Feingeist. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: münchenMAFIAmord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783981837896
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sonst ansetzen?

      Klar, ich werde meinen Mann in der Ettstraße anrufen. Kriminalfachdezernat 1. Zuständig für Tötungs-, Brand- und Sexualdelikte. Das kann ich erst morgen machen. Wochenende ist heilig. Die Bullen haben es nicht leicht.

      »Fanny, du Pfeife, komm, lass uns ein wenig laufen!«, herrschte ich den nicht mehr so sehr beleidigten Mastiff an und zwang ihn, seinen massigen, aber durchtrainierten, muskelbepackten Body in Bewegung zu setzen.

      Ich brauchte dringend etwas für den Abbau meines Adrenalinspiegels. Noch hatte ich nicht vor, das Zeitliche zu segnen.

      Wir liefen die Isar aufwärts und keuchten beide, als ob uns der Teufel jagen würde. Wenn ich nur wüsste, wie der aussieht. Nimmt immer neue Gestalt an.

      In Russland sagen sie: „Der Teufel hat immer eine Kugel mehr im Lauf.“

      Herrliche Aussichten!

      Mit dem Gegner ist nicht zu spaßen. Mord ist immer das allerletzte Mittel, wenn der zur Ermordung Anstehende durch nichts mehr von seinem Plan, anständig zu bleiben oder problemlos mitzuspielen, abzubringen ist.

      Wille schien zu der aussterbenden Sorte Mensch gehört zu haben.

      Wirklich?

      Über den Arzt, der den Totenschein ausgestellt hatte, konnte ich absolut nichts in Erfahrung bringen. Der Grund? Den gab es gar nicht. Zumindest nicht unter dem Namen. Und da ich kein Bild von Dr. med. Erwin Kravatt hatte, konnte ich den auch nicht durch den Scanner der Polizei laufen lassen. Auch dazu hatte ich Zugang. Doch was nützte es? Weder im Münchener Ärzteregister gab es einen Kravatt noch im Bayerischen und auch nicht bundesweit. Es war eine scheiß Arbeit für meinen Mac mir zu sagen, dass es unter den rund 330.000 Ärzten in Deutschland keinen mit dem Namen gibt. Es dauerte fast zwölf Minuten, die ich auf die Antwort warten musste. Sie brachte mich keinen Schritt weiter.

      Das nervte.

      Fazit: Ich stand bei Null! Das war frustrierend und ich brach abrupt mein Joggingprogramm ab. Fanny stoppte, dass der Sand eine Nebelfront bis Garmisch bildete, und schaute mich fragend an.

      »Sag nichts, Köter. Ich bin sauer!« Dabei streichelte ich ihm über seinen riesigen Schädel und Fanny fing zu grinsen an.

      Wir waren wieder Freunde.

      Zwei Tote und ein Arzt, den es nicht gab, der aber einen Totenschein für eine junge Frau ausgestellt hatte, die, nicht nur nach Ansicht vom Vater, ermordet worden war. Also musste ich unauffällig an das Original des Papiers kommen und sehen, ob da noch Fingerabdrücke zu finden waren, die mich zu dem ‚Arzt‘ führen würden. Eine Obduktion von Gina Wille konnte ich nicht anordnen, müsste mir aber auch dazu etwas einfallen lassen, um sicherzugehen, dass die Behauptung des nicht freiwillig verblichenen Staatssekretärs und meine Vermutung stimmten.

      Das wird sich arrangieren lassen, aber nicht mehr heute.

      Still trabten wir zurück zur Villa der Familie Fischer. Musste ich mir wirklich Sorgen um mein eigenes Leben machen? War ich durch meine kurze Begegnung mit Wille in ein Wespennest getreten, dessen Bewohner mich stechen konnten? Ich stimmte mit Fanny ab und wir waren beide für „Ja“.

      Scheiße. Wieder einmal Gefahr für Anna.

      Als Erstes ging ich am Montagmorgen zu meiner Bankfiliale. Die würden sich riesig freuen, wenn mein Konto endlich wieder schwarze Zahlen auswies. Die Ärsche waren nur deshalb noch freundlich zu mir, weil sie meinen Job kannten. Als erster Hauptkommissar, Besoldungsgruppe A13 im höheren Dienst, hatte ich mit Zuschlägen, die fast höher als mein Gehalt waren, immer so um die 5.000 € netto überwiesen bekommen. Bei Auslandseinsätzen noch ‘nen Tausender drauf. Beamter, dachten die sich. Kann nichts anbrennen. Dass die mich beim BLKA gefeuert hatten, sagte ich denen nicht. Wozu auch? Aber der geschniegelte Affe auf seinem geschniegelten Bürosessel, an seinem geschniegelten, leeren Schreibtisch, der aussah wie sein Gehirn, ahnte, dass mit mir etwas nicht stimmen würde, weil nur noch unregelmäßig Geld einging. Auch da trickste ich, aber das ging die nichts an. So lange ich noch konnte, hob ich von meiner Dienst-Kreditkarte, die das LKA erst sechs Wochen nach meiner Entlassung angemahnt hatte, so viel Geld wie möglich ab und zahlte es gleich wieder cash auf mein Konto ein. Das sah dann für den Geschniegelten so aus, als ob immer noch Kohle da sei. Funktionierte leider nicht lange.

