Komplexe Dynamische Evaluation (KDE): Ein Instrument zur Optimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts. Christoph Waldhaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Waldhaus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300410
Скачать книгу
das Internet in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer völlig neuen Marktsituation geführt. Die bequeme Bestellung von nahezu allen nur erdenklichen Produkten von zu Hause aus, deren schnelle und weltweite Verfügbarkeit bzw. (oftmals kostenlose) Lieferung und die von KundInnen und HerstellerInnen vielfach gleichermaßen in Kauf genommene Kurzlebigkeit diverser Produkte (e.g. Mobiltelefone, PCs, Betriebsprogramme etc.) zugunsten noch schnellerer und besserer Modelle bzw. Updates, hat viele kleine und mittelgroße Betriebe zum Vorteil von Großkonzernen vor scheinbar unlösbare Herausforderungen gestellt und in weiterer Folge oftmals zur Aufgabe ihrer Produktion getrieben.

      Auch bei den Universitäten sind ähnliche Veränderungen zu spüren. Sie müssen sich, wie Landfried (vgl. 1999:5) festhält, »zunehmend im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten« und »müssen sich auf internationalen Bildungsmärkten positionieren und ihre Leistungsfähigkeit mehr als bisher öffentlich darstellen«. Neben diesem verstärkten Wettbewerbsdruck wurden und werden vielfach auch die finanziellen Mittel auf nationaler und auch auf europäischer Ebene für die Forschung und Wissenschaft gekürzt, was in Folge nicht nur zu personellen Einsparungen führt(e), sondern auch Einschränkungen bzw. sogar das potentielle Ende gewisser Studienrichtungen oder Institute bedeuten kann. Eine Petition1 gegen die Kürzung der Forschungsmittel wurde etwa von der Initiative for Science in Europe (ise) im Oktober 2012 gestartet und aktuell (Stand 23.04.2017) von über 154500 Personen unterzeichnet.

      Mit der Kürzung der Forschungsmittel geht aber auch ein verstärkter Rechtfertigungsdruck der Hochschulen nach außen einher und es wird von der Öffentlichkeit zusehends mehr Transparenz und Rechenschaftslegung über die Verwendung knapper öffentlicher Mittel gefordert (vgl. Landfried 1999:5). Zudem sehen sich Universitäten vermehrt dazu gezwungen, darauf hinzuweisen, dass sie kontinuierlich darum bemüht sind, akademische Standards zu sichern und die Lehre zu verbessern, wie Dill (vgl. 2000:212) anführt.

      2.1.1 Bildung als Ware und Lehre als Dienstleistung

      In der Wirtschaft kann generell beobachtet werden, dass sich der Markt in den letzten Jahrzehnten sehr stark verändert hat und überwiegend von einem HerstellerInnenmarkt zu einem KundInnenmarkt geworden ist. Daraus resultieren vor allem für die KundInnen Vorteile, es gibt aber auch negative Begleiterscheinungen. Der Käufer/die Käuferin hat nun in der Regel nicht nur eine fast unüberblickbare Auswahl an weltweit hergestellten und beziehbaren Produkten und eventuell sogar Preisvergleiche, die von diversen Firmen (nicht selten gegen eine versteckte Gebühr) angeboten werden und dem Kunden/der Kundin das gewünschte Produkt beim günstigsten Anbieter/der günstigsten Anbieterin herausfiltern, sondern er/sie muss nun vielfach auch vermehrt auf das Kleingedruckte bei den angepriesenen Waren achten. Neben Betrügereien klagen immer mehr KäuferInnen über eine scheinbar sinkende Qualität bzw. Kurzlebigkeit vieler Produkte.

      Diese Veränderungen haben u.a. dazu geführt, dass sich mittlerweile zahlreiche Unternehmen der Tatsache bewusst sind, in einer Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung und des ständig zunehmenden Konkurrenzdrucks, bei scheinbar kontinuierlich sinkenden Preisen vieler Produkte nur mehr dann langfristig bestehen zu können, wenn sie die KundInnen durch die Qualität der von ihnen angebotenen Waren überzeugen. Während manche HerstellerInnen weiterhin auf den niedrigen Preis ihrer Produkte und Dienstleistungen bauen und dies oftmals nur durch verminderte Qualität bzw. durch das Produzieren der Ware in Billiglohnländern erreichen können, versuchen andere verstärkt auf die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit, Service und Qualität hinzuweisen.

      Das Kriterium Qualität hat somit nicht nur wieder an Bedeutung gewonnen, sondern muss auch vor einem anderen Hintergrund als bisher betrachtet werden. Laut Timischl (vgl. 2007:1) ist gegenwärtig sogar die Tendenz feststellbar, dass der Kunde/die Kundin eine Qualität auf einem ihm/ihr ansprechenden Niveau fordert und dass zukünftig hochentwickelte Technologien weniger entscheidend sein werden als die Einstellung eines Unternehmens, die Erwartungen der KundInnen erfüllen zu wollen. In einem derart kundInnenorientierten Ansatz (user-based-approach) ist Qualität folglich weitgehend davon abhängig, was der Kunde/die Kundin darunter versteht. Dieser Aspekt ist auch im Kontext des vorliegenden Ansatzes wesentlich, da durch diverse Umstrukturierungen an den Hochschulen – wie z.B. die Auslagerung von Fremdsprachenkursen an universitäre Sprachenzentren – der Sicherung und Verbesserung von Qualität eine ganz neue Wichtigkeit zugekommen ist.

