Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
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Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
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sich vielleicht auf Verwandtenerbrecht berufen, falls seine Gemahlin Sophia wirklich die Schwester des ermordeten Winzenburgers gewesen sein sollte,13 Heinrich der Löwe dürfte dagegen ebenso wie im Falle der Stader und der Plötzkauer Grafschaften die lehnrechtliche Auffassung ins Feld geführt haben, daß nach dem erbenlosen Tod eines Grafen dessen Güter und Rechte an den Herzog fallen müßten. Wenn er sich mit dieser Ansicht durchsetzte, würde in Sachsen die Herzogsgewalt als mittlere Herrschaftsebene zwischen dem König und den Grafen so stabil werden, daß der Dukat wie einst in spätkarolingischer Zeit zu einer Art Vizekönigtum gedieh. Solche Versuche zur Mediatisierung der Grafen hatte schon Lothar von Süpplingenburg gemacht, und Heinrich der Löwe verfolgte sie mit besonderer Zielstrebigkeit weiter.

      Der Konflikt um diese Erbfälle ist in Merseburg noch nicht gelöst worden, wohl aber dürfte die bayerische Frage zumindest zwischen König und Herzog besprochen worden sein, denn am 18. Mai 1152 war Friedrich I. Zeuge, als Heinrich der Löwe dem Prämonstratenserstift Weißenau bei Ravensburg Güter und Rechte übertrug; das Original der darüber ausgestellten Urkunde ist erhalten und nennt Heinrich »Herzog von Bayern und Sachsen« (dux tam Bawarie quam Saxonie).14 Wenige Wochen später, Ende Juni 1152, begann Friedrich denn auch auf einem Hoftag in Regensburg mit den Vorbereitungen zur Lösung des äußerst schwierigen Problems, indem er Heinrich den Löwen und Heinrich Jasomirgott für den 13. Oktober nach Würzburg lud; gleichzeitig machte Heinrich der Löwe dem König ein schriftliches Bündnisangebot, als er in einem Brief um Rückgabe Bayerns bat, damit er Friedrich im Notfall mit größerer Macht unterstützen könne.15

      In Würzburg erschien Heinrich Jasomirgott zwar nicht und mußte ein weiteres Mal geladen werden, aber Heinrich der Löwe erreichte im Streit um die Plötzkau/Winzenburger Erbschafteneine Entscheidung. Der König sprach ihm das wertvollere Winzenburger Gut, Albrecht dem Bären dagegen das Plötzkauer zu, und schon im folgenden Jahr hat der Herzog seine Pflichten als Rechtsnachfolger Hermanns von Winzenburg wahrgenommen, indem er einen der Mörder vor dem Königsgericht anklagte und überführte, so daß dieser am 1. November 1153 auf Befehl Friedrichs in Köln enthauptet wurde.16 Daß jetzt die Zeit der Einlösung von Wahlversprechungen gekommen war, zeigt die ebenfalls in Würzburg vorgenommene Belehnung Welfs VI. mit dem Herzogtum Spoleto, der Markgrafschaft Toskana, dem Fürstentum Sardinien und mit den Gütern der Gräfin Mathilde, wodurch Welf VI. die Nachfolge Heinrichs des Stolzen antrat. Das gehörte auch zur Werbung um Unterstützung für den Italienzug, und in Würzburg schworen die versammelten Fürsten, ihn innerhalb der nächsten zwei Jahre anzutreten.17

      In dem großen Gefolge, mit dem Friedrich am Jahresende in Trier eintraf, befand sich wiederum Heinrich der Löwe; gemeinsam zog man Anfang Januar 1153 weiter nach Metz, durchs Elsaß nach Besançon und Baume-les-Dames (Dép. Doubs);18 dort scheint sich der Herzog vom König getrennt zu haben, der nach Konstanz ging und mit italienischen Problemen konfrontiert wurde, die ihn für den Rest seines Lebens beschäftigen sollten, für die er viele große Adelsfamilien immer wieder in Anspruch genommen hat und an denen er letztlich gescheitert ist. Zwei Bürger der Stadt Lodi klagten vor dem König und seinen Großen gegen die Stadt Mailand wegen Angriffen auf ihre Freiheit und Behinderung ihres Handels; außerdem waren zwei päpstliche Legaten nach Konstanz gekommen, denen der König in die Hand versprach, was seine Unterhändler einige Wochen zuvor in Rom mit dem Papst vereinbart hatten: Weder mit den Bürgern von Rom noch mit König Roger II. von Sizilien würde Friedrich ohne Zustimmung des Papstes jemals Frieden schließen, sondern die römische Kirche als ihr Schutzvogt in allen Gefahren verteidigen. Dafür sagte ihm Eugen III. außer der Kaiserkrönung die Exkommunikation eines jeden zu, »der das Recht und die Ehre des Reiches« (iustitiam et honorem regni) verletzen würde; sowohl der Papst als auch der künftige Kaiser versprachen einander, keine byzantinischen Stützpunkte in Italien zu dulden. Über dieses Abkommen, mit dem Friedrich nicht nur den Romzug vorbereiten, sondern auch seinen Beziehungen zum Papst jedenfalls mittelfristig eine feste Grundlage geben wollte, stellte er Eugen III. am 23. März 1153 eine Urkunde aus, den später so genannten »Konstanzer Vertrag«.19

