Mutterboden. Lotte Bromberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lotte Bromberg
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783945611081
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spürte ihre Wärme. Ihre Augen glühten.

      »Du mußt ihn finden, es geht ihm schlecht«, sagte sie. »Er wird das nicht lange überleben.«

      Hanna hörte die Lunge einer fetten Frau ab. Sie rasselte wie an Ketten. »Haben Sie die Medikamente genommen?«, fragte sie und guckte so ernst wie möglich.

      Die Frau hustete. »Hat mir einer geklaut.« Sie zeigte mit dem Finger auf einen Mann, der an der Tür saß. »Der da.«

      »Aber Trudchen«, sagte die Hebamme, »Beethoven klaut doch keine Tabletten.«

      »Woher willste denn das wissen? Von der Stasi?« Trudchen lachte heiser. »Fusel klaut er auch.«

      »Die lügt«, sagte Beethoven.

      Hanna ging zum Medikamentenkoffer. »Sie haben eine Lungenentzündung.«

      »Das müßte ich doch merken«, sagte Trudchen.

      »Du merkst gar nix mehr«, sagte Beethoven.

      »Haltʼs Maul.«

      »Ruhe, Ihr Zwei«, sagte die Hebamme.

      Hanna sah Trudchen in die verquollenen Augen. »Die Tabletten sind alle. Ich muß Ihnen eine Spritze geben.«

      »Nie im Leben.« Trudchen schob die dicke Unterlippe vor.

      »Willst Du an der Lungenentzündung sterben?«, fragte die Hebamme.

      »Bevor ick mir hier spritzen lasse, will ick erst ʼne zweite Meinung.«

      Die Hebamme lachte. »Dich läßt doch keiner in sein Wartezimmer, so wie Du stinkst.«

      Trudchen verschränkte die Arme. »Das wollʼn wer doch erst maʼ sehʼn.«

      »Also keine Spritze?«, fragte Hanna.

      Trudchen schüttelte den Kopf.

      »Und der Hautausschlag?«

      »Isʼ noch da. Gibtʼs dafür Tabletten?«

      »Du sollst den einreiben, Trudchen«, sagte die Hebamme. »Zieh die Hosen runter, dann mach ich das.«

      Trudchen stand ächzend auf und entblätterte sich. Der Pferdetransporter stank wie ein Kuhstall.

      »Hast Du die Salbe auch verloren?«, fragte die Hebamme.

      Trudchen grub in ihrer Jackentasche und förderte eine Tube hervor. »Bitte, Frau Genossin.«

      »Gib her, die Tube und Deinen Hintern.«

      Trudchen stützte sich mit einer verdreckten Hand an der Wand ab und streckte beides hin.

      »Ich glaub, ich geh dann mal«, sagte Beethoven.

      »Haltʼs Maul«, sagte Trudchen.

      Beethoven torkelte die Stufen hinunter und fiel in zwei Uniformierte. »Ach nee, die Bullen«, brüllte er mit dem Gesicht zum Transporter und fuchtelte mit den Armen.

      Hanna stürzte auf den Beifahrersitz.

      Die Uniformierten rangelten mit Beethoven.

      »Faß mich nicht an, Du Penner«, sagte der eine.

      »Für Sie immer noch Herr Beethoven, Wachtmeister.«

      Der Polizist stieß Beethoven zur Seite. »Personenkontrolle«, rief er und fuhr zurück vor Trudchens entblößtem Hintern. »Was zum Teufel …«

      Trudchen lachte heiser.

      »Guten Tag, Herr Wachtmeister«, sagte die Hebamme und rieb ungerührt den feuerroten Ausschlag ein, »Sie stören eine laufende Behandlung.«

      Sein Kollege sah ihm über die Schulter und verzog das Gesicht. »Wie das stinkt«, sagte er.

      »In meiner Suite isʼ die Wanne defekt.« Trudchen kicherte.

      »Hose hoch und zur Seite«, sagte der Polizist.

      »Sachte, sachte«, sagte die Hebamme und drehte konzentriert die Tube zu. »Fertig, Trudchen, kannst tun, worum der Wachtmeister so höflich bittet.«

      »Und Ihre Ausweise will ich sehen.«

      »Suchen Sie jemanden?«, fragte Beethoven, der nichts verpassen wollte und sich in den Transporter zurückquetschte.

