Mutterboden. Lotte Bromberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lotte Bromberg
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783945611081
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drangeklebt die angeblichen Bruderstaaten.«

      »Ukraine, Polen und so.«

      »Im Süden von Russland der Kaukasus.« Tanja zog in der Luft eine waagerechte Linie. »Erst der Große, weiter südlich der Kleine. Das ist eine Bergkette, nur falls Du nicht folgen kannst.«

      Oskar grunzte.

      »Dazwischen liegt Georgien.«

      »Sandwich.« Oskar schlug die flachen Hände aufeinander.

      »Siebenundachtzig Prozent des Landes sind gebirgig. Im Westen liegt das Schwarze Meer.«

      »Da ist doch die Krim?«

      »Unterbrich mich nicht.«

      Oskar lachte. »Das war schon in der Schule mein Problem. Keene Geduld.«

      »Klimatisch ist Georgien äußerst vielfältig. Subtropisch am Meer, kontinental weiter östlich.«

      »Heißer Sommer, trockenkalter Winter. Wie in Berlin.«

      »Sie haben viele endemische Arten. Also Pflanzen und Tiere, die es nur dort gibt.« Tanja lehnte sich zurück und kippelte auch mit dem Stuhl. Oskar sah aus dem Fenster auf die krumpelige Linde gegenüber. Sie bräuchten bald mal wieder Regen. Man konnte ja nicht die ganze Stadt mit der Gießkanne versorgen.

      »Georgien ist ein Vielvölkerstaat«, sagte Tanja, »wie die ganze kaukasische Region. Unübersichtlich viele Nachbarn und genauso viel Toleranz.«

      »Klingt schon wieder wie Berlin.«, sagte Oskar.

      »Das Problem sind die Großen. Georgien grenzt im Norden an Russland und im Süden an die Türkei.«

      »Noch mal Sandwich.«

      »Georgien ist eines der ältesten Siedlungsgebiete der Menschheit. Und es war immer umkämpft.« Tanja zog eine Schublade auf, entnahm ihr einen Apfel und bot ihn Oskar an, der abwinkte. »Medea kam von dort. Der Urapfel auch.«

      »Ist das die, die ihre Kinder abgemurkst hat?«

      Tanja biß herzhaft in den Apfel und nickte.

      »Eine Gegend für stolze Frauen«, sagte Oskar.

      »Überhaupt eine stolze Gegend«, sagte Tanja mit vollem Mund. »Und nicht mal grundlos. Sie haben eine eigene Sprache und ein eigenes Alphabet.«

      »Für soʼn paar Figuren? Sagtest Du nicht, die haben so viele Einwohner wie Bayern?«

      »Guram Geladse, Alikas Vater, war Chemiker an der Akademie der Wissenschaften in Tiflis. Dann kam Gorbatschow.«

      »Die Sowjetunion verpuffte.«

      »Nach der Unabhängigkeitserklärung ʼ91 ist er in die Politik. Der Nationalismus schoß über. Es gab Ausschreitungen gegen religiöse Minderheiten.«

      »Was sind denn die Georgier, Moslems?«

      »Christlich-orthodox, ist quasi Staatsreligion.«

      »Und die Moslems kriegten aufs Dach?«

      »Sie mußten alle Gotteshäuser an die christlich-orthodoxe Kirche übergeben. Und es gab Pogrome gegen Juden.«

      »Typisch.«

      »Alikas Mutter ist Jüdin. Deshalb hat Guram sie nach Berlin gebracht, über die Kontingentlösung.«

      »War nicht der Schewardnadse Georgier? Den mochte ich. Hat viel für den Mauerfall und die Einheit getan. War so ein sensibler Melancholiker. Wenn so die Georgier sind …«

      »Stalin war auch von da«, sagte Tanja. »Und Schewardnadse versank als nächster georgischer Präsident in der Korruption.«

      Oskar stöhnte.