      Ende Mai finden wir den Herzog wieder beim König, und zwar in Heiligenstadt im Eichsfeld, wo er am 29. Mai in zwei königlichen Diplomen für das Augustinerchorherrenstift Fredelsloh und seinen Propst als Zeuge genannt ist, für jenes Stift, dem er als Knabe gemeinsam mit seiner Mutter Gertrud zwei Bauernhöfe geschenkt hatte.20 Acht Tage später, zum Pfingstfest am 7. Juni, kamen dann die Großen des Reiches in Worms zum Hoftag zusammen, um die Klage Heinrichs des Löwen wegen des Herzogtums Bayern aufs neue zu verhandeln. Heinrich Jasomirgott war diesmal zwar erschienen, verweigerte aber seine Mitwirkung an den Verhandlungen mit dem Argument, er sei nicht formgerecht geladen worden, und eben diese Erklärung setzte er mit demselben Erfolg noch einmal auf dem Hoftag von Speyer im Dezember 1153 ein.21 »Friedrich hatte sich nun schon fast zwei Jahre lang bemüht, den Streit der beiden Fürsten, die ihm . . . wegen Blutsverwandtschaft so nahe standen, zu schlichten; veranlaßt durch das Drängen des einen (Heinrichs des Löwen), der in sein väterliches Erbe zurückkehren wollte, aus dem er schon so lange verdrängt war. Weil ihm (Friedrich) außerdem ein schwerer Feldzug bevorstand, auf dem er den jungen Fürsten als Krieger und Verbündeten brauchte, war er nun endlich gezwungen, den Streit zu beenden.«22 Offensichtlich drängte jetzt alles auf eine Entscheidung, zumal es in Bayern infolge der Auseinandersetzung zwischen beiden Fürsten zu so schwerwiegenden Landfriedensbrüchen gekommen war, daß der König einen für September 1153 in Regensburg geplanten Hoftag aus Sicherheitsgründen hatte absagen müssen.23

      Nun sollte ein Hoftag Ende Mai/Anfang Juni 1154 in Goslar die Entscheidung bringen. Heinrich der Löwe erschien dort mit großem Gefolge, um im eigenen Land seine Autorität als Herzog eindringlich vorzuführen. Unter den Klerikern, die ihn begleiteten, erkennen wir den Archidiakon von Goslar sowie die Pröpste der Augustinerchorherrenstifte Riechenberg und Georgenberg, unter den Laien die Grafen Liudolf, Burchard und Hoyer von Wöltingerode, Adalbert von Wernigerode, Volkwin von Schwalenberg, elf Edelfreie, 35 Ministerialen, die zum Teil mit ihren Söhnen und Brüdern auftraten, unter ihnen Anno von Heimburg, Heinrich von Weida, Burchard von Wolfenbüttel, Liudolf von Dahlum, Friedrich von Volkmarode, und schließlich noch 64 Goslarer Bürger (urbani).24 Obwohl er schriftlich geladen war, fehlte Heinrich Jasomirgott auch hier, und daraufhin erging ein Fürstenspruch, der Heinrich dem Löwen das Herzogtum Bayern zusprach. Dabei handelte es sich allerdings erst um die formale Entscheidung in der Sache, noch nicht also um die Einweisung in den Dukat mit der Belehnung und der anschließenden Huldigung des bayerischen Adels, denn Friedrich scheute den offenen Bruch mit dem Babenberger, wußte auch von einer starken Opposition gegen den Goslarer Spruch unter den dort nicht beteiligten Fürsten und suchte deshalb nach wie vor eine politische Lösung. Insofern verhielt sich die Reichskanzlei korrekt, wenn sie Heinrich den Löwen auch künftig nur »Herzog von Sachsen« (dux Saxonie) nannte, während er selbst sich schon seit 1152 immer wieder den Doppeltitel beigelegt hatte und auch sein zweites Reitersiegel schon vor dem Goslarer Tag mit der Umschrift Henricus Dei gratia dux Bawarie et Saxonie (»Heinrich von Gottes Gnaden Herzog von Bayern und Sachsen«) versehen ließ.25

      Aber noch mehr und Erstaunliches brachte dieser Goslarer Tag. Friedrich I. verlieh »seinem geliebten Heinrich, Herzog von Sachsen« (dilecto nostro Heinrico duci Saxoniae) für das Land nördlich der Elbe, »das er durch unsere Freigebigkeit innehat«, die freie Vollmacht, dort Bistümer und Kirchen zu gründen und auszustatten; ihm und seinen Nachfolgern wurde das Recht zur Investitur für die drei Bistümer Oldenburg, Mecklenburg und Ratzeburg übertragen, und zwar so, daß deren Bischöfe das, was Königsrecht war, aus der Hand des Herzogs so empfangen sollten, als wenn es vom König käme.26 Mit dieser Übertragung wollte Friedrich die Teilnahme Heinrichs des Löwen am Italienzug sicherstellen, gleichzeitig aber auch betonen, daß es sich bei den Heinrich zugestandenen Bischofsinvestituren um ein übertragenes, ihm nur anvertrautes Königsrecht handelte und kein Zweifel daran bestehen könne, daß die nordelbischen Gebiete zum Reich gehörten. Dennoch war das Privileg ein exzeptioneller Ausdruck königlicher Förderung und verschaffte Heinrich dem Löwen Kompetenzen eines Vizekönigs im Land nördlich der Elbe, das auf diese Weise eine deutlich erkennbare Sonderstellung erhielt. Als einziger deutscher Fürst verfügte Heinrich über ein solches Investiturrecht, und daraus ergaben sich erhebliche Rückwirkungen auf seine Stellung als Herzog in Sachsen.

      Italienzug