      Fuck off.

      Irgendwann in ein paar Jahrzehnten würden die meine Pension auf ihre dämliche Filiale überwiesen bekommen. In schöner Regelmäßigkeit. Immerhin fast vier Mille. Mindestens. Alle vier Wochen. Aber das würde noch eine Zeit dauern.

      Rechtsstreit mit dem Staat!

      Was sagt uns das …?

      Fröhlich begrüßte ich den Geschniegelten. Zwanzig Mille wären jetzt wunderschön. Die müssten ja da sein.

      Niente!

      Der Sesselfurzer grinste, aber nur kurz, denn Fanny schaute ihn an, als ob des Sesselfurzers letztes Stündchen geschlagen haben könnte. Also bewilligte er mir ‘nen Tausender und ich holte mir die Kohle an der Kasse bei einer adretten, mich immer anlächelnden Blondine im gestreiften Kostüm ab. Sie wartete schon seit Ewigkeiten darauf, dass ich sie mal auf einen Drink einladen würde und schaute bei der Auszahlung nicht auf die Noten, sondern auf meinen Schritt. Aber die war nicht mein Typ.

      Da hatte Anna Glück.

      Ich tankte den Boliden voll, 80 Liter für 112 Euro. Fanny war selig, wieder neben mir sitzen zu dürfen, und wir fuhren nach Unterhaching. Auf dem Weg dorthin rief ich meinen Kumpel in der Ettstraße an. Er hatte Zeit. Wir würden uns später zu einem Espresso im ›Brenner‹ auf der Maximilianstraße treffen. In dem Laden fällt man am wenigsten auf.

      Da treffen sich Bürohengste, Makler jeder Art, Zuhälter, Anwälte, Nutten, Models, Professoren, Banker und nichtsnutzige Damen, deren Kerle sich bei XY für kleines Geld – nicht mal ‘ne Mio pro Jahr! – abrackerten, und Touristen. Ein menschliches Sammelsurium. Herrlich. Manchmal dachte ich mir, ich sollte da Klunkerzoll verlangen, so viel Rolex & Co. wurden dort täglich zur Schau gestellt …

      »Sind Sie Frau Wille? Also ich meine, die ehemalige Frau Wille?«, fiel ich mit der Tür ins Haus. Ich hielt ihr meinen – gefälschten – Presseausweis unter die Nase und gab ihr dazu mein Kärtchen, das mich als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung auswies. Überreichte ihr einen Strauß weißer Chrysanthemen und sprach ihr mein Beileid aus. Alles in einem. Ich bin da nicht sehr taktvoll, denke ich mal. Die Frau schaute mich mit kalten Augen an. Keine Regung. Puh, dachte ich mir, die werden wohl nicht im Guten auseinandergegangen sein. Das ist auch kein Wunder.

      Und jetzt? Beide hin.

      Erst die Tochter, dann ihr Ex. Wer weiß, weshalb die sich hatten scheiden lassen.

      »Kommen Sie rein«, sagte die Witwe und ich ging an ihr vorbei direkt in das Wohn-Esszimmer; der Trainer schien beim Training zu sein. Ich setzte mich ungefragt auf die karierte Couch. Frau Wille, die jetzt auf den äußerst seltenen Namen Schneider hörte, ging in die Küche, suchte nach einer passenden Vase für die Chrysanthemen. Ich hatte den Eindruck, dass sie eher durch den Wind war als so kühl, wie ihre Augen das aussagten.

      Außerdem trug sie ein interessantes Parfüm. Italienisch. Dafür habe ich eine Nase.

      »Wollen Sie einen Kaffee, Herr …«

      »Michelsky, Frau Schneider, André Michelsky.«

      »Na, wenn Sie schon hier sind, mache ich uns einen.«

      Die Blumen hatte sie inzwischen auf einem ziemlich hässlichen Sideboard abgestellt. Geschmack war nicht ihre Sache. Dort standen auch mehrere Fotos der Familie. Kaum war sie in der Küche verschwunden und ich hörte die Kaffeemaschine zischen, durchsuchte ich den Raum. Machte Fotos von den Bildern, die dort standen, durchwühlte die Schubladen. Nichts. Pure Langeweile im Haus des Trainers und seiner Second-Hand-Angetrauten. Vielleicht würden mir wenigstens die Bilder etwas sagen. Zu spät.

      Schon war die fleißige Hausfrau da. Die obligatorischen Kekse vom Aldi oder Tengelmann fehlten nicht, Sahne zum Kaffee, der sogar einigermaßen