„Sind nur ein paar lausige Buchstaben“, wehrte der Profos ab. „Da kann der Unterschied nicht allzu groß sein. Aber trotzdem behaupte ich noch immer, daß du das alles auch in einem Satz hättest sagen können.“
Die beiden stritten weiter miteinander herum.
Hasard gab inzwischen Dan O’Flynn ein Zeichen und lauschte weiter dem Disput Kutscher-Carberry, denn der wurde immer logischer, besonders von seiten des Profos, der wieder mal mit Argumenten glänzte, daß es einem die Stiefel auszog.
Dan O’Flynn hatte verstanden und winkte das Bumboot heran, sonst wäre es wirklich noch unter der Kimm verschwunden.
Sie luvten ein wenig an und gingen in den Wind, damit das kleine Versorgungsschiff mithalten konnte.
„In einem Satz läßt sich so etwas nicht sagen“, nahm der Kutscher den Faden wieder auf. „Das würde sonst kein Mensch kapieren.“
„Jedenfalls hättest du das mit den Lebensmitteln klarer ausdrücken können, dann hätte es keinen Streit mit den Proviantbrüdern gegeben.“
„Mit den Brüdern hat es ja auch keinen Streit gegeben, weil die schon lange nicht mehr leben. Störtebeker, der Freiherr von Alkun also, wurde bekanntlich vor rund zweihundert Jahren enthauptet. Und mit jemandem, der so lange tot ist, kann man wohl kaum streiten“, sagte der Kutscher spöttisch. „Das beweist mir nur wieder einmal, daß du nicht weiter denkst als bis ans nächste Schott.“
„Aber du denkst weiter, was?“ ereiferte sich der Profos. „Du feuerst mit Fremdwörtern rum, bläst deinen Wanst auf und spielst den Gelehrten, nur wen du den großen Macker raushängen willst. Wenn du einen Schluck Wasser trinkst, sagst du ja auch nicht: ‚Ich gestatte mir, meine Kehle mit einer Dosis Aqua anzufeuchten‘, oder?“
Die Kerle auf dem Achterdeck begannen zu grinsen.
Doch dann wurde der Disput unterbrochen, noch bevor der Kutscher etwas erwidern konnte.
Mac Pellew tänzelte heran. Er ging nicht, er tänzelte wahrhaftig, und das sah neckisch genug aus, wie er stehenblieb und ein essigsaures Grinsen auf sein Gesicht zauberte.
Er trug Kürbishosen, dazu ein rotes Wams, und auf den Kopf hatte er sich einen Hut mit einer langen wippenden Feder gesetzt. An seinen dürren Beinen trug er Schnallenschuhe.
„Spielst du hier den königlichen Hofnarren?“ fragte der Profos anzüglich. „Oder was soll dein dämliches Grinsen? Du siehst übrigens mit den Kürbishosen zum Schreien aus – wie ein Kürbis auf zwei Stelzen.“
„Da solltest du dich erst mal sehen“, schnappte Mac zurück. „In deinen Kürbishosen scheint ein Elefantenarsch zu stecken, der mit zwei dorischen Säulen herumtrampelt.“
Carberry grinste den Zweitkoch an.
„Deine Strümpfe schlagen auch Falten“, stellte er fest. „Du solltest deine Gräten vielleicht mal mit ein bißchen Werg auspolstern.“
„Heute sagen sich alle nur Artigkeiten“, erklärte der Kutscher. „Was ist los, Mac? Laß dich nur nicht vom Profos verbiestern, der hat heute offenbar seinen schlechten Tag.“
„Was los ist? Ha, der Profos kann mich mal, ich habe nämlich soeben etwas entdeckt. In dem Proviantboot befindet sich ein Frauenzimmer! Und was für eins!“ Mac drehte sich und deutete mit den Händen Kurven an, die beschreiben sollten, wie gut ausgestattet das Frauenzimmer mit allem war.
Augenblicklich war der Streit vergessen und die Köpfe aller fuhren herum. Augen stierten auf das Bumboot.
