Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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Berater Heinrichs des Löwen gewesen ist. Als zweitgeborener Sohn hatte er eine wissenschaftliche Ausbildung begonnen, doch als sein älterer Bruder auf dem Böhmenfeldzug Lothars III. im Jahre 1126 fiel, mußte Adolf die Grafschaft übernehmen, »ein kluger, kirchlich wie weltlich höchst geschäftskundiger Mann, denn er beherrschte nicht nur das Lateinische und Deutsche, sondern auch die slawische Sprache«.28 Diese spezielle und im allgemeinen Bildungskanon ungewöhnliche Kenntnis des Slawischen deutet darauf hin, daß Adolfs Studien auf die Mission angelegt waren, und bestätigt die Regel, daß der Erwerb von Sprachkenntnissen sich nach praktischen Bedürfnissen richtet.

      Der Vater hatte Heinrich dem Löwen keines seiner beiden Herzogtümer hinterlassen können, sondern nur einen anfechtbaren Anspruch, den in Sachsen Heinrichs Großmutter Richenza und seine Mutter Gertrud sehr erfolgreich vertreten haben.29 Am 1. November 1139, sogleich nach dem Tod Heinrichs des Stolzen, wollte Albrecht der Bär zum ersten Mal öffentlich als Herzog von Sachsen auftreten und hatte sich dafür die Stadt Bremen ausgesucht, weil dort zum Allerheiligenfest ein großer Markt abgehalten wurde, der viele Menschen aus dem gesamten Umland anzog. Dies schien ihm der geeignete Rahmen, um sein erstes Herzogsgericht abzuhalten, aber in der Volksmenge waren die Anhänger Richenzas so stark vertreten, daß ein Tumult ausbrach und Albrecht nur durch rasche Flucht der Gefangenschaft entging. Auch später sollte er sich nicht durchsetzen, denn Pfalzgraf Friedrich von Sommerschenburg, Graf Rudolf von Stade und Erzbischof Konrad von Magdeburg führten die militärischen Operationen gegen ihn so erfolgreich, daß sie zuletzt sogar noch die Nordmark und das askanische Kernland eroberten. Nachdem sie Albrecht aus Sachsen vertrieben hatten (patria eliminaverunt),30 mußte dieser sich nach Süddeutschland zum König begeben, doch auch Konrad III. konnte den Konflikt nicht in Albrechts Sinne regeln, weil keiner der weltlichen Großen Sachsens auf den dafür anberaumten Hoftagen im Februar und im April 1140 erschien.

      Viel besser stand es um die königliche Sache auch in Bayern nicht, denn dort trat sofort nach dem Tod Heinrichs des Stolzen dessen Bruder Welf VI. als legitimer Erbe auf, erhob Anspruch auf die Vormundschaft für Heinrich den Löwen und behauptete, »daß das Herzogtum Bayern nach Erbrecht ihm gehöre, und weil er beim König sein Recht nicht finden konnte, rüstete er sich zum bewaffneten Widerstand«.31 Diese Fehde führte er gewiß nicht stellvertretend für Heinrich den Löwen, denn er hatte einen Sohn und sah die Chance zur Stärkung der eigenen Unabhängigkeit vom schwäbischen und – falls er diesen Rang nicht selbst erreichen würde – vom bayerischen Herzog. Als Treuhänder seines Neffen verfügte er jetzt auch über dessen schwäbische Güter und nutzte sie zumindest vorläufig für eigene Zwecke. Im August 1140 siegte er bei Valley im Mangfalltal über den Babenberger Leopold und provozierte damit einen Gegenstoß Konrads III. ins Schwäbische, den der König zusammen mit seinem Bruder Herzog Friedrich II. von Schwaben durch die Belagerung der Burg Weinsberg bei Heilbronn einleitete. Das Unternehmen zog sich lange hin, und Konrad mußte am 21. Dezember erst ein überlegenes Entsatzheer Welfs VI. besiegen, ehe die Burgleute kapitulierten. In der Kölner Königschronik wird dazu die rührende Geschichte über die Frauen von Weinsberg erzählt, denen Konrad freien Abzug gewährte und noch dazu erlaubte, so viel von ihrer Habe mitzunehmen, wie sie auf den Schultern tragen könnten. Als die Frauen daraufhin ihre Männer herausschleppten, habe Konrad sie gegen den Einspruch seines Bruders gewähren lassen, denn »es gehört sich nicht, an einem Königswort herumzudeuteln« (regium verbum non decere immutare).32 Das ist sehr wahrscheinlich eine Sage, schon wegen des hier vorausgesetzten und ganz unüblich hohen Frauenanteils einer Burgbesatzung, und man kennt aus verschiedenen Zeiten und Gegenden nahezu dreißig Erzählungen von ähnlichen Situationen. Immerhin zeigt die Geschichte einerseits die Grausamkeit des Belagerungskrieges mit Tötung der Besiegten und Ausplünderung, andererseits die unbeirrbare Großmut, die man vom König auch in solcher Lage gern erwarten wollte.