      Zudem werden an vielen Universitäten bzw. Fachhochschulen Studierende verstärkt als KundInnen wahrgenommen, bzw. fühlen sie sich selbst als KundInnen, die für eine Ware Bildung bzw. eine Dienstleistung Lehre bezahlen und demgemäß gewisse Forderungen damit verbinden. Dass diese Sichtweise nicht nur bei vielen Lehrenden für Ablehnung sorgt und auch hinsichtlich der akademischen (Aus-)Bildung der Studierenden zu hinterfragen ist, muss an dieser Stelle nicht expliziert werden.

      Während mit dieser Wahrnehmung mancher Studierenden, KundInnen zu sein bzw. dem Umstand, dass viele von ihnen an den Universitäten für eine gewisse Leistung in Form von Studiengebühren bezahlen müssen, oftmals von ihrer Seite stärkere Forderungen nach Qualität bzw. Service einhergehen, ist gleichzeitig in vielen universitären Kursen auch ein von innen heraus entstehendes Bestreben zu beobachten, verstärkt teilnehmerInnenorientiert zu lehren. Dies steht mitunter vielleicht zum einen mit der Forderung der ENQA1 (vgl. 2012:6) in Zusammenhang, dass bei sämtlichen qualitätssichernden Maßnahmen im Bereich des Lehrens und Lernens an den europäischen Hochschulen die Studierenden im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen sollen, und zum anderen mit dem Paradigmenwechsel shift from teaching to learning, welcher das Lernen gegenüber dem Lehren explizit hervorhebt.

      Zweifelsfrei sind derartige Strömungen nicht neu, sondern finden ihre Ursprünge im deutschsprachigen Raum – vor allem auch in Zusammenhang mit Evaluation – bereits in der 68er-Bewegung und den Protesten an Hochschulen, die, wie Rindermann (vgl. 2009:31) anführt, die Reformen an deutschen Universitäten einleiteten. Was jedoch als Novum der letzten Jahre gesehen werden kann, ist, dass Evaluationsergebnisse mitunter online gestellt werden und dadurch verhältnismäßig leicht zugänglich sind. Demzufolge werden diverse Fragen, Probleme, Erwartungen bzw. Forderungen den einzelnen am Unterrichtsgeschehen Beteiligten aktuell vielleicht deutlicher als bisher vor Augen geführt. Qualität bzw. fehlende Qualität wird sichtbar (gemacht) und steht auf Lehrendenseite auch vielfach in direkter Verbindung mit Vertragsverlängerungen oder eben der Nichtverlängerung von Lehraufträgen. Evaluation, besser gesagt, deren Ergebnisse können dadurch nolens volens auch als Druckmittel fungieren.

      2.1.2 Normen, Zertifizierungen, Ratings

      Zu diesen bisher genannten Gründen für Veränderungen muss auch die Veröffentlichung zahlreicher Normen und Zertifizierungen gezählt werden, die seit den 1980er Jahren verstärkt zum Einsatz kommen und auch explizit das Thema Qualität zum Gegenstand haben.

      Allen voran seien hier die DIN-EN-ISO Normen 8402 und 9000–9004 genannt. In diesen Qualitätsmanagementnormen, die von internationalen ExpertInnen erarbeitet wurden und erstmals die KundInnen in den Mittelpunkt rücken, werden jene Kriterien beschrieben, die ein Unternehmen erfüllen muss, um einem bestimmten Standard bei der Umsetzung des Qualitätsmanagements zu entsprechen. Anders formuliert: Sie definieren auf eine allgemeine Weise jene Maßnahmen, die der Optimierung von Prozessen, Produkten oder Leistungen jeglicher Art dienen. Werden die betriebsinternen Abläufe und in weiterer Folge auch das hergestellte Produkt diesen bestimmten, festgelegten Qualitätskriterien gerecht, dann spricht man von einem ISO-zertifizierten Unternehmen und einem Qualitätsprodukt. Normen und Standards haben mittlerweile in fast allen Bereichen des täglichen Lebens Einzug gefunden. Alles scheint genormt zu sein, selbst der Begriff Qualität.

      2.1.3 QM-Begriffe im Hochschulkontext

      Auch Universitäten im deutschsprachigen Raum wurden von diesen oben angeführten Strömungen nicht verschont und diverse Begriffe und Termini, die ursprünglich der Wirtschaft bzw. dem Qualitätsmanagement zugeordnet waren, sind mittlerweile ebenfalls im Hochschulkontext längst salonfähig geworden und prägen ferner seit gut zwanzig Jahren verstärkt