Endstation Sehnsucht. Malcom Brady. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Malcom Brady
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742750518
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Mann starb uns sozusagen unter den Händen weg. Vielleicht an inneren Blutungen den er hatte keinerlei äußere Verletzungen. Jedenfalls konnten wir nichts mehr für ihn tun, als ihn in eine Decke einzuwickeln, und ohne großes Aufsehen zu erregen in Puerto Rico abzugeben. Dort war unser nächster Halt. Das groteske war nur eine Quittung, die mir ausgestellt wurde.

      „Eine Quittung?“ riefen Luis und Claudio fast gleichzeitig aus und machten so auf sich aufmerksam. Doch Efraim ließ sich nicht beirren.

      „Ja, es war tatsächlich eine Quittung. Über eine männliche Leiche, kaukasisch und unbeschädigt, können sie sich das vorstellen?“

      Melba hatte die Anwesenheit von Claudio und Luis kaum wahrgenommen. Zu sehr hing sie an den Lippen des Kapitäns. Dazu kam noch, dass sie sich während seiner Erzählung in ihn verliebt hatte. Anfangs noch hatte sie ihm einfach nur zugehört, etwa wie bei einer Vorlesung, aber bald schon war nicht mehr die Geschichte als vielmehr der Mann, der sie erzählte, in den Vordergrund gerückt.

      Sie hatte Efraim beobachtet, hatte seinen Gesichtsausdruck wahrgenommen, während er erzählte. Die Nuancen und die blauen, von Melancholie überschatteten Augen, sowie der schmalen, fast schon strenge Mund, hatten sie in ihren Bann gezogen. Auch seine Hände hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Sie hatte gesehen, wie sie mit feinen Bewegungen seinen Bericht begleiteten. Von da an war ihr klar geworden, dass sie ihn liebte, auch wenn er gut und gerne ihr Vater hätte sein können. Geduldig beantwortete er die Fragen der weiteren Passagiere und erzählte von seinem Leben, bis er es für angemessen hielt, ihre kleine Zusammenkunft zu beenden.

      Claudio und Luis bestellten sich noch einen letzten Absacker. Der durfte allerdings nicht zu lange dauern, denn man wollte ja am kommenden Morgen frühzeitig aufstehen. Der Kapitän ließ es sich nicht nehmen die etwas beschwipste Melba zu ihrer Kabine zu führen. An ihrer Tür kam es dann noch zu einem kurzen, aber folgenschweren Dialog:

      „Haben sie bitte Mitleid mit mir Herr Kapitän. Es ist etwas spät geworden und ich habe zu viel getrunken!“

      Sie stand gegen ihn gelehnt, mit dem Kopf an seiner Brust. Er hielt sie an den Schultern. Dann nahm er ihren Kopf in beide Hände und küsste sie sanft auf ihren Mund. „Gute Nacht Melba.“

      „Gute Nacht Efraim, ...äh Herr Kapitän.“

      „Ach ja, ehe ich es vergesse, wissen sie schon, wie es nach der Karibikreise mit ihnen weiter gehen soll?“

      Melba sah ihn an. Sie verstand nicht ganz. „Wie meinen Sie dass?“, fragte sie.

      „Zeit“, sagte er nur und wiederholte dann seine Frage: „Haben sie Zeit?“

      „Wann denn und wofür?“ fragte Melba etwas verwirrt.

      „Sagen wir Ende März?“

      Melba verstand immer noch nicht. „Und welchen Monat haben wir jetzt?“, wollte sie wissen. Efraim erklärte es ihr. Er sagte: „Jetzt haben wir Anfang Februar. Ende März fahre ich für einige Wochen nach Costa Rica. Hätten sie vielleicht Lust mich dort zu besuchen?“

      „C...Costa Rica? Das hört sich g...gut an, und Ende März, sagen sie?“

      „ Ja, Ende März!“

      „Ich dachte, sie müssten zurück nach Spanien?“

      „Ja, das stimmt auch, aber dort liefere ich nur das Schiff ab. Danach fliege ich nach Costa Rica.“

      „Also gut, i...ich auch“, stammelte Melba beschwipst.

      „Efraim hatte bemerkt, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Also öffnete er die Kabinentür und lies sie auf das Bett gleiten. Beim hinausgehen sagte er noch: „Also, dann Ende bis März, in Quepos, Costa Rica, in einem Zimmer mit Balkon und Blick direkt aufs Meer.“

      Er küsste sie ein zweites Mal, diesmal wesentlich länger und ging dann hinaus auf den Gang und zu den Aufzügen. Seine Kabine lag zwei Stockwerke höher.

