte ich hinzu.

      Während Ombringer sich trollte, nahm der Bürgermeister ein Schriftstück von seinem Tisch und überflog es kurz. Danach sah er mich mit vorwurfsvollem Blick an. Die Ernsthaftigkeit und Seriosität schienen ihm dabei aus jeder Pore zu dringen.

      »Gungo Large, die Geißel dieser Stadt. Zweiundzwanzig Verhaftungen wegen Trunkenheit, Körperverletzung und ungebührlichem Verhalten allein in diesem Jahr.« Der grauhaarige Zwerg legte seine ohnehin schon runzlige Stirn noch mehr in Falten. »Das geht so nicht weiter. Stimmen Sie mir da zu, Mister Large?«

      Ich nickte und versuchte ein möglichst unschuldiges, aufrichtiges Gesicht zu machen. »Ich bin da ganz Ihrer Meinung, Eure Bürgermeisterlichkeit. Der Sheriff muss endlich damit aufhören, mich ständig zu verhaften. Ich fühle mich auch schon in höchstem Maße gemobbt!«

      Honesty erwiderte nichts. Er erhob sich von seinem Stuhl und begann, bedächtig schweigend in seinem Büro hin und her zu gehen. Den Kopf hielt er dabei gesenkt, so als würde er hoffen, auf dem Boden die passenden Wörter zu finden, nach denen er anscheinend suchte.

      Sheriff McHardy saß währenddessen in seinem Sessel und hielt sich gänzlich aus der Unterhaltung raus. Doch während er einen ganz zufriedenen Eindruck machte, fragte ich mich, wieso im Rahmen unserer Zusammenkunft keine Drinks angeboten wurden. Unter Ehrenmännern war so was doch eigentlich selbstverständlich. Vielleicht würde es der Bürgermeister noch tun, so hoffte ich, denn meinem Wohlbefinden wäre ein Schluck Whisky sehr zuträglich gewesen.

      Nach einer Weile blieb Honesty vor mir stehen.

      »Lassen Sie mich ehrlich sein, Large.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, kniff die Augen ein wenig zusammen und bedachte mich mit den abwertendsten Blicken, zu denen er wohl fähig war. »Ich will Sie nicht mehr in meiner Stadt haben! Sie sind wie ein Streifen Scheiße in einer sonst blütenweißen Unterhose und ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen schönen Ort weiterhin mit Ihrer Anwesenheit verunreinigen.«

      Solch einen rüden Tonfall hatte ich von so einem distinguierten, älteren Zwerg wahrlich nicht erwartet. Unverständlicherweise schien er keine sehr gute Meinung von mir zu haben, womit sich die Sache mit dem Drink wohl auch erledigt hatte.

      Er entspannte sich jedoch schnell wieder ein wenig, trat einen Schritt zurück und lehnte sich lässig gegen seinen Schreibtisch.

      »Sheriff McHardy hat mir allerdings von Ihrer, sagen wir mal, schwierigen finanziellen Situation berichtet und dass Sie weder über ein Pferd, noch über Barschaft verfügen. Ich bin kein gewissenloser Zwerg, Mister Large, und ich möchte Sie nur ungern so mittellos aus der Stadt jagen. Immerhin