„Dann will ich mich auch entschuldigen“, schniefte Mac gerührt. Er griff in das rote Wams und brachte eine Flasche zum Vorschein. Sie enthielt Parfum, das er auf dem Bumboot gekauft hatte.
„Das ist für dich, Eddylein“, sagte er, „damit du immer gut riechst, wenn mal eine Lady in der Nähe ist. Das überdeckt auch den Geruch von den Eiern, die dir auf die Birne gefallen sind. Und wenn du dich rasierst, dann kannst du es auch benutzen, das erfrischt so angenehm.“
Diesmal war der Profos sehr gerührt. Er umarmte sein liebes Mackileinchen noch einmal herzhaft und bedankte sich überschwenglich.
„Jasminduft“, sagte Mac stolz, als der Profos neugierig das Fläschchen öffnete und daran schnupperte.
„Ah“, sagte der Profos, „das duftet, das Wässerchen. Jasmin, das ist meine Lieblingsfarbe, äh – mein Lieblingsduft, meine ich natürlich. Das riecht einfach himmlisch.“
Der Profos goß etwas von dem Duftwässerchen in seine riesige Pranke und fuhr sich damit durch das Gesicht. Dann schnupperte er begeistert.
Smoky verließ gerade nichtsahnend die Kombüse. Er trat an Deck, schnüffelte mißtrauisch und sah sich nach allen Seiten um.
„Heilige Seeschlange“, sagte er entgeistert. „Was stinkt denn hier so entsetzlich? Das riecht ja wie ein Misthaufen mit Veilchen.“
„Misthaufen mit Veilchen?“ fragte der Profos. „Wiederhole das noch einmal, du dillgetränkte Seegurke, dann wickel ich dich achtmal ums Bratspill und häng dich ins Gei.“
„Na ja“, sagte Smoky abschwächend, „es riecht ein bißchen nach abgestandener Jauche. Oder habe ich was Falsches gesagt? Was ist denn hier überhaupt los?“
„Mac hat dem Profos Parfum geschenkt“, sagte der Kutscher grinsend. „Damit er besser duftet. Jasminblütenparfüm ist das.“
„Ja, wenn das so ist“, meinte Smoky trocken, „dann muß ich mich wohl verrochen haben.“
„Das will ich auch schwer hoffen“, knurrte der Profos. „Ich lasse Mac doch nicht beleidigen, wo der soviel Geld für mich ausgegeben hat. Stimmt’s, Mackileinchen?“
Mac bestätigte lebhaft, daß es stimme. Das Wässerchen sei nicht gerade billig gewesen.
Smoky sagte nichts mehr. Mit dem Profos kam er heute sowieso nicht klar, der war einfach undurchschaubar geworden. Aber er fand, daß es doch entsetzlich stank, und dieser Gestank, den Ed als „lieblichen Duft“ bezeichnete, durchdrang das gesamte Schiff. Aber das behielt er lieber für sich.
Er stellte aber mit einem feinen Grinsen fest, daß auch etliche andere sehr bedenkliche Gesichter zögen, sobald sie am Profos vorbeigingen. Der Geruch behagte ihnen offenbar ebenfalls nicht.
José, der ältere Mann auf dem Bumboot, erschien nach einer Weile wieder an Deck. Er wirkte immer noch sehr verstört und ließ sich erst dann blicken, als die Schebecke nur noch als Strich zu erkennen war.
„Was soll dein seltsames Benehmen?“ fragte die schwarzhaarige Señorita. „Willst du uns nicht sagen, was passiert ist? Das mit deinem Herzanfall war doch nur ein Vorwand.“
„Ja, es war nur ein Vorwand“, sagte José erleichtert. „Aber jetzt sind wir reich und können ein paar lange Jahre ohne das Bumboot auskommen.“
Die vier anderen Männer und die Frau sahen ihn verständnislos an.
