Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
Скачать книгу
erinnerte den Grafen Adolf II. von Holstein an die zwischen ihnen seit 1143 bestehenden Freundschaftsbündnisse, als er ihn um Vermittlung bat. Adolf gehörte jedoch selbst zu den Kreuzfahrern und versprach Niklot nur, ihn rechtzeitig zu warnen. Im Grunde wollten beide nicht, was sie dann notgedrungen tun mußten. Am 26. Juli 1147 zerstörte Niklot die Siedlung und den Hafen Lübeck, anschließend griff er die von Adolf angelegten Kolonien der Westfalen, Holländer und Friesen an. Bald umlaufenden Gerüchten zufolge geschah das mit Einverständnis der Holsten, die in den von Adolf ins Land geholten Zuwanderern lästige Konkurrenten sahen.71 Das kann durchaus so gewesen sein, denn der Schlag gegen Adolfs Siedlungswerk sollte auch die ungeliebte Grafengewalt schwächen, ungewiß ist dagegen, ob Niklots Aktionen eine Antwort auf Bernhards Vernichtungsaufruf gewesen sind.

      Später als vereinbart waren die sächsischen Kreuzfahrer in Magdeburg zusammengekommen, teilten sich dort in zwei Heeresgruppen auf und überschritten am 1. August die Elbe. Die größere Abteilung unter Führung Albrechts des Bären und Konrads von Meißen hatte den päpstlichen Legaten Anselm von Havelberg bei sich und zog gegen Vorpommern. Vergeblich und eher lustlos belagerte man Demmin, zog dann nach Stettin weiter, dessen Belagerung Bischof Adalbert von Pommern jedoch verhinderte, weil er sein bisher erfolgreiches Missionswerk nicht gefährden lassen wollte. So verhandelte man mit dem Fürsten Ratibor von Stettin über die weitere Mission und löste anschließend das Heer auf. Die kleinere Abteilung wandte sich unter Führung Heinrichs des Löwen, Konrads von Zähringen und Erzbischof Adalberos von Bremen gegen die Abodriten und vereinigte sich bei Dobin mit dänischen Kreuzfahrern. Auch hier wurde die Belagerung wenig energisch und kaum professionell betrieben, weil die Großen im Gefolge Heinrichs des Löwen sehr bald zu überraschend pragmatischen Einsichten kamen: »Ist es nicht unser Land, das wir verwüsten, und unser Volk, das wir bekämpfen? Warum verhalten wir uns wie unsere eigenen Feinde und vernichten unsere eigenen Einkünfte? Haben die Verluste keine Konsequenzen für unsere Herren?«72 Schnell führten diese Überlegungen zum Abbruch des Feldzuges, den man durch offensichtliche Scheintaufen gleichwohl als Erfolg stilisierte und damit genau so handelte, wie Bernhard von Clairvaux befürchtet hatte, als er Verträge mit den Heiden verbot.

      Unter den Kreuzfahrern hatte sich als einziger süddeutscher Fürst Herzog Konrad von Zähringen der Heeresgruppe Heinrichs des Löwen angeschlossen und damit eine Tradition fortgesetzt, die Welfen und Zähringer schon früher zusammengeführt hatte. Eine Tochter Heinrichs des Schwarzen war mit Konrads Bruder Berthold III. verheiratet gewesen, und Heinrich der Löwe folgte den Spuren, als er Clementia von Zähringen zur Frau nahm, die Tochter Herzog Konrads. Das Ehebündnis, in das Clementia Burg und Herrschaft Badenweiler mit fünfhundert Hufen und hundert Ministerialen einbrachte, sollte die welfisch-zähringische Allianz gegen die Staufer bekräftigen und ist wahrscheinlich auf dem Slawenzug ausgehandelt worden, denn im November/Dezember 1147 machte Heinrich der Löwe dem Kloster Königslutter eine Schenkung für sein Seelenheil und das seiner Gemahlin.73 Aus der Ehe mit Clementia hatte er drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter. Der Erstgeborene, Heinrich, starb als Kleinkind in Lüneburg durch einen Sturz vom Wickeltisch und wurde an hervorgehobener Stelle beigesetzt, nämlich am Ort der Stiftergräber vor dem Kreuzaltar der billungischen Klosterkirche St. Michael; ihr schenkte der Vater als Seelgerätstiftung für sein Kind eine Wassermühle an der Ilmenau.74 Seither lebte Heinrich der Löwe ein rundes Vierteljahrhundert lang, bis 1173/74, ohne männlichen Erben und in der ständigen Sorge um den Fortbestand seines Hauses. Nach 1150 wurde Gertrud geboren, die in erster Ehe 1166 mit Herzog Friedrich IV. von Schwaben verheiratet wurde, dem Sohn König Konrads III., um in Schwaben Angehörige der großen Familien der Welfen, Staufer und Zähringer einander näher zu bringen. Schon im folgenden Jahr aber starb Herzog Friedrich in der Toskana an den Folgen der im deutschen Heer vor Rom ausgebrochenen Epidemie, und Gertrud blieb verwitwet, bis ihr Vater im Jahre 1171 mit König Waldemar I. von Dänemark einen Frieden schloß und die Ehe Gertruds mit dem dänischen Thronfolger Knut verabredete. Als Königin von Dänemark ist Gertrud am 1. Juli 1197 kinderlos gestorben. Ihre jüngere Schwester Richenza hat das Kindesalter nicht überlebt.75

