Der Dieb ohne Herz. Ney Sceatcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ney Sceatcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959914192
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setzte sich auf den mit Moos bedeckten Waldboden und ich tat es ihr nach.

      »Es war einmal, so erzählte man sich, ein König. Der König war ein freundlicher Mann mit dem Herz am richtigen Fleck, aber was ihm fehlte, das war die große Liebe. Denn egal was er tat, die Liebe blieb ihm verwehrt. Er hatte oft versucht, eine Frau zu finden, aber eigenartigerweise geschahen immer merkwürdige Dinge, sobald er die passende gefunden hatte. Seine erste Frau, die verliebte sich auf einmal urplötzlich in einen anderen. Die zweite Frau, die bekam einen fiesen Hautausschlag, sobald sie bei ihm war. Die letzte Frau, die sich in seine Nähe wagte, fiel in einen tiefen Brunnenschacht, und das genau zu dem Zeitpunkt, als der König ihr den Verlobungsring anstecken wollte.

      Er konnte nichts dagegen unternehmen, die Liebe war gegen ihn. Wie schon zuvor erwähnt, war der Mann mit blauem Blut ein herzens­guter Mensch. Er bot den Armen einen Unterschlupf, senkte die Steuern wann immer es ging und behandelte alle gleich, egal ob Bauer oder Berater.

      Da gab es auch eine Köchin, die war schon etwas älter. Ihre Haare waren durchzogen mit grauen Strähnen und ihr Gesicht ganz faltig. Sie war langsam, was die Arbeit anging, und ihre Braten waren nicht die besten, aber der König ließ sie machen und bedankte sich immer bei ihr für die Mahlzeiten.«

      »Du hast das Wichtigste vergessen«, kam es von Lev. Auf einmal war er auch interessiert und lauschte gespannt der Erzählung.

      »Lass mich die Geschichte erst einmal beenden.« Rabea fischte sich ein weiteres Blatt aus dem Haar und warf es in die Richtung des grimmigen Herrn. Natürlich flog das Blatt nicht weit, aber es entlockte ihm wenigstens ein schiefes Lächeln. »Der König besaß auch noch einen jüngeren Bruder. Dieser war im Gegensatz zu ihm durch und durch böse und dunkle Schatten trübten seine Augen. Er war zornig, voller Hass, wie gern hätte er auch den Thron für sich gehabt.« Rabea machte eine Pause, um sich zu räuspern.

      »Wie geht es weiter?«, fragte ich sogleich.

      »Nicht so stürmisch, zurück zu der alten Köchin. Die Frau wollte dem König helfen und so lief sie jeden Abend hinaus in den prächtigen Garten des Schlosses. Dort bat sie das Wetter um Hilfe, denn sie wünschte dem König nichts sehnlicher als die passende Königin. Die Tage vergingen und irgendwann, da erhörte das Wetter ihre Bitten. Der Wind formte wellendes, langes Haar, die Wolken den passenden Körper und die Sonne, die erschuf ein strahlendes Lächeln. Wach geworden von dem tosenden Lärm, rannte der König sogleich in den Garten. Er entdeckte die junge Frau und so geschah es, die beiden verliebten sich ineinander. Trotzdem plagten den König Zweifel und er befürchtete andauernd, dass wieder etwas geschehen würde. Darum heirateten die beiden erst nach einigen Jahren. Sie waren glücklich und schon bald gebar die Königin einen hübschen Sohn.«

      »Das hat sicherlich den Bruder verärgert«, sprach ich.

      Rabea nickte. »Genau, der jüngere Bruder erfuhr von dem Glück und nun zerbrachen all seine Hoffnungen endgültig. Getrieben von seinem Hass, ließ er sich einen teuflischen Plan einfallen. Eines Nachts, als bereits alle schliefen, da vergiftete er die Königin und raubte das Kind. Die Wachen, die von den Schreien des Säuglings alarmiert wurden, weckten den König. Dieser schnappte sich das schnellste Pferd aus seinem Stall und ritt dem Übeltäter hinterher. Der Bruder floh mit dem Kind in seinen Armen in den Wald. Doch die Gerechtigkeit siegt bekanntlich immer und schon bald holte der Ältere den Jüngeren ein. Er entriss ihm das Kind und bat das Wetter erneut um Hilfe. Das Wetter gewährte ihm einen letzten Gefallen und erschuf Mauern aus Dornen, mithilfe des Waldes. Die Dornen drängten den Bruder immer weiter zurück. Diese Mauern würden erst weichen, wenn der König ihm verzieh oder wenn er seine Taten bereute. So konnte der Bruder das Königreich für lange Zeit nicht mehr betreten. Und der König, der schenkte all seine Liebe und Hingabe seinem Sohn, der später das Königreich übernahm.« Rabea streckte sich und erhob sich von dem Boden. »Das war das Märchen der verwunschenen Hecke.«

      »Dann wissen wir ja jetzt auch, was wir machen müssen, damit die Hecke verschwindet!«, meinte ich. Ich stand auch wieder auf.

