Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
Скачать книгу
zwar eine Weile aushalten, aber sie provozierten auf die Dauer doch den Wunsch nach Ausgleich, Rechtssicherheit und Frieden. Insofern war die Frankfurter Wahl des staufischen Herzogs Friedrich III. von Schwaben zum König am 4. März 1152 der Versuch einer Fürstengruppe, diese Herausforderung anzunehmen und persönlichen Ehrgeiz hinter einem möglichst umfassenden Konsens zu verbergen, belastende Gegensätze so weit wie möglich zu überbrücken, Forderungen der Wähler und Zusagen des Kandidaten in ein realistisches Verhältnis zu bringen.

      Schon am 6. März reiste der neue König Friedrich I. mit Heinrich dem Löwen und einem Kreis persönlich ausgewählter Fürsten zu Schiff auf Rhein und Main von Frankfurt nach Sinzig; dann setzte die Gesellschaft ihren Weg nach Aachen zu Pferd fort und traf am 8. März dort ein.3 Die bemerkenswerte Eile erklärt sich aus der hohen religiösen Bedeutung des folgenden Tages, des Sonntags Laetare Jerusalem, an dem schon Konrad III. als erster staufischer König die Krone empfangen hatte. Diesen Termin wollte Friedrich erreichen, und am 9. März 1152 krönte Erzbischof Arnold von Köln in der Pfalzkapelle Karls des Großen den neuen König, bevor dieser den ehrwürdigen Thron seines fränkischen Amtsvorgängers bestieg.

      Während der nächsten Tage beriet Friedrich im Kreis ausgewählter Fürsten – prudentiores seu maiores nennt sie Otto von Freising,4 »die klügeren und bedeutenderen« – Angelegenheiten des Reiches, und wir erfahren aus den Zeugenlisten der Urkunden, die der König zwischen 9. und 14. März in Aachen ausgestellt hat, daß Heinrich der Löwe zu dieser Gruppe gehört hat neben geistlichen Fürsten wie den Erzbischöfen Arnold von Köln und Hillin von Trier, den Bischöfen Heinrich von Lüttich, Friedrich von Münster, Otto von Freising, Eberhard von Bamberg, Ortlieb von Basel, Hermann von Konstanz und weltlichen Standesgenossen wie Albrecht dem Bären, Welf VI., den Herzögen Matthäus von Oberlothringen und Gottfried von Niederlothringen. Zum ersten Mal trat der achtzehn- oder neunzehnjährige Herzog von Sachsen in einer größeren Versammlung der Mächtigen im Reich auf, die durchweg älter und erfahrener waren als er. Der Erzbischof von Köln stand mit seinen 54 Lebensjahren nach den Maßstäben der Zeit an der Schwelle zum hohen Alter, nur wenig jünger war Albrecht der Bär, Otto von Freising hatte vermutlich sein vierzigstes, der neue König wohl knapp das dreißigste Jahr erreicht.

      Heinrich Jasomirgott war den Krönungsfeierlichkeiten ferngeblieben, denn er ahnte wohl, daß der Preis für die Stimme Heinrichs des Löwen bei der Königswahl die Rückgabe Bayerns gewesen war. Ausdrücklich ist das nirgendwo überliefert, aber der neue König behandelte diese Frage als Konflikt zwischen den beiden Herzögen und begann sogleich nach Lösungen des Problems zu suchen, weil er für seinen Romzug zur Kaiserkrönung ein weitgehend befriedetes Reich und breite Unterstützung für das Aufstellen eines hinreichend großen Heeres brauchte. Friedrich wollte die Kaiserkrone so schnell wie möglich erlangen, um den Zuwachs an Autorität und die wirtschaftlichen Potentiale Italiens nutzen zu können, doch die Voraussetzungen für die Reichsheerfahrt nach Rom ließen sich nur mit Mühe schaffen.

      Es gab keine Rechtsgrundlage, um Heinrich Jasomirgott das bayerische Herzogtum kurzerhand zu entziehen, zudem aber war der Babenberger für den König politisch wertvoll, ein wichtiges Bindeglied für die staufischen Beziehungen ins östliche Mittelmeer und für eine Koalition gegen das sizilische Normannenreich, denn er hatte nach dem Tod Gertruds von Süpplingenburg eine Nichte des byzantinischen Kaisers Manuel geheiratet. Demnach durfte Friedrich I. es weder mit dem Babenberger noch mit dem Welfen verderben, doch war die einvernehmliche Lösung des Konflikts jedenfalls vorerst nicht zu erkennen. Niemals würde Heinrich Jasomirgott sich kampflos vom fürstlichen Rang des Herzogs auf den des Markgrafen zurückstufen lassen. Er verteidigte nicht nur den Besitz eines Reichslehens, sondern in erster Linie den damit verbundenen honor: seine Ehre und Würde im Kreis der Standesherren.

      In den folgenden Wochen bis in den Mai begleitete Heinrich der Löwe zusammen mit Albrecht dem Bären, Welf VI. und Bischof Anselm von Havelberg den König auf dessen traditionellem Umritt. Nach Jahrzehnten der Feindschaft und opferreicher Blockaden stützten jetzt zwei welfische Herzöge ihren staufischen Verwandten während der entscheidenden Anfangsphase seiner Regierung und konnten auf seine Gunst bauen, die für Heinrich den Löwen zur Voraussetzung des Aufstiegs und der Selbstbehauptung werden sollte. Die Hoffnungen Ottos von Freising auf Friedrich als den »Eckstein der Versöhnung« hatten sich anscheinend erfüllt, und das Kalkül der Frankfurter Königswähler war zumindest vorerst bestätigt. Albrecht der Bär gehörte hingegen zu den Verlierern im Spiel, denn anders als sein Vorgänger war der neue König kein Gegner Heinrichs des Löwen, sondern dessen Bundesgenosse und Förderer. Um den Schaden möglichst zu begrenzen, suchte Albrecht jetzt die Nähe Friedrichs I.