      An der Schwelle zur Macht

      Aufs Ganze gesehen hat der Slawenkreuzzug keine konkreten Ergebnisse gebracht, doch er schuf durch Taufen und damit verbundene Tributzahlungen neue Rechtsgrundlagen für den Aufbau einer Kirchenorganisation und die christlich begründete Integration der slawischen Gebiete. Das daraus sogleich folgende Bestreben, Heinrich dem Löwen die Oberhoheit über das Land und die Kirche zu verschaffen, wird immer wieder dem jungen Herzog selbst zugeschrieben, doch setzt es so viel Erfahrung im Umgang mit kirchlichen Instanzen voraus, daß der Anteil seiner Räte nicht unterschätzt werden darf, und zwar sowohl in bezug auf das Verfahren als auch auf das Konzept. Noch immer bewegte sich Heinrich im Kielwasser derer, die seine Interessen loyal und energisch, aber keineswegs selbstlos vertraten, weil ihre Stellung und ihr Ansehen mit der Macht und der Autorität des Herzogs zunahmen. Um dieser Autorität im Norden Geltung zu verschaffen, brachten sie im Namen ihres Herrn ein großes Heeresaufgebot gegen die Dithmarscher zusammen, an dem sich im Sommer 1148 außer Albrecht dem Bären, den Grafen Adolf II. von Holstein und Heinrich von Badwide auch die Holsten beteiligten, erstaunlicherweise aber auch Erzbischof Adalbero von Bremen und sein Dompropst Hartwig, denen man drei Jahre zuvor in Ramelsloh so übel mitgespielt hatte.76 Einem Feldzug, der die Ermordung des Grafen Rudolf von Stade rächen sollte, konnten sich die beiden aber kaum entziehen, und sie mußten am Ende auch hinnehmen, daß Heinrich der Löwe in Dithmarschen einen Grafen einsetzte. Gleichzeitig suchten Heinrichs Berater wegen einer Neuordnung der nordelbischen Kirche Kontakte zum Papst, ohne den zuständigen Erzbischof von Bremen zu konsultieren. Im September 1148 erteilte Eugen III. dem Kardinaldiakon Guido von S. Maria in Portice Vollmacht für entsprechende Verhandlungen, die der Kardinal im Frühjahr 1149 in Königslutter führen wollte. Inzwischen war der ehemalige Dompropst Hartwig im Herbst 1148 zum Nachfolger Erzbischof Adalberos von Bremen gewählt worden und hatte sich sogleich nach Rom begeben, um die drohende Verletzung seiner Kompetenzen abzuwenden. Offenbar hat er vom Papst keine befriedigende Antwort bekommen, denn sofort nach seiner Rückkehr im September 1149 weihte er zwei Bischöfe – Vicelin für Oldenburg, Emmehard für Mecklenburg – und löste damit einen Konflikt aus, den man als regionalen Investiturstreit bezeichnen kann.

      »Investitur« hieß seit dem Wormser Konkordat von 1122 die Ausstattung eines in Gegenwart des Königs neugewählten Bischofs mit den weltlichen Gütern und Hoheitsrechten seiner Bischofskirche. Das geschah in lehnrechtlicher Form durch Übergabe eines Zepters, so daß der Bischof Vasall des Königs wurde, und erst danach durfte er die Weihe für sein Amt erhalten. Weder für Oldenburg noch für Mecklenburg aber konnte ein Bischof gewählt werden, denn es gab dort keine Domkapitel als Wahlkörperschaften, auch existierten weder Bischofsgüter noch Hoheitsrechte, und Konrad III. war, soweit wir das aus der Überlieferung sehen können, von Erzbischof Hartwig nicht einmal informiert worden. Selbst wenn der Erzbischof an die Tradition zweier älterer, mittlerweile untergegangener Bistümer anknüpfen konnte, waren seine eigenmächtigen Weihen im Sinne des Wormser Konkordats illegal, und wenn er geglaubt haben sollte, im rechtsfreien Kolonialland auf eigene Faust zwei Eigenbistümer der Bremer Kirche gründen zu können, so hätte er selbst den Räten Heinrichs des Löwen Motiv und Argumente für den folgenden Konflikt geliefert. Auf die Nachricht von den beiden Bischofsweihen nämlich verlangte der Herzog das Königsrecht der Investitur für sich und begründete das Vicelin gegenüber mit dem im Denken der Zeit durchaus rechtserheblichen Argument, daß »meine Väter mit Gottes Hilfe dieses Land durch Schild und Schwert erobert haben«; aus dem Kreis der altbewährten Räte des Herzogs setzte Heinrich von Weida, »ein mächtiger und ritterlicher Mann« (vir potens et militaris), den Bedenken Vicelins ein pragmatisches Argument entgegen: »Weder ein Kaiser noch ein Erzbischof kann deiner Sache helfen, solange mein Herr dagegen ist, dem Gott doch dieses ganze Land gegeben hat. Was verlangt mein Herr denn groß von dir, das verboten oder ungehörig wäre? Leicht und nützlich ist es, wenn mein Herr als Zeichen der Investitur ein Stäbchen nimmt und es in deine Hände legt, so daß du künftig als ein Mann des Herzogs angesehen wirst!« Der Erzbischof und sein Domkapitel dagegen drängten Vicelin zum Widerstand, weil ein vom König investierter Bischof reichsunmittelbar und frei sei, der vom Herzog belehnte dagegen ein Fürstenknecht.77

      Mit ähnlichen Gedanken wie der Bremer Klerus