Sonnenwarm und Regensanft - Band 1. Agnes M. Holdborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes M. Holdborg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847644712
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schaute Theresa ihn verwundert an, antwortete dann matt: »Oh, das ist nett. Aber ich bin viel zu müde zum Lesen. Sonst immer gerne.« Sie lächelte schwach.

      Er trat ein Stückchen näher an sie heran und erkannte Annas Augen, während er die zarte kleine Hand ergriff, die Annas ebenso ähnelte. Er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte:

      »Das ist aber schade. Dann schlafen Sie halt ein bisschen und ich komme später noch einmal vorbei. Vielleicht haben Sie ja dann einen kleinen Wunsch, den ich Ihnen erfüllen kann.«

      Viktor freute sich, dass Theresas Gesichtsfarbe einen gesünderen Ton annahm und sie langsam seine wohlige Wärme in sich aufsteigen fühlen konnte.

      »Ja«, hauchte sie und wirkte leicht verstört. »Ja, vielleicht später. Das ist sehr nett, Dennis. Danke.«

      Sie schloss die Augen und schlief augenblicklich ein. Wenn sie wieder aufwachte, würde sie sich nicht mehr an ihn erinnern, dafür hatte er gesorgt.

      Viktor verließ das Zimmer und zog die Brauen zusammen.

      »Das ist nicht gut«, dachte er bedrückt. »Mein bisschen Sonne wird sie nicht retten.«

      Sonne und Wolken

      »Was für eine wunderschöne Insel«, seufzte Viola und rekelte sich behaglich in einem winzigen dunkelgrünen Bikini auf ihrem bunten Strandtuch in der Sonne. Ihr kurzes rotes Haar stand frech in alle Richtungen ab und die grünen Augen waren hinter einer riesigen Designersonnenbrille mit sehr dunklen Gläsern und weißem Rand versteckt.

      »Mmh, find ich auch.«

      Annas Bikini war nicht so klein wie der von Viola, das traute sie sich nicht. Auch wenn er mit seinen Farben rosa und hellblau eigentlich nicht ganz ihrem Geschmack entsprach, stand er ihr trotzdem recht gut, meinte sie. Jens hatte sie deswegen jedenfalls nicht angemeckert.

      Sie legte sich träge auf den Rücken und schaute Viola blinzelnd an. Anna beneidete sie um die Modelfigur, befand Viola dann aber für viel zu nett, als dass sie sich über so etwas Gedanken machen sollte. Wieder blinzelte sie gegen die blendende Sonne.

      »Du solltest besser auch deine Sonnenbrille aufsetzen, Anna.«

      »Ach, weißt du, ich bin eigentlich froh, mal keine Brille auf der Nase zu haben. Da sehe ich nämlich vielleicht ein bisschen anders aus.«

      Viola verzog das Gesicht zu ihrem typischen strahlend warmen Lächeln, was Anna stets ein wenig seltsam vorkam und deshalb hin und wieder irritierte.

      »Anna, deine Brille steht dir echt gut, auch die Sonnenbrille. Los, setz sie auf. Das ist viel besser für deine Augen. Nun mach schon.«

      Sie sollte sich ernsthaft fragen, wo sich diese ganzen Brillenfetischisten früher allesamt versteckt gehalten hatten, überlegte Anna amüsiert. Dann stöhnte sie laut auf, so, als würde ihr größte Qual angetan, gehorchte aber und schob sich die Sonnenbrille mit demonstrativ angewiderter Miene auf die Nase.

      Viola gluckste: »Du bist echt ’ne Marke, Anna.« Sie wechselte zu einem Flüstern: »Vorsicht, da kommt Jens. Ich glaube, der führt was im Schilde.«

      ***

      Jens stieg aus den schäumenden Meeresfluten und überlegte, wie er Anna und Viola ein bisschen »erfrischen« könnte. Also fragte er kurzerhand einen kleinen Jungen, ob er sich mal eben dessen Eimerchen ausleihen dürfte. Während der Zeit beobachtete er die beiden Mädels und freute sich diebisch darüber, dass die zwei im Gespräch vertieft waren und ihm so gut wie keine Beachtung schenkten.

      Demzufolge war es ihm ein Leichtes, seinen nassen Plan ungehindert in die Tat umzusetzen.

      Die Fuhre Wasser verfehlte ihr Ziel nicht. Ganz im Gegenteil. Er hatte gleich alle beide erwischt. Und das wirklich gut!, lobte er sich stolz.

      »Igitt, Jens, du Vollidiot! Ich hatte mich gerade eingecremt!«, schrie Anna ihn an. Sie sprang auf und schüttelte sich wie ein nasser Hund das Wasser von der Haut.

