Feingeist. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: münchenMAFIAmord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783981837896
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      Ablenken.

      Anna beglücken.

      „…and moonbeams and a fair tale – that‘s all she ever thinks about…

      Ich war ganz in Gedanken bei dem Staatssekretär Wille und konzentrierte mich gleichzeitig auch irgendwie auf die Musik. Ätzend laut. Die volle Dröhnung, die brauchte ich jetzt.

      Wer ist Staatssekretär Wille …?

      Seine Tochter umgebracht? Ich switchte gedanklich zu Anna. Was wäre, wenn sie …

      Nein, nur nicht zu Ende denken.

      Anna, die Träumerin: …and moonbeams and a fair tale – that‘s all she ever thinks about…

      Ja, so ist sie. Immer in fernen Welten. Eine Träumerin.

      15:57. Wie ich in die Geiselgasteigstraße einbiege, sehe ich schon von weitem auf der Höhe zur Einfahrt in die Bavaria Filmstadt Blaulicht. Ich drossele das Tempo und den Sound – gerade läuft „Superstition“ mit Steve Ray Vaughan, was mich normalerweise zum Gasgeben veranlasst hätte – und rolle langsam an die Stelle des Blaulichts.

      Ein Unfall.

      Armageddon am Sonntagnachmittag.

      Ich werde durchgewinkt. Sehe den Blick des Bullen. Der denkt sich: Junger Schnösel. Jaguar und Ray Ban. Typisch Grünwald. Muss einer von den Schicki-Micki-Idioten sein!

      Dann sehe ich ein total zerstörtes Auto.

      Nur ein Auto.

      Marke? Schwer zu erkennen. Es sind nur noch Reste zu sehen. Wie nach einer Explosion. Aber da ist das Nummernschild. München Land. Das hatte ich mir vor nicht einmal 50 Minuten an der Bavaria eingeprägt:

      Staatssekretär Wille! Polizei, Feuerwehr, ein Abschleppwagen, ein Krankenwagen. Neben dem Auto ein grauer Blechsarg.

      Ein Unfall …?

      Ich bin viel gewohnt; ein „cooler Hund“, wie meine Ex-Kollegen mit einer gewissen Achtung sagten, und dennoch. Immer wieder ein leichter Schock.

      Der Achtzylinder grummelt vor sich hin, Stevie Ray Vaughan lässt seine Gitarre aufjaulen. Die Stimmung passt. Sie ist zerstörerisch/traurig. Mein dunkelgrüner F-Type SVR rollt gemächlich die Nördliche Münchner Straße entlang, bis ich, ohne zu blinken, nach rechts in die Dr.-Max-Straße einbiege.

      Ich bin mir sicher, es mit einem besonderen Fall zu tun zu haben. Es gibt in meiner Branche keine Zufälle …

       II

      FANNY zeigte keinerlei Gemütsregung, als ich wieder auf das Grundstück in Grünwald rollte. Diesmal ohne Potenzgeheule des Achtzylinders; man muss ja seine Fast-Schwiegereltern nicht immer ärgern, oder? Noch dazu, wo sie letztlich den PS-Protz bezahlt haben.

      Anna wollte ihrem Alten den Mittelfinger und so …

      Seine Kohle. Hassliebe.

      Dafür zeigte die Anlage – Digital Surround Sound System 770W – in dem F-Type, was sie drauf hat. Massiver Lärm drang aus den geöffneten Fenstern des Jaguars: Das Dach des Pavillons, an dem ich vorbeifuhr, wölbte sich leicht.

      Oder doch nicht?

      Kaffeetassen klirrten.

      Zu viel Bass & Drums.

      „Voodoo Child“, ursprünglich von Jimi Hendrix. Nun vom Texaner Stevie Ray Vaughan, einem Verrückten, der auch schon lange tot ist, gesungen. In einem ziemlich abgefahrenen Mix eines New Yorker DJs.

      Fanny reagiert grundsätzlich immun auf Lärm, war aber noch immer sauer, dass ich ihn zu der Spritztour nicht mitgenommen hatte. Erst Minuten später, ich hing bereits über meinem Laptop, warf er mir einen verächtlichen Blick zu. Und wieder ließ er seinen massigen Schädel fallen. Ich sag‘ nur Holzkirchen.