      Der Polizist hielt sich eine Hand vor den Mund. »Uns wurde gesagt, daß sich eine Johanna von Bredow hier aufhält.« Er sah die Hebamme an. »Sind Sie das?«

      Trudchen und Beethoven lachten, die Hebamme wies auf den Fahrersitz. »Das ist unsere Putzfrau«, sagte sie.

      Trudchen gluckste, die Hebamme warf ihr einen scharfen Blick zu.

      Der Polizist stieg durch den Bus, darauf bedacht, nichts zu berühren. Er kontrollierte Hannas Ausweis und Führerschein. »Uns wurde zugetragen, Sie arbeiten hier als Ärztin.«

      Hanna klimperte mit den Wimpern. »Aber das darf ich doch gar nicht.«

      Der Polizist sah sie streng an. »Ich hoffe, das vergessen Sie nicht.« Er gab ihr ihre Papiere zurück. »Schließlich stehen Sie unter Mordanklage.«

      »Morgen ist der nächste Gerichtstermin«, sagte Hanna. »Und da ich so aufgeregt bin, wollte ich mich durch die ehrenamtliche Arbeit hier etwas ablenken.«

      »Als Fahrerin und Putzfrau«, sagte die Hebamme.

      Hanna nickte, Trudchen lachte, Beethoven applaudierte.

      »Warʼs das dann?«, fragte die Hebamme. »Weil, wir hätten hier noch zu arbeiten.« Sie klopfte Trudchen auf den Rücken, die bekam einen röhrenden Hustenanfall.

      Die Polizisten zuckten zusammen. Der eine zeigte mit dem Finger auf Hanna. »Wir behalten Sie im Auge.« Mit drohendem Blick ging er rückwärts zur Tür.

      Das war zu verlockend für Beethoven. Er streckte langsam die verdreckten, stinkenden Beine aus. Der Polizist stolperte, riß seinen wartenden Kollegen mit, sie fielen rückwärts aus dem Transporter in den roten Sonnenschirm und landeten im Rinnstein. Die arthritischen Troddeln stöhnten, die Polizisten schimpften.

      Beethoven sah ihnen hinterher. »Wir behalten Sie im Auge«, sagte er und schlug die Tür zu.

      »Du solltest mit dem kleinen Einmaleins anfangen, ich habe in Neukölln mein Abitur gemacht.« Oskar saß vor Tanjas Schreibtisch in der Keithstraße, wollte von ihr hören, was sie zu Gurams Hintergrund recherchiert hatte und kippelte mit seinem Stuhl.

      Er war zufrieden, wie sich ihre Zusammenarbeit entwickelte. Auch wenn ihm Tanja niemals so nah sein würde wie Jakob, es schnurrte. Sie waren inzwischen mehrfach in knifflige Situationen miteinander geraten, und nie war die junge Frau zurückgezuckt, wenn es mal unvermeidlich war, Gewalt anzuwenden. Ganz im Gegenteil hatte sie beherzt zugefaßt und noch besser, genau in den richtigen Momenten die Klappe gehalten. Tanja Wehland war zwar aus einem westdeutschen Provinznest, dessen Namen er sich nie merken konnte, aber sie war kein Weichei, was schon mal eine Menge war. Noch zehn, fuffzehn Jahre drauf und sie würde eine erstklassige Beuteberlinerin werden.

      Wenn sie sie denn nicht doch noch an den amerikanischen Cowboy mit seinen riesigen Rinderherden, fleckigen Gäulen und beachtlich großen Wiesen im kitschigen Montana verlören, von dem ihm Jakob erzählt hatte, und der ununterbrochen auf ihrem Handy anrief. Aber wenn sie irgendwann mal etwas weniger zu arbeiten hätten, würde er Tanja schon passenden Berliner Ersatz für ihren Cowboy suchen.

      Das war vermutlich auch so ein Mutterbodending. Oskar verstand nicht, welches Aufhebens die alle um ihre Heimat machten. Berlin war, wo er hingehörte, Punkt. Kein Drama nirgends. Und im übrigen, was waren schon die Sonnenuntergänge von Montana gegen den Berliner Vollmond über der Philharmonie und gegen den Arbeitsalltag mit den zwei wundervollsten Kommissaren des Jahrhunderts?

      »Also gut«, sagte Tanja. »Die Sowjetunion, längst untergegangen, aber Du erinnerst Dich?«

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