2.3.1.1.6 Lernumgebung
Eine besonders wichtige Leitlinie dieses Standards wird wie folgt definiert:
»Die Bedürfnisse einer heterogenen Studierendenschaft (u.a. ältere, ausländische, berufstätige oder in Teilzeit Studierende sowie Studierende mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen) und die Ausrichtung auf studierendenzentriertes Lernen sowie flexible Lern- und Lehrmethoden werden bei der Zuteilung, Planung und Bereitstellung des Lernmittel- und Betreuungsangebots berücksichtigt« (HRK 2015:24).
Dies kann in Hinblick auf Qualitätssicherung so interpretiert werden, dass die Voraussetzungen der Studierenden bereits zu Beginn des Kurses in Erfahrung gebracht werden sollten, damit man diese als LehrendeR von Anfang an gezielt bei der Planung bzw. eventuell nötigen Adaption des Kurses berücksichtigen kann. Wer seine Gruppe kennt, kann einen für sie passenden Unterricht konzipieren.
2.3.1.1.7 Informationsmanagement
Zentraler Punkt dieses Standards ist, dass Universitäten relevante Daten erheben, analysieren und nutzen (vgl. HRK 2015:25). Evaluationsinstrumente können dabei eine wesentliche, vielleicht – wenn richtig konzipiert – die entscheidende Rolle spielen. Für mich ist an dieser Stelle zentral, dass relevante Daten erhoben und diese nach deren Analyse auch genutzt werden, um Optimierungen zu erzielen, oder wie in den Leitlinien formuliert, um »fundierte Entscheidungen treffen zu können und zu erkennen, was gut funktioniert und was verändert werden sollte (ibid.)«. Hierbei spielt natürlich auch der Erhebungszeitpunkt eine wesentliche Rolle, denn wenn die relevanten Daten zu spät erhoben werden, können sie für eine Optimierung nicht mehr genutzt werden.
Darüber hinaus wird bei diesem Punkt Wert auf die Verwendung »effektiver Verfahren (ibid.)« zur Informationsgenerierung gelegt, was mitunter bedeutet, dass nicht nur möglichst viele für die Qualitätsoptimierung relevante Informationen gefördert werden, sondern auch in einer Weise, die möglichst wenig Ressourcen benötigt.
Daten, die unter anderen als relevant angesehen werden können, sind laut ESG (siehe HRK 2015:25):
»Leistungsindikatoren (KPI);
das Profil der Studierendenschaft;
Studienverläufe, Erfolgs- und Abbruchquoten;
die Zufriedenheit der Studierenden mit den Studiengängen;
die verfügbare Ausstattung und Betreuung;
Berufswege der Absolventinnen und Absolventen«.
Die Daten können laut ESG auf unterschiedliche Weise erhoben werden, jedoch spielt das Miteinbeziehen aller am Lehr- und Lernprozess Beteiligten eine wesentliche Rolle – nicht nur beim Generieren der Daten, sondern auch bei deren Auswertung und bei sämtlichen Folgeaktivitäten (vgl. ibid.).
2.3.1.1.8 Fortlaufende Beobachtung und Überprüfung der Studiengänge
Zentral bei diesem Standard ist (siehe HRK 2015:26), dass Universitäten ihre Studiengänge kontinuierlich beobachten und sie – unter Einbeziehung der Studierenden – regelmäßig überprüfen und überarbeiten, damit gewährleistet werden kann, dass »sie die gesteckten Ziele erreichen und die Bedürfnisse der Studierenden und der Gesellschaft erfüllen«. Dies führt zu einer »kontinuierlichen Verbesserung der Studiengänge«. Ein besonders wichtiger Aspekt, der hier angeführt wird, ist, dass »die Erwartungen und Bedürfnisse sowie die Zufriedenheit der Studierenden mit den Studiengängen« berücksichtigt werden.
2.3.1.2 Fazit
Vergleicht man die ursprünglichen ESG mit jenen aus dem Jahr 2015, kann festgestellt werden, dass sich diese inhaltlich kaum verändert haben, dass sie jedoch an manchen Stellen detaillierter und mit stärkerem Nachdruck formuliert wurden. In beiden Fällen können sie zweifellos einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsoptimierung liefern und sollten daher auch in Modellen zur Qualitätsverbesserung berücksichtigt werden.
