Die ersten 100 Jahre des Christentums 30-130 n. Chr.. Udo Schnelle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Udo Schnelle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846346068
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Schüsseln und Vasen für den täglichen Gebrauch, Walker und Weber produzierten Kleidung, Lederarbeiter nähten Schuhe und Planen, Schmiede stellten landwirtschaftliche Geräte und die Werkzeuge von Handwerkern her, Zimmerleute fertigten Möbel und Wagen, Bildhauer Statuen und dekorative Reliefs. Weiter sind als Gewerbe zu nennen: Korbmacher, Schuster, Bäcker, Dachdecker, Bauarbeiter, Metallverarbeiter, Kupfer- und Goldschmiede. Sie nutzten normalerweise Rohmaterial, das in der Nähe gewonnen wurde, und verkauften ihre fertigen Waren in eigenen Läden oder auf Märkten. Neben den Kleinbetrieben gab es auch Massenproduktion, vor allem bei Ziegeln, Terrakotta-Lampen, Geschirr und Glaswaren. Diese Produkte wurden häufig überregional oder sogar international abgesetzt.

      Ein intensiver Handel herrschte in und zwischen allen Gebieten des Römischen Reiches228. Der örtliche Handel im Nah- und Mittelbereich zwischen Dörfern und Städten drehte sich hauptsächlich um landwirtschaftliche und handwerkliche Produkte (Getreide, Öl, Fleisch, Vieh, Gebrauchsgegenstände des Alltags), die auf Märkten angeboten wurden. Im interregionalen Handel zwischen größeren Städten und den einzelnen Provinzen wurden Lebensmittel in Amphoren (Olivenöl, Wein, Fischsaucen) und gewerbliche Produkte (Keramik, Öllampen, Baumaterialien, Textilien) transportiert. Zu Land konnte der Transport von Menschen als Lastenträgern, von Eseln, Maultieren und Kamelen oder von Wagen mit Zugtieren durchgeführt werden. Der Fluss- und Seetransport hatte für den interregionalen, vor allem aber für den Fernhandel eine große Bedeutung. Flüsse wie der Nil, der Rhein oder die Donau waren wichtig, ebenso die küstennahe Schiffahrt im Mittelmeer und angrenzenden Gebieten (z.B. dem Schwarzen Meer). Im Fernhandel (z.B. Indien, China und Arabien) wurden vor allem Öl und Wein in Amphoren, wertvolle Kleidungsstücke, Metalle, Waffen und Luxusgegenstände gehandelt, aus Germanien war bei den Römern der Bernstein besonders begehrt. Zwar brachte der Seehandel viele Gefahren durch Schiffbruch und Piraterie mit sich, aber Personen mit Investitionsmitteln und Wagemut konnten großen Reichtum erwerben229.

      Neben der Landwirtschaft als Primärbereich, dem Handwerk und Handel als Sekundärbereich, standen die Dienstleistungen als Tertiärbereich. Hier nahmen die Bank- und Geldgeschäfte einen bedeutenden Platz ein. Dazu gehörten vor allem Geldwechsel, Münzprüfung und das Kreditwesen. Bankgeschäfte waren oft Bestandteil gesellschaftlicher Beziehungen. Innerhalb der höheren Schichten lieh man sich bei Bedarf Geld von Freunden oder verlieh es an Freunde, wenn diese es benötigten. Mitglieder höherer Schichten wurden auch von ihren Untergebenen und Klienten oft um Darlehen gebeten, und zwar als Bestandteil des zwischen ihnen bestehenden Treueverhältnisses. Zu den wichtigen Dienstleistungen gehörte auch der Bildungssektor, der nicht vorrangig vom Staat wahrgenommen wurde. Lehrer/Lehrerinnen, Erzieher/Erzieherinnen, Ammen und Schreiber arbeiteten hier. Weitere Dienstleister waren Ärzte und Juristen. Zu den großen Dienstleistungsbereichen zählten auch die Gastronomie und das Unterhaltungsgewerbe einschließlich der Prostitution.

      Für das Imperium Romanum des 1. Jh. n.Chr. ist die Unterscheidung zwischen Herrschern und Beherrschten grundlegend. Die Statik dieses Prinzips wurde aber durch eine wirtschaftliche und kulturelle Dynamik flankiert, die es Mitgliedern aller Schichten ermöglichte, ihre Welt zu erweitern.