      Dort lag er lange wach, konnte nicht einschlafen und musste nachdenken: Vom Timing her würde es wahrscheinlich noch klappen. Aber spielt auch mein Gesundheitszustand mit? Sie war genau der Typ Frau, die ihm gefiel. Eine junge Dame, grazil und dunkelhaarig aber mit reifem Kopf und ohne jegliches, alberne Getue. Ein wenig erinnerte sie ihn an seine frühere Geliebte aus dem Norden. Nur diesmal bleibt mir nicht mehr viel Zeit und vielleicht ist es sogar die letzte Frau, die ich besitzen möchte...

      Über dem weiten Horizont fing es schon leicht an zu dämmern, bevor ihn endlich die Müdigkeit einholte.

      Der nächste Tag war so, wie Tage nach einem ausgiebigen Feiern oftmals waren: Träge, bequem und langsam. Die Crew hatte Mühe, den Zeitplan einzuhalten. Bereits in aller Frühe hatten die kolumbianischen Behörden das Kreuzfahrtschiff freigegeben und wer wollte konnte nach dem Vorzeigen des Seepasses einfach von Bord gehen.

      Efraim hatte sich nach einer Tasse Kaffee wieder hingelegt. Mit der Menge an alkoholischen Getränken am gestrigen Abend, hatte er seinem Körper zu viel zugemutet. Diesmal hatte ihn das Leiden anfallartig überfallen. Daraufhin hatte er schnell nach seiner Beruhigungsspritze gegriffen und war danach sofort wieder eingeschlafen.

      Melba hatte zeitig in ihrer Kabine gefrühstückt. Allerdings nur das Notwendigste: Eine Scheibe Toast, Früchte und starken Kaffee. Ein Blick in den Spiegel über der Kirschbaumkommode zeigte ihr ein blasses, verschlafenes Gesicht.

      „Cartagena hin oder her“, dachte sie, aber dann hatte sie sich wieder in ihre Decke eingewickelt und war eingeschlafen.

      Weibsbilder, dachten Luis und Roger fast gleichzeitig in diesem Augenblick, während sie von der Reling hinunter auf die Skyline von Cartagena blickten. Können die denn niemals pünktlich sein?

      Das weiße Schiff lag in der Nähe der Playa Blanca vor Anker und eigentlich wollten die beiden Freunde schon längst durch die Altstadt gestreift sein, warteten aber noch geduldig auf Melba, die sich bisher noch nicht hatte blicken lassen.

      „Jetzt reicht es mir aber“ , sagte Claudio verärgert. „Wenn du meinst, ich lasse mir durch unsere Prinzessin den ganzen Tag verderben... Lass uns gehen, sie wird schon nachkommen, wenn es ihr passt.“

      Glücklicherweise verfügte der Hafen von Cartagena über ausreichend Anlegestellen für Kreuzfahrtschiffe. Im gegenteiligen Fall, hätte ihr Kreuzfahrtschiff weit außerhalb der Halbinsel vor Anker gehen müssen und dann wären die Landausflügler mit Hilfe von Bei,- und Rettungsbooten in einer Art Fährbetrieb von Bord des Kreuzfahrtschiffes an Land befördert worden. Dieser Aufwand blieb den über Tausend Passagieren an diesem Tag zum Glück erspart.

      Obwohl es noch früh am Morgen war, lag eine drückende, tropische Hitze über der kolumbianischen Hafenstadt, die noch viel aus jenen Zeiten in sich trug, als sie den Belagerungen der englischen Freibeuter standhalten musste. Ein Taxi brachte die beiden Freunde zum Castillo San Felipe. Sie hatten die ehemalige Festung als Ausgangspunkt für ihre Erkundigungstour auserkoren und schon bald nahm sie die unvergleichliche Atmosphäre des historischen Viertels vollends in Beschlag.

      Beeindruckt, schlenderten sie durch die Straßen von Cartagena, und das bei glühender Hitze. Mehr als einmal legten sie eine Pause ein und bestaunten die einmaligen, historischen Gebäude, tranken den wohlschmeckenden, kolumbianischen Kaffee und beobachteten die bildhübschen Mädchen, welche Melba in Wirklichkeit in nichts nachstanden. Zum Schluss besuchten sie eine folkloristische Tanzveranstaltung im Park Simon Bolivar, bevor sie an den Arkaden der Klöster und Herrenhäuser vorbei Richtung Hafen schlenderten. Die unbarmherzige Sonne forderte ihren Tribut. Die beiden Freunde waren platt wie eine Flunder, als sie zur Marilu zurückkehrten. Ein kurzer Blick zurück, und die atemberaubende Altstadt verabschiedete sich im Schein unzähliger romantischer Straßenlaternen. Sie konnten nicht begreifen, wie sich Melba diesen Anblick hatte entgehen lassen können.

      Ein