Hinsichtlich ihres Umfangs wurden bei den ESG 2015 jene Veränderungen berücksichtigt, die im Europäischen Hochschulraum in den Jahren 2005 bis 2015 stattgefunden haben. Damit einhergehend und besonders wichtig im Hinblick auf die vorliegende Arbeit ist, dass in den ESG 2015 der studierendenfokussierte Lernansatz stärker als davor im Vordergrund steht. Darüber hinaus sollen flexible Bildungswege vermehrt berücksichtigt werden und Kompetenzen stärkere Anerkennung finden, die außerhalb formaler Bildung erworben werden. Zudem wird neben dem bisherigen Fokus auf Qualitätssicherung beim Lehren und Lernen ein Bezug zur Lernumgebung sowie zur Forschung und Innovation hergestellt (vgl. BFUG 2015).
Neben zahlreichen weiteren und eher kleineren Veränderungen sind folgende Grundsätze der ESG 20151 für Qualitätssicherung von immenser Wichtigkeit: die Forderung, dass Qualitätssicherung keine Formsache sein darf, sondern eine Qualitätskultur fördern soll und, dass Qualitätssicherung die Bedürfnisse und Erwartungen der Studierenden, der übrigen Interessengruppen und der Gesellschaft berücksichtigt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, dass Studierende zu den institutionellen Akteuren zählen und eine Verantwortung bei der Qualitätssicherung haben und diese auch wahrnehmen müssen, dass sie vielmehr noch, in den Qualitätssicherungsprozess aktiv miteinbezogen werden müssen. Eine weitere Schlüsselpassage ist die Forderung, dass Qualitätssicherung kontinuierlich und nicht punktuell erfolgen soll.
Sämtliche dieser Forderungen decken sich auch mit Ansätzen aus dem Qualitätsmanagement, der Evaluationsforschung und der Fremdsprachendidaktik, wie in den folgenden Kapiteln noch ausgeführt wird.
2.3.2 Methoden aus dem Qualitätsmanagement
In den vergangenen 15 Jahren wurden von der ENQA drei1 umfangreiche Erhebungen zum Thema qualitätssichernde Maßnahmen an europäischen Hochschulen durchgeführt. Die erste aus dem Jahr 2003 (siehe The Danish Evaluation Institute 2003) untersuchte die einzelnen Verfahren, die diesbezüglich an den Universitäten der 23 partizipierenden Länder zum Einsatz kamen und versuchte neben den Ebenen und dem Umfang auch Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede bei diesen Verfahren festzustellen. Die primären Ergebnisse dieser Befragung waren u.a., dass die unterschiedlichen Maßnahmen sowohl im Umfang als auch vom Typus seit den späten 1990er Jahren komplexer wurden, dass eine Zunahme von Qualitätssicherungsagenturen in Europa zu verzeichnen war und dass die Maßnahmen der einzelnen Länder im Wesentlichen auf den gleichen methodologischen Prinzipien aufbauen. Gleichzeitig wurde auch festgestellt, dass es mitunter nach wie vor erhebliche Unterschiede bei der Implementierung der einzelnen Methoden in den verschiedenen Ländern gab, wenngleich im Allgemeinen den Empfehlungen des Rates der Europäischen Union (Vier-Phasen-Modell) aus dem Jahr 1998 (siehe Amtsblatt L 270/59 vom 7.10.1998) Folge geleistet wird.
Die Untersuchung zeigte zudem, dass an den europäischen Hochschulen hauptsächlich vier – zumeist mehrstufige – Methoden der Qualitätssicherung eingesetzt werden. Diese sind – geordnet nach Häufigkeit des Einsatzes – in aufsteigender Reihenfolge: (1) Benchmarking, (2) Audit, (3) Akkreditierung und als wichtigstes Verfahren (4) Evaluation (siehe The Danish Evaluation Institute 2003:17ff). Da die ersten drei nicht direkte Bestandteile dieses Buches sind, werden sie nur in aller Kürze behandelt. Auf Evaluation soll jedoch in weiterer Folge – vor allem in Kapitel 3 – im Detail eingegangen werden.
2.3.2.1 Benchmarking
Im Qualitätsmanagement versteht man unter Benchmarking, wie Kamiske/Brauer (2008:10ff) ausführen, den »Prozess des Vergleichens und Messens der eigenen Produkte und Prozesse mit den besten Wettbewerbern oder mit den anerkannten Marktführern«. Dabei werden jene Unternehmen bzw. Organisationen, die einen zu untersuchenden Prozess, ein Produkt oder eine Dienstleistung hervorragend beherrschen, als sogenannte