Heinrich der Löwe. Joachim Ehlers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ehlers
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: История
Год издания: 0
isbn: 9783806243796
Скачать книгу
Fürsten des Reiches durch Boten aufgefordert, sich mit ihren Aufgeboten zu Michaelis des folgenden Jahres, also am 29. September 1154, in Roncaglia nahe Piacenza einzufinden,27 doch erst Anfang Oktober 1154 sammelte sich das Heer auf dem Lechfeld bei Augsburg. Die Stärke der Kampftruppe läßt sich nicht genau bestimmen; zwar schrieb der König in einem Brief an Otto von Freising, daß er seine italienischen Siege mit nur tausendachthundert Rittern (milites) errungen habe,28 doch war das eher ein Hinweis auf seine Feldherrnkunst als eine Auskunft über die Zahl. Otto Morena, Konsul von Lodi und vorzüglich informierter Beobachter, sah Heinrich den Löwen »kaum weniger schwere Reiter (equites) als der Kaiser« nach Italien bringen;29 ob sie in der von Friedrich genannten Heeresstärke inbegriffen sind, läßt sich nicht mehr feststellen, aber gewiß hat von allen am Italienzug Beteiligten Heinrich dem König das größte Kontingent zugeführt: Sein Einsatz war hoch, denn Bayern hatte er noch nicht wiedergewonnen, mußte die bisherigen Leistungen Friedrichs – das Investiturrecht nördlich der Elbe, das Winzenburger Erbe, die Belehnung mit Goslar – kompensieren und um künftige Hilfe werben.

      Vom Gefolge Heinrichs des Löwen, der seine Gemahlin Clementia als Regentin Sachsens zurückgelassen hatte, kennen wir die Grafen Adalbert von Wernigerode und Christian von Oldenburg, aus der sächsischen Ministerialität Liupold von Herzberg und aus der schwäbischen neben anderen den Vogt Adelgoz von Augsburg, den Marschall Hermann von Ravensburg, Konrad von Memmingen, Manegold von Otterswang, Adalbert von Rammetshofen, Meingoz von Reute, Heinrich von Stauf.30 Dieses Übergewicht der Schwaben entspricht allerdings nicht den tatsächlichen Verhältnissen, sondern ergibt sich aus den besonderen Bedingungen der Überlieferung: Die einzige vom Italienzug erhaltene Urkunde Heinrichs des Löwen war für das Stift Ittingen nordwestlich von Frauenfeld bestimmt, so daß als Zeugen der Rechtshandlung natürlich in erster Linie Schwaben aufgerufen worden waren. Wir dürfen nicht glauben, daß Heinrich im wesentlichen auf seine Ministerialen von den schwäbischen Gütern zurückgegriffen und die sächsischen geschont hat.

      Der König führte das Heer über den Brennerpaß, die leichteste und deshalb seit den ostfränkischen Karolingern am häufigsten genutzte Verbindung durch die Ostalpen nach Italien. Die meisten Reiter im sächsischen Gefolge Heinrichs des Löwen kannten nur die norddeutsche Ebene und als höchste Erhebung den Harz: Waren sie beeindruckt, als sie sich den Hochalpen näherten, in sie einstiegen und auf der Südseite die ganz anders geartete Landschaft Oberitaliens erlebten, den »Garten der Wonnen« (deliciarum hortus), den Otto von Freising im landeskundlichen Italienexkurs zu seinem Bericht vom Romzug Friedrichs geschildert hat?31 Wir wissen nicht, was sie einander und zu Hause davon erzählt haben, denn niemand hat dergleichen aufgeschrieben.

