Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
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am Ufer der Bucht, und sie haben immerhin noch einige Jollen, mit denen sie weiteres Unheil stiften können, solange die ‚Isabella‘ hier in der Bucht festgenagelt ist. Deine Einsatzbereitschaft in Ehren, Ed, aber es muß auch dir in den Kopf gehen, daß wir handeln müssen, nicht ihr.“

      „Meinetwegen“, brummte Carberry. „Hölle, ich kapier’s ja auch, aber es ist großer Mist, daß uns so die Hände gebunden sind.“

      „Hasard braucht Ruhe, Ruhe und noch einmal Ruhe“, erklärte der Kutscher erneut. „Daran wird sich auch in den nächsten Stunden nichts ändern. Wir sind zur Tatenlosigkeit verdammt und können nichts unternehmen.“

      Die Augenbrauen von Siri-Tong hatten sich ärgerlich zusammengezogen. „Eigentlich habe ich selbst schuld, daß die Stewart-Bande uns hier aufgespürt hat. Ich habe den Männern der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ ja den Rat gegeben, sich nach einer größeren Insel umzuschauen – mit Hilfe der Jollen. Das war ein Fehler von mir.“

      „Nein“, sagte Ben. „Es war ein faires Angebot, denn du hättest die Jollen auch in Trümmer schießen können. Aber wenn sie jetzt statt dessen meinen, sich mit uns anlegen zu können, müssen sie auch mit den Konsequenzen rechnen, die sich daraus ergeben.“

      „Eben“, sagte die Rote Korsarin grimmig. „Das können sie haben.“

      Auch die anderen Männer pflichteten ihr bei. Es wurden nur noch wenige Worte gewechselt, dann verließ Siri-Tong die „Isabella“ wieder und kehrte mit der Jolle zur „Caribian Queen“ zurück.

      Gegen vier Uhr morgens verließ die „Caribian Queen“ die Südbucht der Insel und ging auf der Atlantikseite der Inseln auf Nordwestkurs Richtung Grand Cays. Schon bald waren ihre Umrisse in der Dunkelheit verschwunden.

      Ben Brighton ließ von jetzt an verschärft Ausguck gehen. Die „Isabella“ blieb gefechtsbereit. Der Kutscher war wieder in den Krankenraum zurückgekehrt, sein Aufenthalt an Deck war nur von kurzer Dauer gewesen. Schweigend setzte er sich zu Mac Pellew und den Zwillingen, die nach wie vor am Lager des Seewolfs Wache hielten.

      Hasard lag in einem unruhigen Fieberschlaf. Der Kutscher blickte Mac Pellew an und nickte ihm zu. Es war richtig, daß sie ihn angeschnallt hatten, sehr leicht hätte er sonst von seiner Koje fallen können. Sein Zustand war unverändert bedenklich, eine Besserung zeichnete sich nicht ab. Der Kutscher und Mac Pellew bewachten ihn aufmerksam. Noch verspürten sie keine Müdigkeit. Philip junior jedoch fielen im Morgengrauen die Augen zu, er schlief im Sitzen ein.

      Sein Bruder wollte ihn wachrütteln, aber der Kutscher schüttelte den Kopf, stand auf und bettete den Jungen vorsichtig auf der Bank.

      „Zwei Mann genügen für die Wache“, flüsterte er Hasard junior zu. „Warum legst du dich nicht auch ein bißchen hin?“

      Hasard junior preßte die Lippen zu einem Strich zusammen und gab keine Antwort. Sein Blick war auf seinen Vater gerichtet. Bei der Schlacht um die Schlangen-Insel hatten sie bereits einmal geglaubt, ihn verloren zu haben, doch dann war er – völlig unerwartet – wieder aufgetaucht und hatte in das Gefecht eingegriffen. Dieses Mal aber sah es weitaus übler aus – mehr als das, was vorgenommen worden war, konnten sie für ihn nicht tun.

       2.

      Kapitän Charles Stewart saß mit finsterer, brütender Miene auf den beiden Goldkisten, die der Jolle zusätzliches Gewicht und mehr Tiefgang verliehen. Das Erwachen des jungen Tages, der sich im Osten mit grauen und rötlichen Schleiern ankündigte, nahm er kaum wahr. Auch der Sonnenaufgang fand nicht seine Beachtung. Er starrte nur vor sich hin und grübelte über die jüngsten Geschehnisse nach.

      Welcher Teufel hatte ihn überhaupt geritten, den Zweidecker des „Satansweibes“ zu verfolgen und mit dem verwegenen Plan, den Seewolf als Geisel festzunehmen, in die Ankerbucht der beiden Schiffe einzudringen?