      Viola aber lachte fröhlich. Auch sie hatte ja eine ordentliche Ladung Nass abbekommen, steckte jedoch Anna mit ihrem Gelächter schlussendlich an.

      Dieses Gelächter wiederum verwirrte Jens, besonders das seiner Schwester. Er hatte Anna in den vergangenen drei Tagen des Öfteren ärgern wollen, doch es gelang ihm einfach nicht. Immer fing sie letztlich an zu lachen und verleidete ihm damit den ganzen Spaß.

      Früher hätte sie bei jeder Kleinigkeit geflucht, geheult, wäre zornbebend weggerannt, hätte Türen zugeschmissen oder so etwas in der Art. Aber seit sie hier auf der Insel war, hatte sie recht oft gute Laune und ließ sich auf seine Ärgerspielchen kaum ein.

      Na ja, nicht immer war sie gut gelaunt, das merkte er ihr an. Manchmal, da schaute Anna sehr nachdenklich, gar trübsinnig drein. Sie war dann so bedrückt, dass er schon begann, sich Sorgen um sie zu machen. Man stelle sich vor: Er sich Sorgen um Anna machen!

      Violas Gegenwart jedoch stimmte seine Schwester offensichtlich heiter, so wie ihn selbst. Er vermisste Silvi und die Sorge um seine Mutter war auch allgegenwärtig. Dennoch schaffte es Viola stets aufs Neue, ihn abzulenken und zum Lachen zu bringen.

      Jens dachte darüber nach, als er sich abtrocknete, neu mit Sonnenmilch einrieb und daraufhin auf seinem Strandtuch ausstreckte. Ihm kam dabei die Anreise in den Sinn. Annas Blick auf der Fähre, ehe sie wutentbrannt auf das Autodeck gestürmt war:

      … Er war ihr hinterhergeschlendert. Allerdings in großem Abstand, damit sie ihn nicht bemerkte. Ihn hatte das schlechte Gewissen gepackt, weil er mit seinen Provokationen vielleicht doch ein bisschen zu weit gegangen war. Und das, obwohl ihn seine Mutter noch vor ein paar Tagen eindringlich ins Gebet genommen hatte.

      Jens rief sich ins Gedächtnis, wie er Anna auf dem Autodeck nachgegangen war, was er dabei gedacht hatte und wie ihm unterdessen Theresas Ermahnung eingefallen war:

      »Jens, sie ist fast siebzehn und kein kleines Kind mehr. Außerdem hat sie ein weiches Herz, das deine ständigen Sticheleien nicht verträgt. Du tust ihr andauernd weh. Hör auf damit. Schau sie dir lieber mal genauer an. Sie ist nämlich ausgesprochen hübsch geworden.«

      Ihm fiel wieder ein, wie er seine kleine Schwester ganz unerwartet mit anderen Augen gesehen hatte, so wie sie da vor ihm hergegangen war und sich dann an die Reling in die Sonne stellte:

      »Hübsch? Anna ist doch nun wirklich nicht hübsch«, murrte er in sich hinein.

      Aber dort auf dem Autodeck, da glänzte ihr wehendes langes Haar hell in der Sonne und sie bewegte sich irgendwie anmutig.

      »Okay, schöne Haare hatte sie ja schon immer, aber sie ist doch sonst eher ein Trampel, ein bisschen rund und linkisch. Hhm.«

      Doch nun wirkte sie überhaupt nicht rund, sondern eher zierlich, beinahe grazil.

      Überrascht beobachtete er, wie Anna ihre Brille mit einer modernen Sonnenbrille tauschte und sich ihr Gesicht von der Sonne bescheinen ließ.

      »Tja, hab sie mir wohl lange nicht mehr richtig angeguckt. Hässlich ist sie jedenfalls nicht. Selbst die große, attraktive Rothaarige da vorne sieht nicht besser als Anna aus.«

      Er schüttelte ungläubig den Kopf und staunte. »Das gibt’s doch gar nicht. Anna sieht tatsächlich gut aus. Zum Glück kann sie meine Gedanken nicht hören. Gott, wär das peinlich«, dachte er. »Trotzdem werde sie weiterhin ein klein wenig ärgern. Das macht einfach viel zu viel Spaß.« …

      Auch jetzt schüttelte Jens ungläubig den Kopf, als all diese Erinnerungen an seine Schwester in ihm aufstiegen. Dann tat er seine Grübeleien ab, streckte sich noch einmal gemütlich auf dem Badelaken aus und nickte ein.

      ***

      »Wir sind schon drei Tage hier«, meinte Jens, als sie mit den Leih-Fahrrädern am Haus ankamen, »und noch gar nicht ausgegangen.« Er grinste auf die ihm eigene Art. »Was denkt ihr, Mädels, sollen wir heute Abend von der Strandbar aus den Sonnenuntergang genießen