Gungo Large - Spiel mir das Lied vom Troll. Thomas Niggenaber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Niggenaber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754118160
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einem kurzen Schulterzucken tat ich mein Desinteresse kund. »Muss ich nicht haben. Da bezahlt man doch nur den Namen. Andere, preiswertere Gewehre haben die gleichen Funktionen und seltener Ladehemmungen.«

      Meine Meinung enttäuschte McHardy offensichtlich.

      »Du hast doch keine Ahnung, Large!« Schmollend ließ er sein Gewehr wieder sinken. »Du warst zwar in der Army, hast aber trotzdem keine Ahnung! Ein Revolverheld der keine Ahnung von guten Gewehren hat – unglaublich!«

      Sein Deputy stieß ein verächtliches Schnaufen aus »Revolverheld? Der Suffkopp? Der hat seine Kanone doch das letzte mal im Krieg benutzt und das ist Jahre her.«

      Zu meinem großen Bedauern musste ich dem Widerling in diesem Punkt Recht geben. Seit ich aus der Army zurück in meine Heimatstadt gekommen war, hatten sich keinerlei Gelegenheiten ergeben, mir meinen Lebensunterhalt mit dem Revolver zu verdienen. In ganz Copperhole gab es keinen Bedarf an professionellen, mietbaren Schützen. Bewaffnete Auseinandersetzungen gab es kaum und weder die Kupferminen noch die Wagentrecks, welche das Kupfer aus der Stadt brachten, waren hochwertig oder bedeutend genug, um bewacht werden zu müssen.

      Meine außergewöhnliche Begabung im Umgang mit Schusswaffen blieb daher völlig ungenutzt an diesem viel zu friedvollen Ort. Dabei machte mich dieses einzigartige Talent – ohne Übertreibung – zu dem wohl besten Schützen in ganz Avaritia. Entdeckt hatte ich diese Fähigkeit erst nach meinem Eintritt in die Army, da ich nie zuvor eine Waffe in den Händen gehalten hatte. Sie ermöglichte es mir, egal mit welcher Schusswaffe, immer mein Ziel zu treffen, egal ob ich nüchtern war oder volltrunken und egal unter welchen Umständen. Mühe musste ich mir dabei keine geben, konzentrieren musste ich mich auch nicht und geübt hatte ich es erst recht noch nie. Ich musste einfach nur daran denken, etwas oder jemanden zu treffen. Fast zeitgleich mit dem Beenden dieses Gedankens war es dann auch schon passiert. All dies geschah automatisch, ohne mein Zutun und oft schon hatte ich hinterher verwundert auf meine Waffe geblickt, ohne mich daran erinnern zu können, wie ich sie gezogen und abgefeuert hatte.

      Im Krieg war mir dieses Talent natürlich sehr gelegen gekommen und es hatte mir viel Anerkennung und Bewunderung eingebracht. Aufgrund meines ausgeprägten Problems mit Autoritäten – wahrscheinlich bedingt durch das Fehlen einer Vaterfigur während meiner Kindheit...Bla Bla Bla – und meinem Unvermögen, auch mal die große Klappe zu halten, hatte ich es in der militärischen Hierarchie dennoch nicht sehr weit gebracht. Als mittelloser Ex-Private war ich bei Kriegsende nach Copperhole zurückgekehrt, mit wenig Glanz und ganz ohne Gloria.

      Meine finanzielle Situation konnte man deshalb getrost als katastrophal bezeichnen, zumal ich die paar Dollars, welche ich mir borgte, erschnorrte oder mit irgendwelchen Handlangerjobs erarbeitete, umgehend wieder in die lokale Wirtschaft oder besser gesagt den örtlichen Saloon investierte.

      »So kann es mit dir nicht weitergehen«, bemerkte McHardy, so als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich glaubte sogar, eine gewisse Besorgnis aus seiner Stimme heraushören zu können. »Du brauchst endlich einen vernünftigen Job. Warum arbeitest du nicht in den Minen, so wie die meisten anderen Zwerge auch?«

      Eigentlich verspürte ich überhaupt keine Lust, solch eine Diskussion zu führen. Ich war voll und ganz damit beschäftigt, Elsas Tanzwut zu zügeln.

      Dennoch antwortete ich wahrheitsgemäß. »Die Stollen sind viel zu niedrig für mich. Außerdem habe ich keinen Schimmer vom Bergbau. Schnell ziehen und immer treffen – das ist es, was ich kann.«

      Der Sheriff nickte. »Und das kannst du verdammt gut. Wahrscheinlich bist du der beste Schütze, den ich je gesehen habe, doch hier wirst du damit keinen lausigen Cent verdienen. In den größeren Städten im Osten oder Süden könntest du dir mit deinen Fähigkeiten echt einen Namen als Revolverheld machen, so wie Basilisk Bill oder Doc Gargoyle. Hast du schon mal darüber nachgedacht, von hier fortzugehen?«

      Natürlich hatte ich das. Fast jeden Tag war mir dieser Gedanke mindestens fünf Mal durch den Kopf geschossen wie eine Gewehrkugel, während ich meine Zeit mit Saufen und Herumlungern verschwendet hatte. Doch zum einen fühlte ich mich in diesem Kaff trotz allem recht wohl, zum anderen hatten mir der Müßiggang und der regelmäßige Alkoholkonsum einen Großteil meiner Abenteuerlust und Entscheidungsfreudigkeit geraubt. Ich hatte ja noch nicht einmal ein Pferd und ohne die entsprechende Barschaft in die Welt hinauszuziehen, erschien mir ebenfalls nur wenig verlockend.