      Hatte er tatsächlich geglaubt, der Handstreich würde ihm gelingen? Ja, das hatte er getan. Schließlich hätte das Bubenstück auch gut ausgehen können, denn es war durchaus möglich gewesen, daß die „verfluchten Hunde“ ihre volle Aufmerksamkeit dem angeschossenen „Bastard“ widmeten.

      Aber es hatte wohl nicht klappen sollen. Es war so gut wie alles schiefgegangen, und wieder mal hatte er sich davonstehlen müssen, um nicht selbst verletzt oder gar getötet zu werden. Eine zweite negative Erfahrung – wie im Fall des Entermanövers, mit dem er auf Anraten von Monk hin die „Orion“ hatte entern wollen. Auch das war fehlgeschlagen, denn Corbett und seine Crew waren höllisch auf der Hut gewesen. Energisch hatten sie den Angriff zurückgeschlagen – mit Drehbassen und Musketen, Handspaken und Koffeynägeln.

      Überhaupt, dieser Monk! Gut so, daß er tot war. Mit seinen idiotischen Einfällen hatte er ihn, Stewart, zu waghalsigen Unternehmungen verleitet. Und Doherty war so dumm gewesen, dabei mitzumachen, doch der Kerl hatte sowieso keine eigene Meinung gehabt, dazu war er viel zu einfältig gewesen. Gut, daß auch er verreckt war, ihm weinte sowieso keiner eine Träne nach.

      Kein Wort wurde an Bord der Jolle gesprochen, auch O’Leary und die fünfzehn Kerle der „Lady Anne“ hockten mit verkniffenen, bösen Gesichtern da. Es wurde heller, die Sonne stieg als roter Ball aus der See, einige Möwen schwebten über dem Boot. Keiner schaute zu ihnen auf. O’Leary spuckte hin und wieder ins Wasser.

      Nein, dachte Stewart, es war doch nicht verkehrt, es zu versuchen. Gut, wir sind nicht ausreichend bewaffnet, aber der Mut ersetzt die fehlenden Mittel. Es hätte auch alles klappen können. Außerdem hätten wir noch viel mehr Pech haben können. Nur Monk und Doherty sind über den Jordan gegangen, das ist ein geringer Verlust. Wir anderen können froh sein, daß es uns nicht erwischt hat.

      Thomas Lionel, der Jüngste und dümmste Killigrew-Sproß, hatte allerdings einen Kopfstreifschuß erhalten. Zuerst hatte er gezetert und gejammert, dann aber hatte ihn O’Leary mit der Drohung, er werde ihn über Bord werfen, zum Verstummen gebracht. Später hatte Simon Llewellyn seinem Brüderchen einen improvisierten Kopfverband verpaßt. Seitdem beklagte sich Thomas Lionel nicht mehr über seine „gräßlichen Schmerzen“. Er war sogar eingeschlafen und gab abgehackte Schnarchtöne von sich.

      Jawohl, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Alle Mann hätten sie sterben können, dann wäre es ganz aus gewesen mit dem Gold und allen Plänen. Jetzt mußte man wieder Hoffnung schöpfen.

      Deswegen, so fand Stewart, war es auch richtig, daß er angeordnet hatte, zu den Grand Cays zurückzukehren. Dort würde man erst mal weitersehen.

      Es wurde acht Uhr morgens und noch ein bißchen später. O’Leary murmelte etwas Unverständliches, richtete sich auf und schirmte die Augen mit der Hand ab.

      „Verdammter Mist“, sagte er. „Ich sehe die Insel nirgends. Vielleicht segeln wir auf falschem Kurs.“

      Stewart hielt ebenfalls Ausschau. „Bald müßte sie in Sicht sein.“

      „Das sage ich ja.“

      „Noch eine halbe Stunde, dann haben wir sie vor uns“, sagte Stewart.

      „Eigentlich wäre es besser, sie doch nicht wiederzufinden“, sagte O’Leary und sah ihn an.

      „Wie? Du meinst, die Kerle sind abgehauen?“

      O’Leary spuckte wieder ins Wasser, dann erwiderte er: „Es ist mir so ziemlich scheißegal, ob sie sich verholt haben, in der Nase bohren oder den Sand fressen, der auf dem verfluchten Strand der Bucht rumliegt.“

      Nach menschlichem Ermessen mußten sie sich allerdings nach wie vor auf der östlichen Insel der Grand Cays befinden: die Männer der „Orion“ und der „Dragon“ sowie noch zwölf Kerle der „Lady Anne“ und sieben Gentlemen aus der erlauchten, sehr ehrenwerten und hochwohlgeborenen Sir-Henry-Clique. Sie hatten Hütten gebaut und wollten aller Wahrscheinlichkeit nach das Eiland vorerst gar nicht verlassen. Von dieser Annahme ging Stewart bei seinem Kalkül, das er aufgestellt hatte, aus.

      „Mir ist es nicht egal“, sagte Stewart