Feingeist. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: münchenMAFIAmord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783981837896
Скачать книгу
was passiert war. Ich kann das nur im Nachhinein berichten. Die schwarze Gestalt lief, vor Schmerzen laut winselnd wie hundert hungrige Kojoten in der Prärie von New Mexico, über die Maximiliansbrücke Richtung Parlament davon. Ihn zu verfolgen, machte wenig Sinn. Den würden die morgen identifizieren. Der musste ja irgendwann in ein Krankenhaus. Und zwar so schnell wie möglich, sonst …

      02:27. Es war an der Zeit, dass wir uns verdrückten, bevor die Sache Staub aufwirbelte. Ich hatte keine Lust, meinen Kollegen erklären zu müssen, woher die einzelne Hand mit dem Messer kam. Sie würden Fanny einschläfern. Dabei hatte er ‚nur‘ mein Leben gerettet.

      Schon zum dritten Mal in den letzten zwei Jahren.

      Da kann man doch verstehen, dass Fanny mein Ein und Alles ist, oder?

      Also verzogen wir uns auch blitzschnell. Es war unser Glück: kein Auto, kein Nachbar mit Schlafstörungen.

      Nichts.

      In meinem Luxusapartment angekommen, merkte ich, dass die Aktion auch Fanny an die Nieren gegangen war. Er legte seinen Riesenschädel auf mein Knie, so dass ich dort morgen einen blauen Fleck haben würde, schaute mich fragend an. Es war beschlossene Sache, dass das liebenswerte Viech die Nacht heute mit mir im Bett verbringen durfte.

      Ich verstand die sensible Seele meines Hundes.

      Immer!

      Es stand außerdem fest wie das Amen in der Kirche, dass der Anschlag nicht rein zufällig mir galt, sondern ausschließlich und gezielt mir. Sonst wären das der Zufälle zu viel. Und, ich sagte es schon, die gibt es in meiner Branche nicht. Das Wespennest hatte sich ausgeweitet. Der Staatssekretär musste jemandem gehörig auf die Nerven gegangen sein. Ich war mir schon jetzt ziemlich sicher, dass eine der unzähligen Mafia-Organisationen in unserer Stadt verantwortlich für die Morde sein würde. Fragte sich nur, ob es eine der italienischen Gruppen ist oder eine russische, kroatische, georgische, türkische, rumänische …

      Verdammt.

      Ich konnte die Gefahr jetzt ebenfalls riechen. Saurer Killergeruch, böse, brutal und gefährlich.

      Als ich noch in meiner Behörde war, hatten wir über 20 verschiedene Gangstervereine identifiziert, die ihr Business ziemlich professionell und mit bester technischer Ausrüstung von München aus betrieben. Fast jeder Mafiosi-Club ist auf ein Gebiet spezialisiert, aber untereinander miteinander konkurrierend, weil die Geschäftsfelder immer die gleichen waren: Prostitution, Drogenhandel, Geldwäsche, Menschenhandel, Wirtschaftskriminalität, Waffenhandel und Auftragsmorde.

      Schöne Scheiße.

      Nur menschlicher Dreck war unterwegs. Der stinkt. Und fast immer involviert: die ‚feine‘ Gesellschaft.

      Nein, die Finger machen die sich nie schmutzig, aber sie arrangieren, kontrollieren, finanzieren und partizipieren von den menschlichen Abgründen. Rechtlich geführt durch ihre Ärsche von Anwälten. Große Kanzleien mit viel Schnickschnack und Pseudokunst im Büro und besten Adressen. Briennerstraße, Maximilianstraße, Weinstraße, Theatiner. Protzen ist angesagt. München halt. Man zeigt, was man hat. Das hat sich in den Jahren nicht verändert. Im Gegenteil. Die Geschäftsfelder haben sich in den letzten zehn Jahren enorm ausgeweitet und wurden in jeder Hinsicht perfektioniert. Dank einer Technologie, die wir alle nutzen.

      IT.

      Wenn Sie verstehen, was ich meine …

      Dass der Wille im Drogenhandel tätig war oder da jemandem auf die Füße getreten hatte, war unwahrscheinlich. Logisch wäre es, dass er irgendwelche wirtschaftlichen ‚Unregelmäßigkeiten‘ im Bauministerium entdeckt hatte oder dass Geldwäsche im Spiel war. Schließlich gehen jährlich riesige Summen über den Tisch des Ministeriums. Es ist das größte in Bayern und hat über 900 Mitarbeiter. Die Geschäftsfelder sind weit gestreut: Hochbau, Straßen- und Brückenbau, Wohnungsbau, Städtebauförderung, aber auch, und das ist noch viel interessanter, öffentliche Sicherheit und Ordnung, der Verfassungsschutz und Cybersicherheit, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen. Da geht die Post ab! Milliarden fließen durch die Kassen des Ministeriums. Wen wundert es da, wenn es in den Behörden und Ministerien Personen gibt, die sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen.

