2.3.1 Standards und Leitlinien (ESG)
Die ESG (Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum), die primär entwickelt wurden, um den Bedarf für ein gemeinsames Verständnis von Qualitätssicherung in Europa zu decken (vgl. The Danish Evaluation Institute 2009:6) bzw. einen gemeinsamen Referenzrahmen für Qualitätssicherung im europäischen Hochschulraum bereitzustellen (vgl. HRK 2015:10), bestehen sowohl in ihrer ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 2005 (Originalfassung in Englisch, siehe ENQA 2005 bzw. Übersetzung ins Deutsche, siehe Alphei/Michalk 2006) als auch in ihrer überarbeiteten Fassung aus dem Jahr 2015 (siehe ENQA 2015 bzw. HRK 2015) inhaltlich aus folgenden drei Teilen:
1 Standards und Leitlinien für interne Qualitätssicherung;
2 Standards und Leitlinien für externe Qualitätssicherung;
3 Standards und Leitlinien für externe Qualitätssicherungsagenturen.
Erstere richten sich dabei an die universitätsinternen Maßnahmen der Qualitätssicherung, zweitere befassen sich mit jenen, die von den Qualitätssicherungsagenturen durchgeführt werden. Diese sollen überprüfen, wie wirksam die einzelnen Institutionen die Standards für die interne Qualitätssicherung umsetzen. Letztere stellen sozusagen eine Meta-Qualitätssicherung der Agenturen dar, damit gewährleistet wird, dass diese nach denselben Richtlinien prüfen. »Diese drei Teile sind inhaltlich aufeinander bezogen und bilden zusammen die Basis eines europäischen Referenzrahmens für die Qualitätssicherung« (vgl. HRK 2015:15) und stellen daher auch einen wichtigen Bezugspunkt bei der Evaluation der Lehrqualität dar. Für den Kontext der KDE sind primär die Standards und Leitlinien der internen Qualitätssicherung wichtig, weswegen an dieser Stelle näher auf diese eingegangen wird.
2.3.1.1 ESG für interne Qualitätssicherung
Während die ESG 2005 generell allgemeiner und vielfach auch freier formuliert wurden, sind bei der Version aus dem Jahr 2015 für die interne Qualitätssicherung konkret folgende zehn Standards definiert (siehe: HRK 2015:41–43): (1) Strategie für die Qualitätssicherung, (2) Gestaltung und Genehmigung von Studiengängen, (3) Studierendenzentriertes Lernen, Lehren und Prüfen, (4) Zulassung, Studienverlauf, Anerkennung und Studienabschluss, (5) Lehrende, (6) Lernumgebung, (7) Informationsmanagement, (8) Öffentliche Informationen, (9) Fortlaufende Beobachtung und regelmäßige Überprüfung der Studiengänge und (10) Regelmäßige externe Qualitätssicherung.
Nach Analyse der einzelnen Punkte gestalten sich folgende acht Standards als besonders wichtig in Hinblick auf Qualitätsoptimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts durch Lehrveranstaltungsevaluation:
2.3.1.1.1 Strategie für die Qualitätssicherung
Das Qualitätssicherungssystem fördert eine kontinuierliche Verbesserung. Entscheidend ist somit, dass Qualitätsverbesserung im Unterricht nicht etwas Punktuelles ist, sondern ein Prozess, der kontinuierlich erfolgen soll. Zudem trägt dieses System »zur Bildung einer Qualitätskultur bei, in der alle internen InteressensvertreterInnen für die Qualität verantwortlich sind und auf allen Ebenen der Institution Verantwortung für die Qualitätssicherung übernehmen (HRK 2015:17)«. Dies schließt Lehrende und Studierende mit ein. Alle am Unterrichtsgeschehen haben daher nicht nur das Recht auf Qualität, sondern auch die Pflicht, sich aktiv an der Schaffung und Verbesserung von Qualität zu beteiligen und müssen ihre dementsprechenden Aufgaben wahrnehmen (vgl. ibid.).
2.3.1.1.2 Gestaltung und Genehmigung von Studiengängen
Den Studierenden sollen nicht nur akademisches Wissen und Fähigkeiten vermittelt werden, sondern auch Schlüsselkompetenzen, »die die persönliche Entwicklung der Studierenden beeinflussen und für ihre spätere Berufslaufbahn nützlich sein können« (HRK 2015:19). Hierzu ist, wie im Kapitel zur Evaluation noch detailliert angeführt wird, auch die Selbstreflexionskompetenz zu zählen, da die Fähigkeit, über das eigene LernerInnenselbst zu reflektieren, als ein wesentlicher Aspekt der persönlichen Entwicklung von Studierenden anzusehen ist.