      Am 20. April war man in Köln; einige Tage später stellte Heinrich – wahrscheinlich in Soest – eine Urkunde für das Prämonstratenserstift Scheda aus,5 und weiter führte der Ritt nach Goslar, einen der großen Zentralorte Sachsens. Hier hat der König am 8. oder 9. Mai dem Herzog eine bedeutende Gunst erwiesen, indem er ihn mit der Reichsvogtei Goslar belehnte, die wegen des ertragreichen Silberabbaus am Rammelsberg sehr wertvoll war.6 Zehn Jahre lang hat Heinrichs Kämmerer Anno von Heimburg dieses Lehen verwaltet, während der Goslarer Pfalzbezirk weiterhin dem König unterstellt blieb.

      Für Pfingstsonntag, den 18. Mai, hatte Friedrich zu einem Hoftag nach Merseburg geladen,7 an dem auch Heinrich der Löwe und Albrecht der Bär teilnahmen. Hier wirkte der neue König zum ersten Mal über die Grenzen des Reiches hinaus, indem er einen seit sechs Jahren schwelenden Thronstreit zwischen Sven und Knut schlichtete, Angehörigen der weitverzweigten dänischen Königsfamilie, die Friedrich um einen Schiedsspruch gebeten hatten. Von Anfang an war Graf Adolf II. von Holstein auf Knuts Seite gewesen, weshalb Sven die gegen ihren Grafen opponierenden Holsten so massiv unterstützte, daß Adolf sich schutzsuchend zu Heinrich dem Löwen begeben mußte. Auch Knut selbst lebte im sächsischen Exil, nachdem Sven ihn 1151 bei Husum besiegt hatte. Nun war er unter dem Geleit Heinrichs des Löwen nach Merseburg gekommen und hatte ihn zum Sprecher seiner Wünsche auf dem Hoftag gemacht, was allerdings nur den Vortrag, nicht aber die Vertretung der Sache bedeutete. Für Sven wirkte im gleichen Sinne Erzbischof Hartwig von Bremen, der auch Vicelin mitgebracht hatte, um ihn zu bewegen, »die Investitur nochmals aus der Hand des Königs zu empfangen, wobei er aber nicht den Nutzen der Kirche, sondern seinen Haß auf den Herzog im Sinn hatte«.8 Vicelin lehnte das jedoch ab, weil er den Zorn Heinrichs des Löwen fürchtete.

      Die zum Hoftag versammelten Fürsten brachten Knut dazu, auf seinen Anspruch zu verzichten, »indem er sein Schwert übergab; es ist nämlich ein Rechtsbrauch des Hofes, daß Königreiche (regna) durch das Schwert, andere Herrschaften (provinciae) aber durch das Banner vom König übergeben oder entzogen werden«.9 Sven dagegen erhielt die Anerkennung als König von Dänemark und nahm sein Reich aus der Hand Friedrichs, der ihn krönte, nachdem Sven sich ihm durch Treueid und vasallitische Huldigung verpflichtet hatte. Bei der großen Pfingstprozession trug auch der deutsche König seine Krone, während Sven ihm als Träger des Reichsschwertes voranschritt. Solche Auftritte waren wichtige Manifestationen des Reiches, das sich als Verband des gekrönten Königs und seiner Magnaten selbst darstellte und von den Beteiligten gleichsam sinnlich erlebt werden konnte; feierliche Hoftage festigten auch die persönlichen Bande zwischen den Anwesenden, denn Friedrich und Sven waren Jugendfreunde, die ihre ritterliche Erziehung gemeinsam erhalten hatten.10

      Für Heinrich den Löwen und Albrecht den Bären war jedoch ein anderer Verhandlungspunkt des Hoftages ungleich wichtiger. Beide stritten seit Jahren über einen Erbfall und waren zum selbständigen Vergleich jetzt um so weniger imstande, als der Konfliktstoff einige Monate vor dem Merseburger Tag dramatisch zugenommen hatte. Am 26. Oktober 1147 war Graf Bernhard von Plötzkau als letzter seiner Familie auf dem Kreuzzug Konrads III. gefallen. Seinen Besitz am Ostrand des Harzes beanspruchten sowohl Heinrich der Löwe als auch Albrecht der Bär, und der König war in seinen letzten Jahren zu einer Schlichtung nicht mehr in der Lage. Die Frage war deshalb noch offen, als in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 1152 Graf Hermann von Winzenburg und seine schwangere Gemahlin auf ihrer Burg ermordet wurden. Die Täter waren Winzenburger und bischöflich hildesheimische Ministerialen, deren Zorn und Erbitterung sich wegen der harten Herrschaft des Grafen seit langem angestaut hatten.11 Mit Hermann II. von Winzenburg, einem »mächtigen und reichen Mann« (vir potens et magnarum pecuniarum),12 hatte Konrad III. seine feste Stütze im südlichen Sachsen verloren,