      Während ich mich noch hin und her wälzte, schlief mein Retter Fanny den Schlaf des Gerechten.

      Er furzte, grunzte und jaulte.

      Vermutlich ging ihm der Angriff, der nur Sekunden gedauert hatte, durch seinen dicken Schädel.

      Danke, mein Freund!

      Das Problem lag bei mir. Wer auch immer die Willes erpresst und getötet hatte: Jetzt stand ich auf deren Liste. Und spätestens wenn der Armlose seinen Chefs berichtet, sollte ich mein Testament machen.

      Obwohl – wofür eigentlich? Bei mir gab es nichts zu holen. Bis auf den F-Type und Fanny …

      08:52. Ziemlich down wachte ich auf. Fanny hatte sich schon verkrümelt. Er lag nun unter dem Schreibtisch und beobachtete mich. Wie immer in letzter Zeit: die eine Vorderpfote über die andere geschlagen, so wie es die Dichter und Denker gerne tun, um vornehm und gebildet daherzukommen. Das machte Fanny seit wir beide mal kurz in Salzburg waren – das war mein erster Auftrag nach meiner LKA-Karriere – und für schlappe fünf Mille einen Autohändler für einen anderen Autohändler beobachten sollten, da hatte Fanny das in einem Café gesehen.

      Im ›Heart of Joy‹ in der Franz-Josef-Straße lag neben einer attraktiven Blondine ein süßer Mischling genauso vor dem Eingang. Elegant die Vorderpfoten übereinander geschlagen.

      Clevere Intelligenzbestie, dachte sich mein Mastiff, der den Kleinen mit zwei Happen hätte verschlingen können, was er aber nicht tat. Die beiden begrüßten sich wie alte Kumpels und schon hatte Fanny das Pfotenübereinanderschlagen übernommen und lag seitdem auch immer so elegant in der Gegend rum wie jetzt unter meinem Schreibtisch.

      Als ich mich aus dem Bett quälte, kam er sofort freudig grinsend auf mich zu und leckte mir quer über mein verquollenes Gesicht.

      Eine Dusche konnte ich mir heute sparen …

      »Na, Dicker? Alles wieder gut? Jetzt hast du Hunger, habe ich recht? Na komm schon, heute gibt es die doppelte Ration!«, versprach ich Fanny und suchte im Kühlschrank nach Fressbarem für uns beide.

      An meinem Entschluss, den Vorfall von letzter Nacht nirgends und niemandem gegenüber zu erwähnen, hatte sich nichts geändert. Ändern musste ich meine Taktik, meinen Aufmerksamkeitsgrad. Einfach durch Münchens Straßen bummeln und scharfen Hintern hinterherschauen, wäre jetzt kontraproduktiv gewesen. Fanny würde ab sofort immer und überall hin mitkommen. Er war meine Überlebensgarantie. Und nie mehr würde ich ohne meine Derringer Double Tap aus dem Haus gehen. Leicht, unauffällig, schlank, aus Titan und dennoch 9mm Kaliber. Durchschlagskraft enorm, nur zwei Schüsse im übereinanderliegenden Doppellauf. Absolut tödlich.

      Das musste jetzt sein.

      Als nächster Trip stand der Besuch bei der Untrainierten an. Werde sehen, was ich machen kann, damit sie wieder ins Training kommt. Fanny wird Fun haben, schätze ich mal.

      11:23. »Guten Morgen, Hanni!«, flötete ich mit sanfter Stimme, in meiner Stimmung eigentlich null Bock auf ‘ne Nummer habend.

      Hannelore hatte sich aufgemotzt. Ich hatte sie richtig eingeschätzt. Die war scharf wie ein japanisches Kai Shun Kaji Messer aus Damastener Stahl. Aber als sie Fanny sah, bekam sie wohl doch einen leichten Panikschub. Vielleicht dachte sie auch, dass ich ein Perverser sei.

      Egal.

      Wir drangen in ihr Wohnzimmer. Ich wieder auf die karierte Couch, Fanny legte sich sofort unter den Esstisch mit der karierten Plastikdecke, ein paar Meter abseits. Pfoten übereinandergeschlagen. Guter Hund! Weiß, was sich gehört. Abstand halten und beobachten. Aufmerksam sein. Das hatte ich ihm auf der Fahrt zu Hanni, der Trainergattin, noch einmal eingeschärft. Und Fanny verstand das. Hannelore hatte wieder von dem grässlichen Gebäck etwas stehen, dazu roch es nach Kaffee. Vermutlich Tchibo oder so‘n Zeug. Aber sie hatte auch einen Kräuterlikör angeschleppt.

      Wer steht denn