Komplexe Dynamische Evaluation (KDE): Ein Instrument zur Optimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts. Christoph Waldhaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Waldhaus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300410
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des Zeitfaktors zu Fehlern kommen, die die (statistischen) Ergebnisse verfälschen. Drittens sind mittlerweile viele Online-Evaluationsprogramme vorhanden, die nicht nur gratis genutzt werden können, sondern die zudem die Ergebnisse auch mehr oder weniger automatisch und in digitaler Form generieren, sollten vermehrte Kosten als Argument gegen eine computergestützte Evaluation sprechen. Dadurch können Ergebnisse in Folge nicht nur schnell und platzsparend gespeichert, sondern auch leicht miteinander verglichen und weiter genutzt werden, was auch bei der Beantwortung zukünftiger Forschungsfragen nützlich sein könnte.

      Ein weiterer und für mich vielleicht der zentrale Punkt im Hinblick auf Lehrveranstaltungsevaluationen wird von Nowakowski et. al. (2012:255) angeführt, die zu dem Schluss kommen, dass »das Potential, das Lehrevaluationen für die Qualitätsentwicklung der Lehre bergen, bisher nicht wirklich verstanden und ausgeschöpft« wird. Dies ist zum einen darauf zurück zu führen, dass sie aktuell, wie oben bereits angeführt, primär als retrospektives Verfahren zur Analyse von Lehrveranstaltungen eingesetzt werden, wobei es sich bei dieser Art des Feedbacks um keinen dialogischen Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden handelt, sondern überwiegend um eine einseitige Darstellung von Sichtweisen, die ein weiteres Diskutieren der darin angegebenen Punkte üblicherweise nicht ermöglicht und somit eine Optimierung des Unterrichts nur begrenzt erlaubt. Zudem werden wesentliche Faktoren, die mit Evaluationen einhergehen können, kaum berücksichtigt, wie z.B. die Förderung der Reflexion bzw. Selbstreflexion auf beiden Seiten, wesentliche Vorgänge beim Sprachlehren und -lernen (siehe z.B. Anderson 2008) sowie die daraus möglicherweise resultierende Bildung, Bestätigung oder Veränderung des Selbstbildes der am Unterrichtsgeschehen Beteiligten. Dass dies für das erfolgreiche Sprachenlernen wesentlich ist, darauf wird in der Literatur vielfach hingewiesen (siehe z.B. Jerusalem 1993). Zudem kann Evaluation, die im Wesentlichen auch eine spezielle Art des Feedbacks ist, ebenso zur Optimierung der Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden beitragen. Alle diese essentiellen Punkte werden in den untersuchten Evaluationen zum Zeitpunkt der Analyse kaum bis nicht beachtet.

      Die hier angeführte Auflistung ist nur ein kurzer Ausschnitt und könnte noch weiter fortgesetzt werden, was jedoch nicht Intention dieses Buches ist. Vielmehr wird versucht, Lösungen aufzuzeigen, die zur Verbesserung der aktuell eingesetzten Evaluationsmethoden und Werkzeuge beitragen sollen bzw. überhaupt einen neuen Zugang zur Evaluation als wichtige Hilfestellung bei der Qualitätsoptimierung aufzuzeigen.

      1.4 Zielsetzung des vorliegenden Buches

      Da die einzelnen Themenbereiche des vorliegenden Buches (Evaluation, Qualität und universitärer Fremdsprachenunterricht) per se bereits sehr umfangreich sind, ist es notwendig, bei der Zielsetzung eine klare Ab- und Eingrenzung vorzunehmen, damit die realistische Umsetzung einiger ausgewählter Teile des gesamten Vorhabens ermöglicht werden kann. In diesem ersten Band werden daher im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt:

      Erstens, der Leser/die Leserin soll einen differenzierten (für ihn/sie vielleicht neuen) Zugang zum Thema Lehrveranstaltungsevaluation bekommen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Fremdsprachenlehrende und versteht sich daher als Einführung in die einzelnen damit in Verbindung stehenden Themenbereiche. Durch die mitunter detaillierten Ausführungen soll Laien auf den Gebieten der Qualitäts- und Evaluationsforschung jene Basis zugänglich gemacht werden, die sie benötigen, um für sich selbst und auch im Unterricht eine Qualitäts- und Evaluationskultur zu schaffen. Nur wenn Lehrende und Studierende dieses Verständnis haben, kann Evaluation so eingesetzt werden, dass damit ein besserer Unterricht gelingen kann.

