Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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daß er und die anderen sofort auslaufen sollen. Haltet euch nicht damit auf, erst zum Schiff hinüberzupullen. Wir acht begeben uns auf dem Landweg zu der östlichen Landzunge und sehen, ob wir von dort aus etwas tun können.“

      „Aye, Sir, bin schon unterwegs“, sagte Dan. Er drehte sich um und verließ das Plateau.

      Er lief zu den Buschgruppen hinunter, die sie beim Aufstieg passiert hatten, stolperte in seiner Hast ein wenig, hatte aber keine Mühe, das Gleichgewicht zu halten und ohne Aufenthalt weiterzuhetzen.

      Plötzlich registrierte er jedoch rechts von sich, hinter einem dichten Dornengerank, eine Bewegung. Er lief zu schnell, um noch rechtzeitig abstoppen zu können, hetzte an dem Gestrüpp vorbei, griff dabei jedoch instinktiv zur Pistole.

      Etwas schoß hinter dem Busch hervor und entpuppte sich als menschliche Gestalt. Der Fremde packte mit zwei sehr großen Händen Dans rechten Fußknöchel. Dan ging zu Boden und glaubte das Knacken in seinem sich verdrehenden Bein zu hören, das sofort heftigen Schmerz auslöste.

      Er überrollte sich zweimal zwischen den Büschen, blieb stöhnend auf dem Rücken liegen und wollte nun endlich seine Pistole zücken, doch der Fremde war über ihm und rammte ihm die Faust gegen die Kinnlade – gleich zweimal, so daß Dan nicht mehr die geringste Chance gegen ihn hatte.

      Bevor ihm die Sinne schwanden, sah Dan noch das Gesicht des Angreifers über sich. Es war breit und hatte derbe Züge, die zu keinerlei Ausdruck fähig zu sein schienen und weder Haß noch Schadenfreude noch Genugtuung spiegelten. Nur in den kleinen, tiefliegenden grauen Augen schien ein mordlustiges Funkeln zu sein.

      In Dans Kopf dröhnte und wirbelte es so stark, daß er für einen Augenblick glaubte, draußen in dem tödlichen Strudel zu treiben.

      Dann deckte tiefe Finsternis jede Wahrnehmung zu.

      4.

      Die Schiffsbewegung nahm Kapitän Fosco Sampiero mit. Er taumelte durch den Ruderraum nach vorn und prallte hart gegen die Querwand. Hinter ihm fluchten Venturi und die anderen, die mit an der Ruderpinne gearbeitet hatten. Es polterte über ihnen im Achterkastell.

      Mit einemmal ertönte grell und stark verzerrt die Stimme des Zweiten Offiziers: „Kommt zurück nach oben! Es hat alles keinen Zweck mehr, wir sind im Strudel! Wir sinken, Santa Madonna, wir sinken! Rette sich, wer kann!“

      Seine letzten Worte gingen in dem Schreien der Frauen unter.

      Bianca Sampiero, Tosca Venturi und Ivana Gori hatten in der Kapitänskammer den Bootsmann Vittorio Medola in die Koje Sampieros gelegt. Sie hatten begonnen, die Wunde in seinem Rücken zu behandeln, so gut sie konnten, bevor der Feldscher erschien, nach dem die Frau des Kapitäns hatte rufen lassen.

      Aber der Feldscher zeigte sich nicht, und die „Novara“ wurde von wilden Schlägen durchgerüttelt, die sie bis in die äußersten Verbände erzittern ließen. Wie durch eine unsichtbare Macht wurde Medola aus der Koje gehoben. Er landete auf dem Boden und rollte quer durch den Raum, hin und wieder zurück, als sich die „Novara“ ächzend zur anderen Seite neigte. Er hinterließ eine blutige Spur auf den Planken, seine Arme und Beine bewegten sich wie die Gliedmaßen einer Marionette.

      „Santa Maria!“ schrie Ivana Gori. „Er ist tot. Tot, tot!“

      „Sei still!“ rief Bianca Sampiero. Sie griff nach ihrer Hand und zerrte sie mit sich auf den Gang hinaus. Sie wollte um Hilfe rufen und nach ihrem Mann sehen, denn sie brauchte jetzt dessen Rat und Beistand, da auch sie die Fassung zu verlieren drohte.

      Tosca Venturi war ausgerutscht und hingefallen. Sie stieß auf dem Boden mit Medolas schlaffer Gestalt zusammen und schrie entsetzt auf.

      Fosco Sampiero stürmte mit seinen Helfern nach oben, entdeckte seinen Zweiten Offizier im Mittelgang der Hütte und ging sofort direkt auf ihn los. Gori gebärdete sich wie ein Verrückter, er hatte die Nerven verloren.