      Der Überblick zur Geschichte, Philosophie, Religion/Theologie und Wirtschaft der hellenistischen Zeit ist für die nun folgende Darstellung der Geschichte des frühen Christentums in dreifacher Hinsicht grundlegend:

      Es gab in der Antike keine ‚Heiden’

      1) Das frühe Christentum hatte umfassend teil an der sozialen Wirklichkeit des Römischen Reiches des 1./2. Jh. n.Chr. und war in ein sehr komplexes und attraktives religiös-philosophisches Umfeld eingebettet. Religiöse Vorstellungen und Vollzüge bestimmten in allen Bereichen das Leben des antiken Menschen. Somit entwickelte sich das frühe Christentum in einer multi-religiösen Gesellschaft und stieß keineswegs in einen religionslosen Raum vor. Daraus folgt, dass es die mit der jüdisch/christlichen Unterscheidung ‚Jude/Christ/Heide‘ heute suggerierte religionsfreie Gesellschaft der Antike nie gegeben hat. Im Gegenteil, keine Gesellschaft war so religiös bestimmt wie der Hellenismus und dies gilt auch für das römische Kaiserreich im 1. Jh. n.Chr. Deshalb ist es unangemessen, im Hinblick auf Nicht-Juden und Nicht-Christen von ‚Heiden‘ zu sprechen230, sondern es handelt es sich in der Regel um Menschen aus griechischrömischer Religiosität, um Christen aus den Völkern, die sich den frühen Gemeinden anschlossen231.

      Anschlussfähigkeil: durch Teilnahme

      2) Damit verbindet sich ein weiterer zentraler Sachverhalt: Die frühen Gemeinden mit ihren Mitgliedern aus verschiedenen kulturellen Kontexten (palästinisches/hellenistisches Judentum/griechisch-römische Religiosität/lokale Kulte und Vereine) waren von Anfang an sowohl durch ihre Mitglieder als auch durch die konkrete Umwelt in die politischen und kulturell-religiösen Debatten der Zeit verwickelt. Die Erfolge der frühchristlichen Mission lassen sich nur unter der Voraussetzung erklären, dass eine hohe Anschlussfähigkeit in Bezug auf die jüdischen und griechisch-römischen Traditionsströme bestand232. Diese Anschlussfähigkeit ließ sich nicht durch Verweigerung, sondern nur durch eine bewusste Teilnahme an den Debatten erreichen, die im Umfeld der Gemeinden geführt wurden. Will man die Geschichte des frühen Christentums verstehen, müssen diese Kommunikationsfelder identifiziert werden und es gilt herauszuarbeiten, welche Antworten auf diese Fragen gegeben wurden und weshalb die Antworten in Theorie und Praxis offenbar von vielen Menschen als plausibel empfunden wurden. Ein neues kulturelles System wie das frühe Christentum konnte nur entstehen, weil es in der Lage war, sich mit bestehenden kulturellen Strömungen zu vernetzen und Neuorganisationen von Vorstellungen und Überlieferungen vorzunehmen. Bewusste Kommunikation und gewollte Überzeugung stehen hier am Anfang!

      Geschichte ist immer Teil von anderer Geschichte

      3) Schließlich hat das frühe Christentum nicht nur seine eigene Geschichte, sondern ist immer auch in die Geschichte der anderen verwickelt. Als Bewegung im Judentum gerieten die Christusgläubigen (speziell in Jerusalem) immer wieder in Konflikt mit den anderen jüdischen Gruppen; vor allem mit den Sadduzäern, aber auch mit den Pharisäern. Als Bewegung aus dem Judentum haben die Christen teil an der spannungsreichen Geschichte der Juden im römischen Reich (s.u. 6.5: Das Claudius-Edikt). Zugleich wurde sie aber auch nach und nach in massive Konflikte mit dem römischen Staat hineingezogen, insbesondere was die Teilnahme am Kaiserkult betrifft. Deshalb hat die Geschichte des frühen Christentums immer auch eine religiös-politische Dimension.

356–323 v.Chr. Alexander der Große
WeltgeschichtePalästina
~ 301–200 ptolemäische Herrschaft~ 301–200 ptolemäische Herrschaft
~ 200–63 seleukidische Herrschaft~ 200–63 seleukidische Herrschaft
197 Sieg Roms über Philipp V. von Makedonien
175–164 Antiochius IV. Epiphanes~ 175–172 Jason
~ 172–163 Menelaos
167 Beginn der makkabäischen Erhebung
166–161 Judas d. Makkabäer
161–142 Jonathan
~ 150 Lehrer der Gerechtigkeit
142–135/34 Simon
Die Hasmonäer
135/34–104 Johannes Hyrkan
104–103 Aristobul I
103–76 Alexander Jannai
76–67 Salome Alexandra
64 Pompejus besiegt die Seleukiden67–63 Aristobul II
63 Eroberung Jerusalems durch die Römer
40 Parthereinfall63–40 Hyrkan II
31 v. – 14 n.Chr Augustus40–4 Herodes
~ 4 v. Geburt Jesu
4 v. – 33/34 n.Chr. Philippus
4 v. – 39 n.Chr. Herodes Antipas
4 v. – 6 n.Chr. Archelaos
14–37 Tiberius6–41 Judäa unter röm. Verwaltung
6/7 Census
26–36 Pontius Pilatus
27/28 Auftreten Johannes d. T./
Jesus v. Nazareth
30 Tod Jesu
37–41

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