      Heinrich der Löwe hat auf diesem Feldzug nicht nur an die offiziellen Ziele des Königs und an das Wohl des Reiches gedacht. Er nutzte seinen Italienaufenthalt vielmehr auch dazu, jene Güter des Hauses Este für sich zu reklamieren, die sein Urgroßvater Welf IV. aus dem Nachlaß des Markgrafen Azzo II. erhalten hatte, die dann aber in den unsicheren Jahren nach dem Tod Heinrichs des Stolzen wieder vom Haus Este übernommen worden waren. Am 27. Oktober 1154 erschienen die beiden Markgrafen Bonifaz und Fulco von Este im Lager des Reichsheeres bei Povegliano in der Nähe von Verona, und man einigte sich dahingehend, daß Heinrich die Burg Este mit den Orten Solesino, Arqua und Merendola gehören sollte; sogleich hat er diese Objekte an Bonifaz, Fulco und ihre abwesenden Brüder Albert und Opizo samt allen Nachkommen in männlicher und weiblicher Linie als Lehen zurückgegeben.32 Damit hatte er sein Obereigentum gesichert, gleichzeitig jedoch Rechte seines Onkels Welf VI. mißachtet, von dem in der Urkunde keine Rede war; erst später muß es eine Absprache zwischen beiden gegeben haben, denn Anfang Januar 1160 investierte Welf VI. im kaiserlichen Lager vor Crema, in dem sich auch Heinrich der Löwe aufhielt, die Este-Brüder mit denselben Gütern, damit jetzt auch sein Recht als Miteigentümer öffentlich erklärt war.33 Heinrichs Insistieren auf diesen Rechtspositionen in Reichsitalien zeigt, daß er sich keineswegs allein auf Sachsen, Bayern und seine schwäbischen Güter konzentriert hat und deshalb auch nicht im nachhinein in dieser verengten Perspektive gesehen oder beurteilt werden darf. Sein Wirkungs- und Interessenfeld reichte wie das anderer großer Fürsten und Herren über die Region und Deutschland hinaus in den Raum des Imperiums; wie seine spätere zweite Ehe mit der englischen Königstocher Mathilde deutlich vor Augen führt, dachte und bewegte er sich im Geflecht weit ausladender Hochadelsverbindungen der westlichen Christenheit, die bis nach Byzanz und in die lateinischen Königreiche outre mer reichten, ins Heilige Land am Rande des östlichen Mittelmeers. Für die Repräsentanz der Welfen südlich der Alpen waren ihre italienischen Güter und Rechte wertvolle Grundlagen.

      DER VERLAUF DES ITALIENZUGES 1154/55 ▸

      Heinrich der Löwe hat sich ständig im Heer Friedrichs I. befunden; Orte, an denen er ausdrücklich als anwesend bezeugt ist, sind durch einen ausgefüllten Punkt (●) gekennzeichnet.

      Augsburg, Brixen, Trient (Oktober 1154)

      Gebiet von Verona (22. Oktober)

      ● Povegliano (26./27. Oktober)

      ● Gebiet von Brescia (19. November)

      ● Gebiet von Bergamo (23. November)

      Gebiet von Lodi (28. bis 30. November)

      ● Roncaglia (30. November bis6. Dezember)

      Gebiet von Mailand (7. bis 15. Dezember)

      Gebiet von Novara (22. bis 25. Dezember)

      Gebiet von Vercelli (Ende Dezember1154/Anfang Januar 1155)

      ● Casale Monferrato (3. Januar)

      ● Rivarolo Canavese (13. Januar)

      Gebiet von Turin (nach dem 13. Januar)

      Chieri (nach dem 13. Januar)

      ● Asti (1. Februar)

      ● Tortona (13./14. Februar bis 20. April)

      Pavia (24. April)

      Gebiet von Piacenza (Ende April)

      Gebiet von Cremona (Anfang Mai)

      ● Gebiete von Parma undPiacenza (5. Mai)

      ● Gebiet von Modena (5. bis 13. Mai)

      ● Gebiet von Bologna(13. bis 15. Mai)

      Gebiet von Florenz (nach dem 15. Mai)

      ● San Quirico (2. Juni)

      ● Tintignano (4. Juni)

      Acquapedente (nach dem 4. Juni)

      Grassano (8. bis 10. Juni)

      ● Rom (18./19. Juni)

      Magliano (nach dem 19. Juni)

      Farfa (nach dem 19. Juni)

      Gebiet von Tivoli (28./29. Juni)

      ● am Monte Soratte (1. Juli)

      ● Gebiet von Tivoli (nach dem 7. Juli)

      Spoleto (27./28. Juli)

      Ancona, Senigallia, Fano, Pesaro, Ravenna (August)

      Gebiet von Faenza (25. August)

      Imola, Bologna, Mantua (nach dem 25. August)

      ● Gebiet von Verona (Anfang September)

      ● Trient (7. September)

      Bozen,Brixen(7. bis 20. September)

      ● Peiting (20. September)

      (RI 4,2.1, Nr. 239–360)

      Weiter ging der Marsch über die Landgebiete von Brescia und Bergamo nach Roncaglia; dort lagerte das Heer vom 30. November bis 6. Dezember. Otto von Freising berichtet, daß Friedrich I. einen alten Brauch der deutschen Könige erneuerte, dem gemäß »an einem Mast ein Schild aufgehängt und durch einen Ausrufer (preco) des Hofes die Gruppe der Lehnsträger aufgefordert wird, in der nächsten Nacht beim König Wache zu halten. Ebenso