      Sampiero packte ihn bei den Rockaufschlägen und schüttelte ihn hin und her. „Sind Sie wahnsinnig, hier so herumzuschreien?“ fuhr er ihn an. „Sie machen alles nur noch schlimmer, Sie Hornochse!“

      „Lassen Sie meinen Mann los!“ schrie Ivana Gori. Sie versuchte, sich von Bianca Sampiero loszureißen, doch es gelang ihr nicht.

      Die „Novara“ trieb im Strudel und neigte ihren Bug immer weiter nach unten. Auf dem Hauptdeck glitten die Männer aus. Sie mußten sich an den Nagelbänken und an Tauen und Wanten festhalten, um nicht nach vorn und über die Back weg in den tödlichen Trichter gerissen zu werden.

      „Ich will nicht sterben!“ brüllte Gori. „Ich will weg, laßt mich!“

      „Domenico!“ schrie seine Frau.

      Sampiero schlug dem Mann zweimal ins Gesicht, dann ließ er ihn los. Gori schlug mit dem Rücken gegen die schiefe Gangwand und sank daran zu Boden.

      Sampiero gab seiner Frau, dem Ersten und allen anderen zu verstehen, sie sollten ihm folgen, dann stürzte er auf die Kuhl hinaus, hielt sich am wild schwankenden Schott fest und blickte über das stark abschüssige Deck in das gähnende schwarze Maul des Strudels.

      Das darf nicht wahr sein, dachte er schockiert, es ist alles nicht wahr, du träumst nur, so etwas gibt es einfach nicht.

      „Beiboote abfieren!“ schrie er. „Wir verlassen das Schiff!“

      Einige Decksleute hatten schon damit begonnen, die beiden Jollen der „Novara“ von ihren Zurrings zu befreien. Sampiero lief zu ihnen und half ihnen dabei. Es war ein wahnwitziges Unternehmen, die Boote zu Wasser bringen zu wollen, ohne daß sie kenterten oder sich von ihren Leinen losrissen, aber es war noch fataler, einfach ins Wasser zu springen, denn das wäre gleichbedeutend mit Selbstmord gewesen.

      Nichts konnte dem Höllenstrudel entgehen.

      „Moment mal“, sagte Big Old Shane verdutzt. „Dan ist weg, verdammt noch mal.“

      Carberry stieß einen unwilligen, verächtlichen Laut aus. „Natürlich ist er weg, du Barsch, Hasard hat ihn doch selbst fortgeschickt.“ Er blickte weiterhin durch das Spektiv.

      „Das meine ich nicht“, sagte der graubärtige Riese. „Eben habe ich ihn noch zwischen den Büschen gesehen, aber jetzt ist er untergetaucht, als habe er sich in Luft aufgelöst.“

      Der Seewolf ließ das Fernrohr sinken. „Er ist hingefallen, willst du sagen?“

      „Genau das.“

      „Mann“, sagte der Profos. „Er wird doch wohl nicht so dämlich sein und sich die Gräten brechen, was?“

      „Ich sehe mal nach. Vielleicht hat er sich an einem Stein gestoßen.“ Shane setzte sich besorgt in Bewegung und eilte den Hang hinunter. Hasard blickte ihm nach. Carberry, der der Sache immer noch keine Bedeutung beimaß, spähte unverwandt zu der fremden Galeone hinüber, deren Untergang jetzt unmittelbar bevorstand.

      Ungefähr auf halber Strecke zu dem Punkt, an dem er Dan zuletzt gesehen hatte, blieb Big Old Shane abrupt stehen. Eine Gestalt richtete sich zwischen den Büschen auf, aber sie war nicht mit Dan O’Flynn identisch. Es handelte sich um einen Bullen von Kerl, der eine Muskete im Anschlag hielt und damit auf Shanes Brust zielte.

      „Hölle und Teufel“, sagte der Schmied von Arwenack. „Jetzt haben wir den Salat.“ Er wollte in Dekkung gehen und selbst seine Muskete hochreißen, aber da erklang hinter seinem Rücken eine scharfe Stimme.

      „Keine Bewegung, oder ihr seid alle des Todes!“

      Hasard, der schon die Hand auf den Kolben seiner doppelläufigen Reiterpistole gesenkt hatte, wandte den Kopf. Carberry ließ das Spektiv sinken und drehte sich ebenfalls verblüfft um.

      Die Stimme hatte Französisch gesprochen, aber sie verstanden alle genug von dieser Sprache, um den Inhalt des Satzes deuten zu können. Eine Fehlinterpretation war ausgeschlossen, außerdem war das Benehmen des Mannes, der hinter ihnen zwischen den Felsen am nördlichen Rand des Plateaus aufgetaucht war, so offensichtlich