      Zweitens wird auf Basis der theoretischen Ausführungen in Kapitel 6 ein umfassendes theoriebasiertes Evaluationsmodell (Komplexe Dynamische Evaluation, KDE) konzipiert, welches

      1 auf Evaluations- und Qualitätsstandards basiert,

      2 explizit der Optimierung des universitären Fremdsprachenunterrichts für die evaluierende Gruppe dient und

      3 sich durch Effektivität und Effizienz (vor allem auch in Hinblick auf Ressourcen) auszeichnet.

      Das bedeutet zum einen, dass das hier vorgestellte Modell intendiert, jene Informationen zum nötigen, d.h. zum für die Optimierung richtigen Zeitpunkt zu generieren, die erforderlich sind, um den universitären Fremdsprachenunterricht für die evaluierende LernerInnengruppe wirksam und umfassend zu verbessern. Zum anderen bedeutet es auch, dass dies auf eine möglichst effiziente Weise geschieht, damit das Prozedere den mit qualitätsoptimierenden Maßnahmen verbundenen Mehraufwand für die daran beteiligten AktantInnen in einem überschaubaren Rahmen hält.

      1.5 Forschungsdesign

      Die Forderungen, die mit den oben angeführten Zielen dieses Ansatzes einhergehen, haben für die Konzeption der KDE weitreichende Folgen, weil viele der in der Zielsetzung angeführten Ansprüche und Begriffe mit weiteren Fragen in Verbindung stehen, die beantwortet werden müssen, bevor die eigentliche Konzeption der KDE in Angriff genommen werden kann. Dies erklärt, warum der Konzeption des Modells ein derart umfangreicher Theorieteil vorangeht.

      1.5.1 Ableitung der Forschungsfragen

      Die Hauptforschungsfrage in diesem ersten Band ergibt sich aus der Zielsetzung und lautet wie folgt: Wie kann ein Evaluationsmodell aussehen, damit es den universitären Fremdsprachenunterricht für die evaluierende LernerInnengruppe wirksam und umfassend verbessert?

      Mit dieser Frage stehen folgende Unterfragen in direktem Zusammenhang:

      1 Was bedeutet Qualität im universitären Fremdsprachenunterricht?

      2 Was bedeutet Verbesserung des universitären Fremdsprachenunterrichts?

      3 Welche Evaluationsmethoden können zur Optimierung des Fremdsprachenunterrichts beitragen?

      4 Was bedeuten wirksam und umfassend in Zusammenhang mit Qualitätsoptimierung auf Basis von Lehrveranstaltungsevaluation?

      5 Welche Informationen werden im Detail für die Qualitätsverbesserung benötigt?

      6 Wann ist der richtige Zeitpunkt, um die benötigten Informationen zu generieren bzw. allfällige Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten?

      7 Auf welche Weise (wie) müssen die Informationen generiert werden, damit sie zur Qualitätsoptimierung genutzt werden können?

      1.5.2 Beantwortung der Forschungsfragen

      Die Beantwortung der primären Forschungsfrage ergibt sich im Wesentlichen aus der Beantwortung der sieben Unterfragen, was implizit im Verlauf des Theorieteils erfolgt, der die drei Hauptthemen (1) Evaluation, (2) Qualität und (3) universitärer Fremdsprachenunterricht zum Gegenstand hat. Zudem werden die gewonnenen Erkenntnisse explizit in Abschnitt 6.4 rekapituliert.

      Gemäß den Evaluationsstandards (vgl. Sanders 2006) reicht es für ein Evaluationsinstrument, welches auf umfassende Weise dazu beitragen soll, den universitären Fremdsprachenunterricht zu verbessern, nicht aus, wenn dieses nur eine solide theoretische Basis aufweist. Vielmehr muss auch der direkte Praxisbezug hergestellt werden, was bedeutet, dass neben theoretischen Überlegungen auch die am Unterrichtsgeschehen Beteiligten – die Lehrenden und Studierenden – bei der Konzeption miteinbezogen werden müssen. Vereinfacht kann diese Annäherung an das Evaluationsinstrument (KDE) wie folgt skizziert werden:

      Abb. 1: Annäherung an die KDE

      Der praxisbezogene Aspekt bei der Konzeption der KDE kann aus Gründen des Umfangs im Rahmen dieses Bandes nicht berücksichtigt werden und wird für den jeweiligen Teilaspekt in den folgenden Bänden dargestellt.

      1.5.3 Gliederung und Aufbau des Buches

       Kapitel 2: Dieses Kapitel versteht sich als Einführung in die Themenbereiche Qualität und Evaluation im Kontext von Hochschulen. Zu Beginn wird dargestellt, welchem Wandel die zentralen Begriffe