      Dem sächsischen Hof war klar, daß der König trotz des Sieges bei Weinsberg mit seinen Verfügungen über Sachsen und Bayern in beiden Herzogtümern gescheitert war. Auch der Tod Richenzas, die am 10. Juni 1141 starb und in Königslutter neben Kaiser Lothar und Heinrich dem Stolzen beigesetzt wurde, schwächte den sächsischen Widerstand nicht. Als noch dazu die bayerische Frage durch den Tod Leopolds IV. am 18. November 1141 neu aufgeworfen wurde, entschied der König zunächst nichts, sondern belehnte Leopolds Bruder Heinrich nur mit der Mark Österreich. Die Fronten waren verhärtet, und eine Lösung schien denkbar fern, bis Erzbischof Markolf von Mainz einen Ausgleich vermittelte, der im Mai 1142 auf dem Frankfurter Hoftag Konrads III. beschlossen wurde. Albrecht der Bär wurde in seinen früheren Rechten und Besitzungen als Graf von Ballenstedt und Markgraf der Nordmark bestätigt, mußte aber auf die Herzogswürde in Sachsen verzichten, so daß Heinrich der Löwe damit belehnt werden konnte. Das bayerische Problem sollte durch eine Verbindung der welfischen mit der babenbergischen Familie gelöst werden, indem Heinrichs des Stolzen Witwe Gertrud, nach Richenzas Tod für ihren unmündigen Sohn Repräsentantin des Hauses in Sachsen, den Markgrafen Heinrich II. von Österreich heiratete, den Bruder des ein halbes Jahr zuvor verstorbenen Leopold IV., Halbbruder Konrads III. und seit dem Ende des 13. Jahrhunderts durch den Beinamen Ioch so mir got, »Jasomirgott«, als frommer Mann geehrt. Ihm gedachte Konrad das Herzogtum Bayern zu geben und durch Heinrichs Ehe mit Gertrud möglichen Ansprüchen Heinrichs des Löwen für die Zukunft vorzubeugen.33 Der König selbst hat die zwei Wochen dauernden Hochzeitsfeierlichkeiten in Frankfurt ausgerichtet und bezahlt.

      Wahrscheinlich ist damals außer Heinrich dem Löwen auch seine Mutter Gertrud mit dem sächsischen Dukat belehnt worden, denn in zwei Urkunden der Erzbischöfe Markolf von Mainz und Adalbero von Bremen aus dem Jahr 1142 wird sie als regierende Herzogin angesprochen, totius Saxonie ducissa (»Herzogin ganz Sachsens«) oder domina ducissa (»die Herrin Herzogin«).34 Für deutsche Verhältnisse ist das ungewöhnlich, weil dabei die Anerkennung der weiblichen Lehnserbfolge vorausgesetzt wurde, aber der König brauchte diesen Rechtsweg für seinen Zugriff auf Sachsen und erinnerte sich vielleicht an das Projekt einer Doppelbelehnung Heinrichs des Stolzen und Gertruds mit den Mathildischen Gütern aus dem Jahr 1133. Worauf seine Pläne im einzelnen hinausliefen, zeigte sich alsbald beim Goslarer Hoftag im Januar 1143 und auf den folgenden Stationen des Königs in Sachsen. In Gegenwart vieler sächsischer Großer und vielleicht sogar nach Absprache mit ihnen verzichtete Heinrich der Löwe in Goslar consilio matris (»auf den Rat seiner Mutter«)35 als ihr Sprachrohr im Vollzug der Frankfurter Abreden auf Bayern, so daß Heinrich Jasomirgott sogleich damit belehnt werden konnte. Von Goslar zog Konrad nach Hildesheim weiter und erreichte dort mit Hilfe staufischer Sympathisanten im Domkapitel die Wahl seines Halbbruders Konrad von Babenberg zum Dompropst und damit auch zum Archidiakon von Goslar, denn seit salischer Zeit wurden beide Ämter stets in Personalunion wahrgenommen. Konrad war bereits Dompropst in Utrecht und Mitglied des Kölner Domkapitels, übte das Hildesheimer Amt aber von seiner Wahl an tatsächlich aus und gab es 1148/49 an Rainald von Dassel weiter, den späteren Kanzler Friedrich Barbarossas und seit 1159 gewählten Erzbischof von Köln.36 Ende Januar erschien der König schließlich in Braunschweig, wo er »von den Einwohnern prächtig empfangen und von der Herzogin Gertrud großzügig geehrt« wurde (ab incolis gloriose suscipitur, atque munificentia ducisse Gertrudis honoratur).37

      Deutlich ist die Absicht erkennbar, in Sachsen Präsenz zu zeigen und staufisch-babenbergische Stützpunkte zu bilden; im Sinne dieser Ziele leitete Heinrich Jasomirgott aus seiner Rechtsstellung als Ehemann Gertruds eigene Befugnisse in sächsischen Angelegenheiten ab, denn im Frühjahr 1143 beurkundete er eine Schenkung der Herzogin und ihres Sohnes an das Kloster Homburg bei Langensalza.38 Bald nach dem Tag von Goslar demonstrierte der Babenberger damit seinen Willen zur Mitsprache, und dieser Wille schien mittelfristig durchsetzbar, denn Gertrud handelte als Regentin Sachsens durchaus anders als ihre Mutter Richenza. Im Land Wagrien nördlich der Elbe setzte sie als Graf Heinrich von Badwide ein, einen Mann Albrechts des Bären, um Adolf II. von Schauenburg zu schaden, der seit 1130 im Auftrag Lothars von Süpplingenburg die Grafschaft Holstein innehatte und sich nach 1138 standhaft weigerte, Albrecht den Bären als Herzog von Sachsen anzuerkennen. Helmold von Bosau verknüpft diese erstaunliche Handlungsweise Gertruds, die einen loyalen Vertreter der welfischen Sache so sichtbar desavouierte, zeitlich mit der Frankfurter Belehnung Heinrichs des Löwen,39 so daß auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen nicht ausgeschlossen werden kann: In der nördlichen Missions- und Expansionszone des sächsischen Dukats sollte eine Stütze des staufischen Königs aufgerichtet werden.