Des Weiteren wird gefordert, dass die Studiengänge und daher auch die einzelnen Kurse so zu gestalten sind, dass die gewünschten Lernziele klar definiert werden und sowohl die Studierenden aktiv an der Mitgestaltung beteiligt sind als auch andere externe Referenzpunkte genutzt werden.
2.3.1.1.3 Studierendenzentriertes Lernen, Lehren und Prüfen
Ein besonders wichtiger Punkt, der unter diesem Standard angeführt wird, betrifft die Durchführung der Studiengänge in der Form, dass die Studierenden ermutigt werden, »eine aktive Rolle in der Gestaltung des Lernprozesses zu übernehmen (HRK 2015:20)«. Somit wird ein verstärkter Wert auf studierendenzentriertes Lernen und Lehren gelegt, was, wie in den Leitlinien expliziert, »eine große Bedeutung für die Motivation, die Selbstreflexion und das Engagement der Studierenden während des Lernprozesses (ibid.)« hat. Als wichtige Punkte hierbei werden folgende genannt (HRK 2015:20):
»die Diversität der Studierenden und ihrer Bedürfnisse zu respektieren und ihnen durch flexible Lernwege Rechnung zu tragen;
wo es angebracht ist, unterschiedliche Vermittlungsweisen in Betracht zu ziehen und zu nutzen;
unterschiedliche pädagogische Methoden flexibel einzusetzen;
regelmäßige Evaluierungen und Anpassungen der Vermittlungsweisen und pädagogischen Methoden vorzusehen;
die Studierenden zu selbstständigem Lernen zu ermutigen und ihnen als Lehrer gleichzeitig angemessene Orientierung und Unterstützung zu bieten;
gegenseitigen Respekt in der Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden zu fördern;
ein angemessenes Verfahren für den Umgang mit studentischen Beschwerden bereitzustellen«.
Dieser Standard ist zentral in Hinblick auf Qualitätssicherung und darf daher in einem Evaluationsmodell, welches Daten zur Qualitätsoptimierung generieren soll, nicht fehlen. Wenn das Modell richtig konzipiert und eingesetzt wird und die Lehrenden die Rückmeldungen der Studierenden ernst nehmen und diese bei ihrer Unterrichtsgestaltung bzw. eventuell nötigen Adaption berücksichtigen, kann damit auch das Ausmaß an Beschwerden gering gehalten werden, denn Beschwerden kommen überwiegend dann zustande, wenn Probleme, auf die hingewiesen wurde, nicht gelöst werden bzw. die Studierenden überhaupt keine Möglichkeit haben, auf ein eventuell vorhandenes Suboptimum hinzuweisen. Das bedeutet auch, dass in einem qualitativ hochwertigen Unterrichtsgeschehen Probleme gezielt zu Tage gefördert und bearbeitet werden müssen.
2.3.1.1.4 Zulassung, Studienverlauf, Anerkennung und Abschluss
Ein wichtiger Aspekt dieses Standards ist, dass Hochschulen Verfahren und Instrumente benötigen, »die es ihnen ermöglichen, Informationen zu den Studienverläufen zu erfassen, zu beobachten und diesbezügliche Maßnahmen zu ergreifen (HRK 2015:22). Dies zielt bei Fremdsprachenkursen – die sich vielfach durch Heterogenität der KursteilnehmerInnen auszeichnen – u.a. auch darauf ab, die Vorkenntnisse der LernerInnen zu ermitteln. Welche Kurse haben sie bereits besucht? Wie schätzen sie ihre eigenen Kenntnisse ein? Welche Lehr- und Lernmethoden sind ihnen geläufig und für sie besonders geeignet? etc.
2.3.1.1.5 Lehrende
Dieser Standard ist – zusammen mit jenem der Studierendenzentriertheit – meiner Lehrerfahrung nach besonders wichtig, denn viele Evaluationsmodelle berücksichtigen die veränderte Rolle der Lehrenden kaum oder gar nicht bzw. wird viel zu häufig nach wie vor die Lehrperson als Wissensvermittlungsinstanz evaluiert und dem Lernen der Studierenden zu wenig Aufmerksamkeit