Malcom Brady
Endstation Sehnsucht
Ein Roman aus Kuba
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Inhaltsverzeichnis
PROLOG
Sein Auftritt war brilliant, wie immer. Die Besucher der Viking Lounge Bar an Bord des Kreuzfahrtschiffes Marilu spendeten lauten Beifall, bevor sie ihn zu später Stunde in seine Kabine entließen. Drinnen stellte Rubén den Koffer mit der alten Gibson Gitarre in eine Ecke, entledigte sich seiner verschwitzten Kleidung und goss sich Rum in ein Glas, das zusammen mit der Flasche auf einem kleinen Holztischchen stand. Wenige Zeit später setzte er sich auf seine Koje und trank die bernsteinfarbene Flüssigkeit. Danach genehmigte er sich einen Zweiten, bis er spürte, wie die Wirkung des Alkohols ihn benebelte. Mit glasigen Augen beäugte er die halbleere Flasche. Mit zittriger Hand griff er unter sein Kopfkissen. Hier hatte er etwas ganz besonderes versteckt: Seine geheimen biografischen Aufzeichnungen. Mit feuchten Augen schlug er das Notizbuch auf und las die verblassten Buchstaben jener Wörter, die er vor vielen Jahren auf einer alten Schreibmaschine geschrieben hatte. Langsam kam die Erinnerung zurück:
„Los Chicos, macht schnell. Ihr könnt nicht ewig in der Nähe des Hotels herumhängen. Die Alte an der Rezeption ist mal kurz für kleine Mädchen. Ich habe extra für euch das Fenster aufgelassen.“
Es ist der 05. September 1982 und ich bin im Begriff meinen beiden Freunden Valder und Nacho Zugang zum Hotel Camagüey zu verschaffen.
„Bist du dir auch ganz sicher, dass es klappen wird?“, fragt Valder ein wenig unsicher.“ Noch niemals zu vor, hat er auf unerlaubter Weise ein Gebäude betreten, dazu ist das Hotel Camaguey eine Klasse für sich und ausschließlich ausländischen Touristen vorbehalten. „Was wir hier zu suchen haben? Nun, ich selbst habe am Nachmittag bei einer Veranstaltung mit einer Folkloregruppe teilgenommen. Populare, kubanische Musik nennt sich das Ganze. Nicht, das es mir besonderen Spaß bereitet, vor irgendwelchen gelangweilten Touristen „Guantanamera“ zu spielen, aber immerhin bringen solche Veranstaltungen ein extra Trinkgeld. Außerdem geben sie mir die Möglichkeit, mich ganz legal an einem privilegierten Ort aufzuhalten.
„Die Instrumente stehen hinten im Saal. Passt bloß auf, das ihr nichts beschädigt.“
Vorsichtig schleichen wir in den Saal. Tatsächlich, die Instrumente befinden sich noch an jenem Platz, wo sie die Musiker am Nachmittag hatten stehen lassen. Ich schnalle mir die Gitarre um, Valder setzt sich hinter das Schlagzeug und Nacho greift zum Bass.
„Vaya, que bien se siente, wie gut sich das anfühlt. Gib mir mal ein A! Moment. Ja, Klasse. Warte, ich spiele dazu eine Melodie auf der Gitarre...„ Gesagt, getan. Ein Akkord folgt dem nächsten. Am Ende haben wir die Grundmelodie für unseren ersten Song zusammen. Seit Beginn der Musikhochschule, träumen wir davon, eine eigene, professionelle Rockband zu gründen. Sie würde gleichzeitig die erste in Kuba sein. Alles läuft wie am Schnürchen. Die kurze Probe mit den illegal ausgeliehenen Instrumenten kommt uns so umwerfend vor, dass wir beschließen, unseren Song aufzunehmen, und sei es auch nur für die Erinnerung. In jedem Fall ist uns klar, diese Aktion muss wiederholt werden. Eigentlich wollen wir nur Musik machen, aber dazu fehlen uns die Instrumente. Die kann man im Kuba der 80er Jahre nicht einfach in einem Laden kaufen. Es gibt kein Musikgeschäft in Kuba. Wenn überhaupt, dann werden die Instrumente vom Staat verifizierten Musikern zur Verfügung gestellt. Das nennen sie Medios Basicos – Volkseigentum.