      »Lass mich raten, wir bitten den König um Verzeihung?«, riet Lev und bedachte mich dabei mit einem abschätzigen Blick.

      »Keine Ahnung, wo der König ist, aber nein. Wir müssen nur unsere Taten bereuen und dann geht die Hecke zurück.«

      »Ich soll mich also da hinstellen und sagen, was ich bereue?« Irritiert sah er zuerst zu mir und dann zu Rabea. Diese hatte nichts dagegen einzuwenden, was ihn wohl noch mehr aufbrachte. »Das hier ist keine Beichte!«

      »Wir versuchen es einfach einmal und sehen dann weiter«, erwiderte Rabea darauf und stellte sich vor die Hecke. »Ich bereue …« Sie hielt inne. Ihre Hände verkrampften sich und ihr ganzer Körper wirkte angespannt. »Ich bereue, dass …«, probierte sie es erneut, auch dieses Mal kamen ihr die Worte nicht über die Lippen.

      »Ich wäre immer noch dafür, dass wir es mit dem Schwert versuchen«, meinte Lev und näherte sich nun ebenfalls der Hecke.

      »Ich bereue, dass ich gelogen habe.« Es dauerte einen Moment, bis ich meine eigenen Worte erkannte. Ich hatte das gesagt.

      »Was?« Rabea wandte sich in meine Richtung.

      »Ich habe gelogen, ich besuche keine Verwandten in Malufra. Der Grund, warum ich nach Malufra möchte, ist der, dass ich eine Einladung von der Königin erhalten habe.« Ich schwieg und wartete auf die Reaktionen der beiden. Doch diese blieben aus. Rabeas Gesichtszüge wurden etwas sanfter, während Lev noch immer ein Desinteresse an den Tag legte, das beinahe schon beängstigend war.

      »Das wissen wir schon«, antwortete Rabea.

      »Was?«, fragte ich diesmal erstaunt.

      »Sagst du es ihr oder ich?« Rabea wandte sich wieder an Lev. Er zuckte nur mit den Schultern und tippte immer wieder auf sein Schwert.

      »Ich nehme einmal an, das heißt, ich soll erzählen«, murmelte sie und seufzte dann hörbar auf. »Wie viel weißt du über das Märchen vom Dieb?«

      »Dass er früher ein aufrichtiger und ehrlicher junger Mann war, bis irgendetwas Schreckliches passierte und er beschloss, sein Herz in einem Baumstamm zu verstecken.« Fröstelnd rieb ich mir über die Arme. Irgendetwas stimmt hier nicht, aber was es war, das konnte ich nicht genau sagen.

      »Was du nicht weißt, wir sind an diesen Pakt gebunden. Solange der Dieb sein Herz nicht hat, müssen wir mit ihm hier im Wald bleiben. Darum diese verschiedenen Farben und Symbole an den Zelten. Jeder von uns kommt von einem anderen Ort. Wir alle sind irgendwann einmal hier gelandet und dann kam der Pakt, der uns an den Wald kettete. Wenn wir versuchen den Wald zu verlassen, dann hält uns eine unsichtbare Barriere davon ab. Wie eine Art Mauer, die man nicht sieht und nicht bezwingen kann. Der Dieb versucht sein Herz zu finden. Ein Teil, das ihm dabei hilft, ist in ebendiesem See versteckt.« Sie hielt inne.

      Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Aber Tarek war in Rondama.«

      »Jeder von uns kann ein einziges Mal den Wald verlassen und er, er wollte das Meer betrachten.« Sie schnaubte. »Wir wussten, dass du kommen würdest. Im Wald gibt es Hexen, die sehen die Zukunft. Sie haben uns gesagt, dass ein gewöhnliches Mädchen dem Dieb helfen wird.«

      »Darum habt ihr mir also geholfen?« Nun war ich wirklich fassungslos. Es war also alles gar kein Zufall gewesen. Lev und Rabea waren nicht ohne Grund damals in meiner Nähe durch den Wald gestreift, und Rabea hatte mir geholfen, damit ich ihnen jetzt helfen würde.

      »Wir hätten dich nicht einfach im Wald gelassen. Zumindest ich hätte dir bestimmt geholfen.« Rabea warf einen Seitenblick zu Lev, der nur hoch in den Himmel starrte und die Baumkronen zu beobachten schien.

      »Ihr bringt mich nach Malufra zur Königin, wenn ich euch mit der Passage beim See helfe?«, fragte ich zögerlich.

      »Ich verstehe, wenn du uns nicht mehr helfen willst. Wir aber helfen dir auch so.« Sie schluckte und blickte betreten zu Boden.

      »Da ist noch etwas. Tarek hat gesagt, ihr seid Jäger von Geheimnissen und Geschichten, was hat es damit auf sich?« Diese Frage geisterte