      Ombringer hingegen war von dieser Idee natürlich sehr angetan. »Es wäre das Beste, was dieser Stadt passieren könnte, wenn sich dieser Penner endlich verpissen würde. Zu den verkommenen Menschen im Osten würde dieses lange Elend auch hervorragend passen.«

      Ich lächelte ihn an. »Dabei würde ich dich doch so sehr vermissen! Vielleicht ist es sogar dein dämliches, debiles Grinsen, was mich hier hält.«

      An dieser Stelle mussten wir unser freundschaftliches Gespräch leider beenden, da wir unser Ziel erreicht hatten, was mir wohl einen weiteren Hieb mit dem Gewehrkolben oder eine andere Aufmerksamkeit des Deputys ersparte.

      Das Büro des Sheriffs war eines der wenigen Gebäude in Copperhole, dessen Wände aus massiven Backsteinen bestand. Angesichts der Tatsache, dass sich in ihm auch Arrestzellen befanden, war das auch durchaus sinnvoll. Ansonsten war der Flachbau völlig schmucklos, mal abgesehen von dem uralten Holzschild über der Tür, auf dem in verblichenen Buchstaben Sheriffs Office geschrieben stand.

      »Du kennst dich ja hier aus«, bemerkte McHardy, als wir seine Amtsstube betraten. Deren Einrichtung bestand lediglich aus zwei Schreibtischen mit Stühlen, ein paar Regalen und einem üppig gefüllten Waffenschrank. »Also geh schon mal vor, ich schließe gleich hinter dir ab.«

      Er entledigte sich seines Hutes und suchte in der Schublade seines Schreibtisches nach den Zellenschlüsseln. Ombringer parkte seinen dicken Hintern indes mit einem zufriedenen Seufzer auf seinem Stuhl.

      Ich schlenderte derweil quer durch das Büro in den hinteren Teil des Gebäudes, betrat die mir sehr vertraute Zelle und ließ mich auf die ebenso vertraute Pritsche darin fallen. Wie angekündigt folgte mir McHardy kurz darauf und schloss die Zellentür hinter mir ab.

      »Wie lange?«, wollte ich wissen und irgendwie ahnte ich schon, dass mir die Antwort darauf nicht gefallen würde.

      »Lange genug um deine Sucht nach Fusel vollständig zu kurieren«, lautete dann auch die erschreckende Prognose des Sheriffs. »Der Friedensrichter kommt in drei Wochen und wird dann entscheiden, was mit dir passieren soll. So lange bist du auf jeden Fall unser Gast.«

      Bei dem Gedanken daran, mindestens drei Wochen auf dem Trockenen zu sitzen, befiel mich ein leichtes Gefühl der Panik. Auch die Aussicht auf regelmäßige, kostenlose Mahlzeiten konnte dieses Gefühl nicht schmälern. Zwar ließ Sheriff McHardy manchmal mit sich reden – ganz im Gegensatz zu seinem fiesen Deputy –, doch es würde einiges an Überzeugungskraft kosten, ihm den ein oder anderen Schluck Whisky abzuschwatzen.

      Trübe Aussichten also, mit denen ich mich auf die Pritsche niederlegte, um mir und Elsa die dringend benötigte Ruhe zu gönnen. Unter gleichmäßig abnehmendem Pochen in meinen Schläfen gelang es mir dennoch, langsam in den Schlaf zu gleiten.

      Dass die seltsame, super spannende und unbedingt lesenswerte Geschichte, welche ich hier erzählen möchte, bereits in weit entfernten Teilen des Landes ihren Anfang genommen hatte, davon ahnte ich natürlich nichts.

      Um jeglicher Klugscheißerei vorzubeugen sei erwähnt, dass ich mir von den meisten Geschehnissen, bei denen ich nicht zugegen war, bis ins kleinste Detail berichten ließ, um sie hier niederschreiben zu können. Den Rest habe ich mir irgendwie zusammengereimt – der geneigte Leser wird damit schon klarkommen.

      3

      Während ich in Copperhole schnarchend und verkatert auf einer harten Pritsche lag, lag weit im Osten ein Elf auf noch wesentlich härterem Felsgestein.

      Seit Stunden schon verharrte er bäuchlings liegend am Rand eines hoch gelegenen, ausladenden Felsvorsprunges. Von hier aus beobachtete er aufmerksam das Geschehen unter sich, welches in solch großer Entfernung stattfand, dass nur die