Gungo Large - Spiel mir das Lied vom Troll. Thomas Niggenaber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Niggenaber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754118160
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hin, welches er zu meiner Zufriedenheit ebenfalls füllte.

      »Vor einigen Tagen nun ...«, der Colonel hielt kurz inne, so als müsse er erst genügend Kraft sammeln, um weitersprechen zu können, »hat dieser Bastard es gewagt, meine Wache niederzuschlagen und in mein Haus einzudringen. Dann hat er Gundel aus ihrem Zimmer befreit und beide sind auf einem verdammten Greifen davongeflogen. Dieser unverschämte, dreckige Bestienreiter entführt meine Stieftochter von meinem Grund und Boden. Ich habe schon Leute für weitaus weniger hängen lassen!«

      »Ihre Stieftochter ist also mit einem Elfen durchgebrannt«, stellte ich fest.

      War mir Don Athuro trotz seines protzigen Gehabes anfangs noch ganz sympathisch gewesen, so fing er langsam an, mir auf den Zeiger zu gehen. »Und wieso erzählen Sie mir dann erst diesen ganzen rassistischen Scheiß über verhängnisvolle Verbindungen? Daran glauben Sie doch selber nicht! In der Army waren Sie bekannt als der erbarmungsloseste, brutalste und fanatischste Elfenjäger überhaupt. Von wegen Vereinigung verschiedener Gattungen ...bla, bla, bla. Sagen Sie es doch ganz einfach, wie es ist: Sie hassen Elfen und wollen deshalb nicht, dass Ihre Stieftochter sich mit einem abgibt.«

      Colonel Don Athuro war es nicht gewohnt, dass man so mit ihm sprach. Meine nicht vorhandene Unterwürfigkeit erregte ganz offensichtlich seinen Unmut, was ich an seinen zusammengezogenen Augenbrauen erkennen konnte. Dennoch äußerte er sich nicht dementsprechend.

      »Ja, ich hasse sie«, gestand er stattdessen. Er rutschte in seinem Sessel nach vorn und beugte sich zu mir. »Aber tun Sie das nicht auch, Mister Large? Sie haben doch auch gegen diese Wilden im Krieg gekämpft.«

      »Nö«, entgegnete ich wahrheitsgemäß. »Ich habe gegen sie gekämpft, weil ich dafür bezahlt wurde - aus keinem anderen Grund. Dabei habe ich sie als mutige und ehrenhafte Kämpfer kennengelernt. Mutiger und ehrenhafter als so mancher Zwerg oder Mensch.«

      Meine Antwort missfiel dem Colonel natürlich. »Ach, ist mir doch egal, was Sie von den Elfen halten.« Er lehnte sich wieder zurück. »Ihre Aufgabe wäre es, meine Stieftochter zu finden und wieder zurückzubringen – falls es Ihnen Ihr übermäßig großer Respekt vor den Elfen nicht verbietet, diesen Job anzunehmen.«

      »Und wenn Ihre Stieftochter das nicht möchte?«, lautete mein Einwand.

      Er zuckte mit den Schultern. »Fesseln, knebeln, betäuben – mir egal wie Sie es anstellen. Hauptsache, Sie bringen das kleine Luder zurück.«

      Mir lag eine bissige Bemerkung bezüglich seltsamer Vaterliebe auf der Zunge, doch ich spülte sie mit einem Schluck Whisky hinunter. Der über alle Maßen köstliche Geschmack stimmte mich milde. Deshalb stellte ich lediglich die alles entscheidende Frage: »Und was ist mit de' Kohlen?«

      Athuro grinste breit und jovial. »Ich hatte so an eintausend Mithril-Dollar gedacht. Was meinen Sie?«

      Ich ließ mir nichts anmerken und schaffte es nur mit Mühe, meine Kinnlade am Herunterklappen zu hindern. Eintausend Mithril-Dollar, so einen Haufen Geld hatte ich mein Lebtag noch nicht besessen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist es, dass Mithril-Dollar trotz ihres Nennwertes meist drei- bis viermal so hoch gehandelt wurden wie herkömmliche Dollar. Doch ich wusste: Wenn jemand bereit ist, viel für etwas zu bezahlen, dann ist er vielleicht auch dazu bereit, noch mehr dafür zu bezahlen.

      »Ich könnte ernsthafte Schwierigkeiten mit den Elfen bekommen«, gab ich zu bedenken.

      »Sagen wir tausendfünfhundert«, antwortete Athuro.

      »Eine junge Liebe zu entzweien, ich weiß ja nicht.«

      »Zweitausend!«

      »Ich bin Romantiker, wissen Sie?«

      »Zweitausendfünfhundert – das ist mein letztes Wort!«

      Ich lächelte zufrieden und wollte dem Colonel gerade meine Zustimmung aussprechen, als ein lautes Rufen aus der Eingangshalle zu uns drang.