      »2003 gab es die Rosenrevolution gegen Dein Sensibelchen.«

      »Erfolgreich?«

      »Guram ist mitmarschiert, direkt hinter Oppositionsführer Saakaschwili, der jetzt Präsident wurde und Guram zum Landwirtschaftsminister ernannte. Schien alles gut zu laufen, viele Georgier kamen aus der Fremde zurück.«

      »Klingt nach einem Aber. Wieder Korruption?«

      Tanja nickte. »2007 gabʼs die nächsten Massenproteste. Saakaschwili hat daraufhin, um von den inneren Problemen abzulenken, Russland provoziert.«

      »Bewährte Methode.«

      »Er ließ Oppositionelle auseinandertreiben und die Armee in der unabhängigen, von vielen russischstämmigen Georgiern bewohnten Region Südossetien einmarschieren.«

      »Und die Russen haben gesagt, piß mich nichʼ an, Zwerg.«

      »Unser Versöhner Guram hat Saakaschwili für den sinnlosen und verlorenen Krieg kritisiert, daraufhin wurde er kaltgestellt auf einem diplomatischen Posten in Armenien. Aber offensichtlich wußte er zu viel. Es gab zwei Attentate auf ihn. Beim zweiten verlor er seine linke Hand. Danach stieg er aus der Politik aus und ging in die Wirtschaft.«

      »Kluge Entscheidung. Er wollte die rechte behalten.«

      »Seit 2012 hat Georgien einen neuen Präsidenten und es geht bergauf.«

      »Und das alles ohne den Vermittler Geladse.«

      »Es mußte wohl jemand von außen kommen, der noch dazu so reich ist, daß Bestechung keine Rolle für ihn spielt. Jetzt gibt es eine freie, kritische Presse, Gesetze gegen Diskriminierung und die Justiz ist unabhängig.«

      »Gurams Familie könnte zurückkehren.«

      »Aber auf dem Land herrscht große Armut. Jeder zweite ist arbeitslos. Wäre Georgien nicht ein so fruchtbares Land, würden die Menschen hungern.«

      »Viel aufzubauen. Und Guram ist in der Wirtschaft.«

      »Soll ich mich um seine Arbeit von heute auch noch kümmern?«, fragte Tanja.

      »Wir haben erst einmal genug zu tun mit der politischen Zeit. Was war mit den Attentaten?«

      Tanja sah auf ihren Bildschirm. »Das erste war eine Schießerei in Tiflis vor der Akademie der Wissenschaften. Fünf Tote. Da wurden sogar Täter ermittelt. Angeblich war es Zufall, daß Guram gerade vor Ort war.«

      »Ach ja.«

      »Auch ihn hatte es schwer erwischt. Lag ein halbes Jahr im Krankenhaus. Er muß sehr willensstark sein, hat sich zurückgekämpft und war fortan für die Bevölkerung ein Held.«

      »Und das zweite Attentat?«

      »Er kommentierte von seinem diplomatischen Posten in Armenien Saakaschwilis Politik.«

      »Das konnte der sich natürlich nicht gefallen lassen.«

      »Zumal Guram weiter versuchte, seinem Land zu helfen. Brachte armenische Investoren nach Georgien, was auf dem Land Arbeitsplätze in der Landwirtschaft schuf. Er ist vom Land, vielleicht war er deshalb so engagiert. Aber den örtlichen Provinzfürsten gefiel das gar nicht. Sie hatten vorher schon alles untereinander aufgeteilt.«

      »Logo.«

      »Guram wurde noch beliebter und geriet auf der Rückfahrt vom Besuch eines georgischen Weinguts in einen Hinterhalt. Alle starben, auch die armenischen Investoren, bis auf ihn.«

      »Wie hat er das geschafft?«

      »Auf dem Weingut hatte man ihm als Dank für seine Arbeit eine schußsichere Weste geschenkt. Die Gastgeber bestanden darauf, daß er das Geschenk anprobiert.«

      »Starke Schutzengel.«

      »Seine linke Hand verlor er trotzdem. Und die Attentäter wurden nie gefaßt. Man vermutete einen bestochenen Bodyguard, zumindest wurde dessen Familie nach seinem Tod überraschend wohlhabend.«

      »Und wo suchen wir Guram jetzt?«

      »Bevor er verschwand, kam er aus dem Baltikum. Ist in Tegel gelandet und hat sogar in einem Berliner Hotel eingecheckt.«

      »Nicht