      Sie wissen schon …

      Und die Fischer erst.

      Die war angefressen …!

      Las in irgendeinem Scheißblatt. Klatsch und Tratsch. Strafte mich mit der gleichen Verachtung wie der Köter. Weil ich nichts gesagt hatte, ihr keinen Kuss gab, als ich kam und mich sofort über den Laptop stürzte.

      Die Sache war heiß. Zu heiß.

      No time for love, Baby!

      „…If I don’t meet you no more in this world then uh / I’ll meet ya on the next one / And don’t be late / Don’t be late / ‘Cause I’m a voodoo child voodoo child…

      Tochter tot.

      Der Mann sagte mir das – und dreißig Minuten später ist auch er tot.

      Das heißt, ‚die‘ hatten den auf dem Radar. Spätestens seit dem Mord an seiner Tochter Gina. Vermutlich viel früher. Die Tochter war ein Warnschuss für ihn, den er nicht als solchen begriffen hatte.

      Der Wille hatte recht:

      Ohne es geprüft zu haben – die junge Dame war nicht eines natürlichen Todes gestorben. So viel steht fest.

      Der muss echt einer großen Sache auf der Spur gewesen sein. Leider kann er nichts mehr sagen. Ich dachte, dass ich ihn noch mal treffen würde. Allerdings nicht so wie eben … Und ‚die‘ haben Mister Staatssekretär beobachtet. Wissen natürlich, dass er sich mit mir getroffen hat.

      Fuck.

      Keine Amateure. Die hatten ihn per GPS immer auf dem Schirm. Und ‘ne feine, kleine Bombe in seiner Karre. Aber warum haben sie die erst gezündet, nachdem er mir seine Message übergeben konnte? Ungewöhnlich. Ich muss vorsichtig sein, verdammt vorsichtig! Ich denke, ‚die‘ wollten mir ein Zeichen geben …

      … Wenn du dich einmischst, Daniel Richter, bist du der nächste Kandidat für ‘nen Sarg.

      Fuck!

      Doktor: Du hast einen neuen Fall.

      Jedenfalls hatten ‚die‘ es geschafft, mir den Sonntag zu verderben.

      »Süße, ich muss nachdenken. Fanny wird mich begleiten. Ich laufe ein bisschen am Isar-Hochufer, okay?«

      »Richter, du bist ein Arschloch!«

      Was für ein Sonntag!

      Sonntag. Merde.

      Mein Schädel schien halb ausgeschaltet zu sein. Was bin ich für ein Blödmann. Treffe mich mit einem, den ich vorher nicht abcheckte. Das passiert mir Montag bis Freitag nicht! Ich hatte auf Relaxen geschaltet.

      Da war mein untrügliches Gefühl, dass der, der mich anrief, etwas Interessantes hatte. Das hat man im Urin oder auch nicht. Meine Blase und meine Nase waren geschult auf Zwischentöne zu achten. Oder waren es die Ohren? Ich meine wegen der Zwischentöne? Nur deshalb habe ich mich mit dem Unbekannten getroffen. Aber gleich auf zwei Tote, bin ich wahrlich nicht scharf …

      Mein Surfen durch die für die Allgemeinheit nicht zugänglichen Quellen war bislang nicht besonders ergiebig. Ja, ich wusste nun, wer der Staatssekretär Diplom-Ingenieur Architekt Fred Wille war. Seine Schule, Studium, Karriereleiter. Zwei Jahre hatte Fred Wille im Ausland gearbeitet. Hatte den Bau der neuen Botschaft in Madrid überwacht. Irgendeine bayerische Baufirma, die mir nichts sagte, die Bavarian sowieso AG, bekam damals den Zuschlag. Nix Besonderes, der Wille. Beamter halt. Wie ich es auch mal war … Besonderheiten: parteilos. Der typische Karrierist. Nur nicht anecken. Immer rauf auf der Leiter.

      Was hatte er nun davon?

      Im Blechsarg?

      Die Reste eingesammelt?

      Familie fast ausgelöscht?

      Die geschiedene Frau. Auch die checkte ich. Sie war inzwischen mit einem Trainer eines Fußballklubs in Unterhaching verheiratet. Kleinbürgerliches Leben. Das Reihenhaus war vermutlich