„Kannst du das etwas klarer ausdrücken?“
„Ich war vor Jahren Kundschafter Seiner Majestät des Königs, das ist euch ja bekannt.“
Als die anderen nickten, fuhr er fort: „Auf der Schebecke achteraus befindet sich ein Mann, den ich kenne, der mich aber offenbar nicht erkannt hat, obwohl er sich persönlich um mich bemühte. Vielleicht hat er mich auch nicht erkannt, weil ich inzwischen älter geworden bin und er sich kaum verändert hat. Es ist Don Juan de Alcazar im Range eines Generalkapitäns, ausgestattet mit Sondervollmachten der Casa Contratación. Er war Sonderbeauftragter der spanischen Krone und hatte den Auftrag, El Lobo del Mar zu fangen und nach Spanien zu bringen, wo man ihn aburteilen würde.“
„Schön und gut“, sagte die Señorita, „aber was hat das mit unserem plötzlichen Reichtum zu tun? Wenn wir Lobo del Mar gefangen hätten, könnte ich das ja noch verstehen, aber dieser Mann …“
Sie ließ den Rest offen und sah José fragend an.
Dem war von der Aufregung jetzt nichts mehr anzusehen. Er hatte sich wieder ganz in der Gewalt.
„Für den Mann mit den schiefergrauen Augen und der sehnigen Statur hat die spanische Krone eine Belohnung von zehntausend Reales ausgesetzt. Das Geld gehört dem, der die Behörden auf ihn hinweist und wird nach seiner Ergreifung ausgezahlt.“
„Zehntausend Reales?“ fragte ein anderer entgeistert. „Und dafür brauchen wir nichts weiter zu tun, als den Kerl den Behörden zu melden?“
„So ist es.“
„Was hat er denn verbrochen?“ fragte die Señorita neugierig. „Er sah gar nicht wie ein Gewaltverbrecher aus.“
„Er segelte vor fast genau vier Jahren mit der ‚Santissima Maria‘ nach Havanna und sorgte dort für einigen Wirbel. Dann verschwand er ganz plötzlich. Später wurde mir zugetragen, daß er mit Lobo del Mar zusammen gesehen wurde, ein paar Male. Er soll auch auf einem seiner Schiffe gefahren sein. Man sprach davon, daß die beiden sich verbrüdert hätten und gemeinsam gegen Spanien kämpften. Ich weiß das alles so genau, weil ich selbst einmal Mitglied der Hohen Casa war.“
„Das ist ja ein Ding“, sagte einer andächtig. „Dann ist er also ein Staatsfeind.“
„Ja, natürlich. Deshalb auch die hohe Belohnung. Man hat jahrelang nach ihm geforscht, aber die Spuren verliefen immer wieder im Sande. Jetzt ist er zurückgekehrt, aber gewiß nicht, um in Spanien zu bleiben. Er will sich auf einer Mauren-Schebecke durch die Straße von Gibraltar mogeln. Der Teufel mag wissen, wie er aus der Karibik ins Mittelmeer gelangt ist.“
„Was tun wir denn jetzt – ihn denunzieren?“
„Was heißt hier denunzieren?“ empörte sich José. „Ich tue nichts weiter als meine vaterländische Pflicht, wenn ich das melde. Das hat mit Denunzieren absolut nichts zu tun.“
Die Señorita sah José durchdringend an. Sie bewies gleich darauf, daß sie ein helles Köpfchen hatte.
„Du sagtest, dieser Don Juan habe sich mit Lobo del Mar verbrüdert oder verbündet.“
„Das ist eine feststehende Tatsache.“
„Könnte es nicht sein, daß sich El Lobo del Mar ebenfalls an Bord der Schebecke befindet? Mir läuft regelrecht ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke.“
José schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Nachdem ich de Alcazar erkannt habe, hielt ich gleich Ausschau, aber Lobo del Mar war nicht auf dem Schiff.“
Die Señorita blieb hartnäckig. „Vielleicht hatte er sich unter Deck verborgen.“
„Ein Lobo del Mar versteckt sich nicht, meine Liebe, der nicht.“
„Es gibt noch eine andere Möglichkeit“, sagte einer der Decksleute. „Daß auf der Schebecke Spanier waren, steht außer Zweifel. Es könnte ja sein, daß sie de Alcazar gefangen haben und in den nächsten Hafen bringen.“
Bei José löste diese Vorstellung leises Gelächter aus.
„Was würdest du denn tun, wenn du ihn an Bord deines Schiffes hättest?“
„Ich würde ihn in Eisen schließen und einsperren.“
„Na, siehst du! Dann erübrigt sich jede weitere Diskussion. Kein Kapitän wäre so dumm, ihn an Deck herumspazieren zu lassen. Dazu ist dieser Mann viel zu gefährlich.“