„Ihr braucht gar nicht so die Klüsen aufzureißen“, tönte Mac. „Ich habe die Lady zuerst entdeckt und lasse sie mir auch nicht so einfach wegnehmen. Außerdem hat sie ohnehin schon längst ein Auge auf mich geworfen.“
„Dann hat sie ja nur noch eins“, sagte der Profos grinsend. „Aber was heißt hier, du läßt dir nichts wegnehmen? Ist das vielleicht deine Lady, du verkorkster Spanier?“
„Sie wird meine“, verkündete Mac. „Ein feuriger Blick, und schon ist sie dahingeschmolzen wie Fett in der Pfanne. Ha, bei dem Anblick könnte ich glatt zur Harfe greifen und Verse schmieden.“
„Du kannst nicht mal Nägel schmieden, du lausiger Schürzenjäger“, brummte der Profos. „Kaum sieht diese angesengte Miesmuschel ein Weib, schon gehen ihr sämtliche Gäule durch.“
Der Profos mußte sich allerdings eingestehen, daß das Frauenzimmer wirklich Rasse hatte. Sie stand an Deck und blickte mit halboffenen Lippen auf die Schebecke. Sie hatte lange schwarze, bis auf die Schultern herabfallende Haare, eine schmale gerade Nase und einen verlockenden Kirschenmund. Ihre Augen waren dunkel, fast schwarz. Die Lady trug eine recht offenherzige rote Bluse, die an der Taille zusammengeknotet war. Ihr blaues Röckchen bedeckte gerade noch die Knie, und sie hatte schlanke, wohlgeformte Beine.
Alles in allem wirkte sie sehr „verkaufsfördernd“, denn Kerle, die auf dem Bumboot einkauften, starrten mehr die Señorita an, als daß sie auf die Preise achteten.
Fünf Männer befanden sich noch auf dem Boot. Einer stand am Ruder, zwei andere bargen gerade die kleinen Segel, als sie anlegten.
Mac Pellew pumpte seinen Brustkasten auf. Viel gab es da nicht zu pumpen, und damit er etwas breiter wurde, zog er auch den Hals noch etwas zwischen die Schultern.
Dann bombardierte er die Lady mit feurigen Blicken und stierte lüstern auf die Hügel, die sich unter der roten Bluse abzeichneten. Die war zwei Knöpfe weit geöffnet, was Mac Pellew veranlaßte, sich so weit übers Schanzkleid zu beugen, daß er fast frei in der Luft hing und beim nächsten Überholen über Stag gegangen wäre. Zu seinem Glück war die See aber ruhig.
Die Frau grüßte artig mit einem anmutigen Kopfnicken. Die Männer grüßten ebenfalls sehr höflich.
„Sie hat mir zugenickt“, erklärte Mac. „Sie hat sich sofort in mich verliebt.“
„Ausgerechnet dir“, grollte der Profos. „Sie hat allen zugenickt, und das hat weiter überhaupt nichts zu bedeuten. Das ist reine Höflichkeit.“
„Ich kenne die Frauen besser als du“, widersprach Mac. „Sieh nur, wie sie mich anschaut.“
Die Lady warf Mac tatsächlich einen Blick zu und musterte ihn. Dann verzogen sich ihre roten Lippen zu einem Lächeln.
Mac Pellew blies sich noch mehr auf und stolzierte wie ein Pfau auf dem Deck hin und her. Er hatte seinen schwärmerischen Blick drauf und lächelte zurück.
Der Profos mußte dieses Lächeln natürlich wieder anders deuten.
„Du grinst wie ein ausgestopfter Bilgenfrosch, der ’ne Zitrone im Maul hat“, lästerte er.
Damit konnte er Mac Pellew aber nicht treffen, denn der war beim Anblick der Lady über alles erhaben und sah hoheitsvoll über das Lästermaul hinweg.
Hasard beobachtete die Männer aus schmalen Augen. Auch das Schiff hatte er bereits einer gründlichen Musterung unterzogen. Es gab keine einzige Kanone an Deck, auch keine Drehbassen. Nicht einmal die Halterungen dafür waren zu erkennen.
Aus seiner erhöhten Position konnte er auch in den Stauraum blicken, wo sich alle möglichen Waren stapelten.
Er hielt nach einem eingezogenen Zwischendeck Ausschau, ähnlich jenem, wie die Piraten im Adriatischen Meer eins gehabt hatten.
Ferris sah den Blick des Seewolfs und schüttelte den Kopf.
„Keine doppelten Böden, Sir“, sagte er. „Ich habe schon überall hineingesehen. Es gibt nur noch drei kleine Kammern ganz achtern, und ich glaube nicht, daß sich da jemand versteckt hält.“
„Angeborenes Mißtrauen“, sagte Hasard. „Weiter nichts. Aber es ist ganz gut, wenn man auf Kleinigkeiten achtet. Sie haben uns schon mehr als einmal das Leben gerettet.“
„Das