Sonnenwarm und Regensanft - Band 1. Agnes M. Holdborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes M. Holdborg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847644712
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siehst gut aus, Mama«, lobte er. Das stimmte. Jedenfalls etwas, fand Anna. »Sie haben dich hier offensichtlich anständig behandelt. Kommst du trotzdem bald nach Hause oder gefällt es dir hier so gut, dass du mit uns nichts mehr zu tun haben willst?«

      Beide schauten ihre Mutter erwartungsvoll an.

      »Mir geht es schon viel besser. Danke. Natürlich würde ich liebend gern für immer hierbleiben.« Sie schmunzelte. »Aber sie wollen mich am Montag wegen guter Führung entlassen. Tja, dann muss ich wohl zu euch zurück. So was Blödes aber auch.«

      Anna war erleichtert. »Das ist ja toll, Mama. Wir freuen uns ganz riesig, nicht wahr, Jens?«

      »Na klar, Schwesterherz.«

      Amüsiert beobachtete sie, wie Theresa bei dem Wort »Schwesterherz« erstaunt die Brauen hochzog. Mit einem weiteren erstaunten Stirnrunzeln verfolgte die Mutter aufmerksam, was ihre Kinder, beinahe ganz ohne Zankerei, vom Inselurlaub zu berichten hatten. Dass sie einfach ein fremdes Mädchen im Haus aufgenommen hatten, ließ sie zwar unkommentiert, aber ihr Gesichtsausdruck verriet Anna deutlich, dass ihr das nicht so recht behagte.

      ***

      Um Punkt sechzehn Uhr dreißig schloss Jens die Wohnungstür auf.

      »Da wären wir wieder.« Er sah Anna fragend an. »Tja, und was machen wir jetzt? Silvi kommt erst in einer Stunde her.«

      »Wie, was machen wir jetzt?«, wollte Anna wissen.

      »Ja, äh …«, stammelte er und wurde rot. »Ich hab mich wohl schon so daran gewöhnt, irgendwas mit dir gemeinsam zu unternehmen.« Jens räusperte sich verlegen. »Na ja, am besten leg ich mich noch ein bisschen hin. War schließlich ’ne verdammt lange Fahrt.«

      Anna lächelte. »Kannst du mir eben deine schmutzige Wäsche geben? Dann schmeiß ich noch schnell ’ne Maschine an, bevor ich gehe.«

      »Bevor du gehst? Wo willst du denn jetzt noch hin?« Jens sah Anna misstrauisch in die Augen.

      »Jens, bitte!« Sie funkelte ihn wütend an.

      Er hob die Arme, so, als wollte er sich ergeben. »Iss ja schon gut. Aber irgendwann musst du mir mal erzählen, wohin du immer verschwindest, Anna, ja?«

      »Träum weiter! Ich bin doch nicht blöd!«

      »Hhm, vielleicht irgendwann«, erwiderte sie.

      Sie sortierte die Wäsche, füllte eine Ladung durchs Bullauge ein, gab Waschmittel dazu und stellte die Maschine an. Dann eilte sie hinaus. Ohne ein Wort und ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen. Sie war schrecklich aufgeregt.

      »Meine Güte! Ich bin ganz hibbelig! Ich hätte noch mal aufs Klo gehen sollen!«

      Ihre Birke strahlte in dem geheimnisvollen, wunderbaren Sonnenlicht, so wie der junge Mann, der lässig daran gelehnt stand. Ihr Herz wurde bei seinem Anblick ganz warm und ihr ganz heiß.

      »Viktor!«, rief sie atemlos aus. »Viktor!« Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn so stürmisch, dass er schwankte.

      Der Kuss dauerte unendlich lange. Doch dann löste sich Viktor von ihr, schob sie etwas von sich und musterte sie mit glühenden Augen.

      Er zeigte seine unwiderstehlichen Grübchen. »Unglaublich, Anna, du bist in einer Woche noch schöner geworden und du hast Farbe gekriegt. Das steht dir ausgezeichnet.«

      »Du bist schön, Viktor. Ich bin … Ich weiß nicht, aber wohl kaum schön.«

      Nun fiel ihr ein, dass sie vor lauter Aufregung nicht einmal einen kurzen Blick in den Spiegel geworfen hatte, und befand deswegen, sicherlich eher das Gegenteil von schön zu sein.

      Viktor wirkte ein wenig verärgert über Annas Bemerkung. Seine Stimme war nicht mehr ganz so sanft.

      »Meine liebe Anna«, erklärte er in ernstem Ton, »würdest du bitte damit aufhören, so zu tun, als könnte ich schlecht sehen? Ich weiß, was ich sehe, hörst du? Du stehst schließlich direkt vor mir.«

      Mit milder Stimme fuhr er fort: »Und jetzt komm wieder her. Ich habe nämlich keine Lust, mich mit dir über Tatsachen zu streiten.« Er zog sie eng an sich, um sie leidenschaftlich zu küssen.

      Sie sanken auf ihr Moosbett und konnten nicht voneinander lassen.

      »Anna.« Viktor stöhnte leise.

      Sie nahm das Hämmern seines Herzens deutlich wahr. Es raste genauso wie das ihre.

      Heute würde sie ihm mit Sicherheit keine Fragen stellen. Was für Fragen auch? Annas Kopf war leer und trotzdem komplett angefüllt. Mit ihm! Sie konnte nicht denken. Sie konnte nur verlangen und geben und wollte immer mehr. Von beidem.

      Sie spürte, dass auch er außer Kontrolle geriet, weil sich nun auch sein Atem beschleunigte. Trunken von der Leidenschaft und dem süßen Verlangen, das Viktor in ihr auslöste, sah sie nur noch durch einen Schleier, wurde ebenso wild und ungestüm wie er. Sie wollte ihn. Jetzt! Sofort!

      Es war berauschend, seine Hände auf ihrer Haut zu spüren, seine Küsse zu schmecken und die Gänsehautschauer zu genießen, die er mit seiner Zärtlichkeit über ihren Rücken jagte.

      »Halbe Elfen machen keine halben Sachen!«

      Wie in einem Traum nahm sie wahr, dass er sie immer tiefer ins Moos drückte und ihr sein Duft, vermischt mit dem des Sommerwaldes, wie ein süßes, schweres, erregendes Parfum in die Nase stieg.

      »Hhm, Viktor und der Wald! – Der Wald?!«

      Der Schleier zerriss jäh, als ihr bewusst wurde, wo sie sich befanden, und sie endlich registrierte, was sie dort taten. Das war ihrer Meinung nach weder die richtige Zeit noch der richtige Ort.

      Nun sah sie wieder klar, beendete den süßen Kuss und lächelte ihn liebevoll an.

      »Viktor, nicht, bitte. Das geht nicht. Wir können nicht – nicht so, nicht hier«, flüsterte sie.

      Viktor schluckte schwer und atmete dann noch ein paarmal kräftig durch, bevor er überhaupt etwas hervorbrachte. »Tut mir leid.«

      »Mir auch. Glaub mir. Mir auch.«

      »Ich verliere total den Verstand, wenn ich mit dir zusammen bin. Dann geht alles mit mir durch. Du bist noch viel zu jung und du sollst mich nicht so sehen.« Er raufte sich die Haare. »Verflucht! Warum habe ich mich nicht im Griff?«

      »Stopp, stopp, stopp! Ich soll dich so nicht sehen? Was soll das denn?«

      Zornig richtete sie sich auf, ehe sie weitersprach: »Ich sehe nur dich, also absolut nichts Schlimmes! Und ich will noch viel mehr davon sehen! Und hörst du wohl endlich auf, mein Alter ins Spiel zu bringen? Ich bin eine Frau, kein kleines Kind! Ich will es, genau wie du, verstehst du? Ich will haargenau dasselbe, auch wenn es vielleicht ein bisschen schnell geht und wir uns erst so kurz kennen. Aber das ist mir egal! Klar soweit? Es ist halt nur … Ich bin tatsächlich zu jung.«

      Sie funkelte ihn an, als er ihr offenbar triumphierend zustimmen wollte.

      »Nein, guck nicht so«, sagte sie hastig. »Ich bin zu jung für Kinder, klaro? Ich will vorbereitet sein und keine Angst haben, schwanger zu werden. Das verkrampft mich. Ich will aber keinen Krampf.«

      Sie schaute ihn eindringlich an, stellte sich vor, wie helles Blau sich in dunkles bohrte. Noch nie hatte sie derart deutlich über sich und ihre Gefühle gesprochen. »Ich will dich, Viktor, und zwar mit Haut und Haaren.«

      »Tja, wenn das so ist, brauche ich mich wohl nicht zu entschuldigen.« Es gelang ihm ein kleines unschuldiges Lächeln. »Ich möchte dich aber nicht bedrängen, Anna. Das ist mir wichtig. Vielleicht sollten wir es ein bisschen langsamer angehen lassen.«

      »Wem von uns beiden sollte das denn wohl gelingen?«

      »Wem von uns beiden sollte das denn wohl gelingen?« Sie hatte einfach genau das gesagt, was sie gerade gedacht hatte und war deswegen ein wenig verlegen.

      Er lachte auf.