      »Don?!« Die Stimme war schrill und durchdringend wie das Schreien einer Möwe, der man den Hals umdreht. »Don, wo steckst du schon wieder?«

      Athuro sprang sofort auf. »Hier bin ich, im Arbeitszimmer, mein Engel!«

      Kurz darauf betrat dieser Engel das Arbeitszimmer. Ich fragte mich spontan, ob der Colonel diese Zwergin wohl verscheißern wollte, wenn er sie so nannte, denn sie war einfach nur hässlich – enorm hässlich.

      Rübennase war das erste Wort, das mir einfiel, als ich das Ding in ihrem faltigen Gesicht erblickte. Das Wort Nase war für dieses überlange Gerät einfach viel zu kurz. Hätte man diese Zwergenfrau bei den Beinen gepackt und sie mit dem Gesicht nach unten über einen Acker geschoben, man hätte eine Furche erhalten, in der man bequem Kartoffeln hätte aussäen können.

      Doch auch der Rest ihrer Erscheinung – von ihrem augenscheinlich teuren Kleid einmal abgesehen – war alles andere als anmutig. Ihre dünnen, weißen Haare klebten wie Spinnweben an ihrem Schädel, ihre blasse Haut wirkte wie zerknittertes, dünnes Pergament und ihr lippenloser Mund sah aus, als wäre er mit einem Messer in ihr verhärmtes Gesicht geschnitten worden. Darüber hinaus war mir alles an dieser Zwergin zuwider, unabhängig von ihrer äußeren Erscheinung. Allein ihre Anwesenheit verursachte ein seltsames Unwohlsein in mir.

      »Ha...hallo Liebling«, stammelte der Colonel.

      Ich durfte miterleben, wie ein selbstbewusster, stolzer Zwerg in wenigen Sekunden zu einem erbärmlichen Waschlappen mutierte.

      Sie erwiderte seinen Gruß nicht, sondern baute sich vor mir auf. »Wer ist das?«

      »Das ist Mister Large, Liebling.« Athuro sah mich an. »Mister Large, das ist meine Frau Ginvera.«

      Bevor ich mich rühren konnte, fuhr mich die Rübennase an. »Hat man Ihnen nicht beigebracht, dass man aufsteht wenn eine Dame den Raum betritt, Mister Large?«

      Da ich nicht die geringste Lust verspürte, mehr Worte als unbedingt notwendig mit dieser Person zu wechseln und ich ein Wortgefecht mit ihr deshalb unbedingt vermeiden wollte, erhob ich mich unverzüglich. Sogar das Wort Entschuldigung kam über meine Lippen – ein Wort, von dem viele annehmen, dass es in meinem Wortschatz gar nicht existiert.

      Ginvera musterte mich mit ihren seltsam stechenden, giftgrünen Augen. Das Unwohlsein in mir wuchs zu einer irrationalen, nicht erklärbaren Furcht heran.

      »Ich beabsichtige, Mister Large zu engagieren, um nach Gundel zu suchen«, erklärte ihr Ehemann.

      Zu meiner großen Erleichterung wandte sie sich von mir ab und ihm zu. »Du hast dafür extra jemanden kommen lassen? Hast du zu viel Geld? Warum schickst du nicht ein paar deiner vielen Männer, die du ohnehin schon bezahlst?«

      Der Colonel fuhr aufgrund dieser Schelte ein wenig zusammen. Unverzüglich begann er, sich zu rechtfertigen. »Aber Engel, die sind doch für solche Aufgaben nicht geeignet. Die können Rinder hüten oder sie von A nach B treiben, das war es aber auch schon. Mister Large hingegen war in der Army, er hatte schon mit Elfen zu tun und kann sich zudem sehr gut zur Wehr setzen. Außerdem könnte man ihn aufgrund seiner Größe für einen Menschen halten, was im Umgang mit Elfen von Vorteil sein kann. Du weißt, dass Elfen normalerweise nichts so sehr hassen wie Zwerge.«

      Er trat neben mich und legte mir eine Hand auf die Schulter, so als würde er mich seiner Gattin zum Kauf anbieten. »Er ist wirklich außerordentlich gut für diese Aufgabe geeignet. Glaub mir, einen besseren Zwerg finden wir so schnell nicht wieder.«

      Seine Frau betrachtete mich erneut und sofort erwachte dieses unangenehme Gefühl wieder in mir.

      »Mach doch, was du willst«, sagte sie. »Es ist dein Geld. Hauptsache, du bringst mir Gundel zurück.«

      Don Athuro atmete erleichtert aus, so leise, dass nur ich es bemerken konnte. »Natürlich, mein Engel. Vertrau mir, ich sorge dafür, dass sie heimkommt. Du weißt, wie wichtig mir ihr Wohlergehen ist und dass mir kein Preis dafür zu hoch ist.«

      »Gut für dich«, bemerkte seine Gattin wie beiläufig. »Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass