Sonnenwarm und Regensanft - Band 1. Agnes M. Holdborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes M. Holdborg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847644712
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was mit ihr. Sie ist supernett und hat schnell Spaß, glaub mir. Sie ist überhaupt gerne fröhlich. Du kannst das. Dir fällt schließlich immer irgendetwas Komisches ein.«

      Er legte den Kopf schräg und überlegte. »Allerdings sollten wir dich ein bisschen, hhm, sagen wir mal umstylen. Wir sehen uns einfach zu ähnlich. Anna ist nämlich auch sehr schlau und würde das bemerken.«

      Nun grinste er breit. »Rote Haare würden dir sicherlich gut stehen. Dazu grüne Kontaktlinsen. Die kriegt man hier überall in der Menschenwelt.«

      »Oh bitte, Viktor, das kann doch nicht dein Ernst sein.«

      Jetzt spielte er seinen letzten und besten Trumpf aus.

      »Ich liebe sie, und das ist mein Ernst. Ja, ich liebe sie. Deshalb muss ich einfach die Gewissheit haben, dass es ihr gut geht.«

      In Viktorias Augen lag so viel Mitgefühl, aber auch Schmerz. »Ach, mein Bruderherz, dich hat es so richtig erwischt, nicht wahr?«

      Er nickte. »Ja, das hat es«, murmelte er mehr zu sich selbst.

      Aber er wusste, diese Schlacht war geschlagen. Viktoria würde ihm helfen. Er strahlte seine Schwester an, trat zu ihr, umfasste ihre Taille und wirbelte sie ein paar Mal mühelos im Kreis herum. Sie lachten.

      »Danke, Schwesterchen.« Aufgeregt sprach er weiter: »Wir kaufen uns solche Smartphones. Die sind recht nützlich. Damit können wir sozusagen gefühllos miteinander sprechen. Das wird helfen.«

      »Ja, das ist eine gute Idee. So ein Aifohn wollte ich schon immer mal ausprobieren.«

      Viktor grinste wieder. Viktoria hatte so ihre Probleme mit der Technik der Menschen. Er hingegen fand diesen ganzen technischen Kram, wie sie ihn bezeichnete, durchaus spannend.

      »Aber, wenn was schiefgeht, ich …«

      »Wird es nicht, Schwesterchen, wird es sicher nicht.«

      Insel mal drei

      Eigentlich war Anna immer wieder gern hier auf der Insel. Sie liebte den speziellen Geschmack der Luft, so süß und salzig. Und den Wind. Die See, egal ob rau oder sanft. Den fast weißen breiten Strand. Einfach herrlich.

      Die Dünen glänzten auf eine ganz eigene Art und Weise in der Sonne, weil sich das harte Gras im Wind wellenförmig bewegte und dadurch in ständig wechselnden Grünschattierungen schimmerte.

      Der helle Sand, dieses Grün und das intensive Blau der Nordsee ergaben ein derart faszinierendes Gesamtbild, das Anna regelmäßig ins Schwärmen versetzte.

      Es war zudem die Vielfalt dieser Insel, die sie so mochte. Zum Beispiel die zahlreichen Vogelarten. Nicht weit vom Ort entfernt lag ein Binnensee. Der schwappte fast über von Federvieh aller Arten. Schon oft war Anna dort gewesen, hatte sich mit ihrem Vater in den hölzernen Ausguck gehockt und stundenlang hinausgeschaut.

      Die Vögel an sich waren ihr dabei gar nicht so wichtig gewesen wie Johannes. Nein, sie liebte auch hier das Gesamtbild:

      Das schillernd tiefe Blau des Sees mit den funkelnden Sonnenlichtspuren darin und den sich kräuselnden Wellen bei leisem Wind. Die wogenden Schilfwälder rundherum.

      Streicheleinheiten für sämtliche Sinne. Balsam für die Seele. Und wie geschaffen zum Träumen.

      Selbstverständlich hatte Anna beinahe täglich ausgedehnte Strandspaziergänge unternommen, ob alleine oder mit der Familie. Schließlich war auch das die Gelegenheit, ihren fantastischen Schwärmereien freien Lauf zu lassen.

      Ab und an schaute ihr ein Seehund dabei zu, streckte den Kopf aus dem Wasser und glotzte sie aus großen schwarzen Knopfaugen neugierig an.

      Je nach Tide durchpflügten ein paar Fischkutter das Wasser nahe dem Strand und wurden unterdessen von einer quirligen Schar Möwen mit wildem Geschrei verfolgt.

      Immer wieder sah die Insel anders aus. Jeden Tag, Stunde um Stunde, je nach Licht und Wetterlage.

      Es war allezeit traumhaft schön. Auch bei dem nahegelegenen rot-weiß-gestreiften Leuchtturm, der nachts so beruhigend und regelmäßig wiederkehrend durchs Fenster schien.

      Und in dem hübschen kleinen Dorf, wo das Ferienhaus stand. In dem ursprünglichen und geheimnisvoll anmutenden Örtchen standen jahrhundertealte Häuschen aus rotem Backstein. Einige davon waren efeubewachsen, manche moosbesetzt und reetgedeckt.

      Anna besaß zwar nicht das Talent, die faszinierenden Bilder mit Farbe und Pinsel auf eine Leinwand zu bannen. Dafür hielt sie so manche Stimmung auf Handyfotos fest oder aber in ihrem Notizbuch. Außerdem spielte die Insel häufig eine große Rolle in ihren Träumen.

      Sie fühlte sich stets wohl, hier bei den Menschen, deren wohlklingende, melodische Sprache sie immer zu verstehen glaubte und doch daran verzweifelte. Ihre kläglichen Versuche, wie »bedankt«, »tot ziens« oder kurz »duii« oder ein kleinlautes »alstublief«, wurden mit einem dankbaren Lächeln belohnt und meist mit einem recht guten Deutsch beantwortet. Jedenfalls klappte die Verständigung »ächt prrrima«.

      Während der vielen Sommer auf dieser Insel hatte Anna nie ein unfreundliches Wort gehört – außer von Jens! Und mit dem war sie nun hier!

      … Schon die Anreise war nach Annas Dafürhalten einfach schrecklich:

      Nur seine Musik durfte abgespielt werden. Immer musste alles nach seiner Nase gehen. Allerdings verschwieg sie ihm und der ganzen Welt, dass sie seine Musik eigentlich ziemlich cool fand.

      Und dann seine ständigen Befehle: »Anna, gib mir mal die Sonnenbrille!«; »Anna, gib mir was zu Trinken!«; »Anna, haben wir noch Sandwiches?« – Anna, Anna, Anna!

      Jens war zwar der Fahrer, okay. Trotzdem, er könnte ja auch mal nett fragen und eben nicht so »Jens-mäßig«, oder?

      Andauernd nörgelte er an ihr herum:

      »Ich hoffe, du hast dir einen gescheiten Bikini gekauft, damit man sich hier mit dir blicken lassen kann. Schwimmanzüge sind nämlich für die Olympiade gedacht und nicht für den Strand.« …

      »Hast du dir ein gescheites Sonnennasenfahrrad angeschafft? Sonst siehst du wieder aus, wie ein Kleinkind mit Mamis Brille.« …

      »Du hättest dir wenigstens die Haare ein bisschen schneiden lassen können.« …

      Blablabla! Allmählich bedauerte sie es von ganzem Herzen, ihrer Mutter versprochen zu haben, ihn nicht zu zerfleischen.

      Auf der Fähre änderte er seine Taktik.

      Sie saßen unter Deck im großen Aufenthaltsraum an einem Tisch, da fing er an, sie auszufragen:

      »Lena sagt, du strolchst viel alleine rum. Was machst du dann? Wo gehst du hin? Du weißt schon, dass du noch ein bisschen zu jung zum Rumhängen bist, Anna?« …

      »Hast du dir endlich überlegt, wie es nach der Schule weitergehen soll?« …

      Anna versuchte es mit Aussitzen. Sie verweigerte ihm schlicht die Aussage und starrte stattdessen stur zum Fenster aufs Meer hinaus.

      Doch dann folgte aus heiterem Himmel seine Schlussattacke:

      »Schminkst du dich eigentlich auch mal? Nicht, dass mich das überhaupt interessieren würde, aber es könnte vielleicht von Vorteil sein und von der Brille ablenken.«

      »Das reicht! Ich muss hier raus, bevor ich ihn abmurkse!«

      Wortlos sprang sie auf, ohne ihre Chocomel angerührt zu haben, und stürmte zurück aufs Autodeck. Sie schlängelte sich zwischen den Wagen hindurch bis zum Bug der Fähre, lehnte sich an die Reling und ließ sich den Wind um die Nase, besonders um ihre Tränen wehen.

      Anna hatte ernsthaft überlegt, zu Fuß an Land zu gehen. Das war ihr dann doch zu blöd. Als die Fähre anlegte, kehrte sie gemächlich zum Auto zurück und stieg stillschweigend ein. Jens wartete schon auf sie, doch sie bedachte ihn einzig mit eisiger