Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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mir gleich vier von den Dingern geben lassen, als wir von Bord unserer alten Lady gingen. Ferris hat ja wieder einen ganzen Vorrat gebastelt, und auch er fand, es wäre eine gute Idee, die Flaschen nicht so nutzlos rumliegen zu lassen. Wer weiß, vielleicht können wir sie noch gut gebrauchen.“

      Hasard mußte lachen. „Ihr Himmelhunde, euch juckt es wohl in den Fingern, was? Na los, gib schon her, Donegal, zwei davon nehme ich mit.“

      Der Alte war plötzlich ernst geworden. „Nimm sie lieber alle vier. Im übrigen wäre ich froh, wenn’s beim Jucken in den Fingern bleibt. Du verstehst schon, was ich meine, Sir.“

      „Gewiß. Aber du solltest dir keine übermäßigen Sorgen bereiten. Vereinbaren wir ein Zeichen: Wenn wir beim Anbruch der Dunkelheit einen Schuß abfeuern, bedeutet das, wir sind wohlauf und befinden uns auf dem Rückweg, so daß ihr uns nicht zu suchen braucht. Geben wir zwei Schüsse ab, heißt es, daß wir Hilfe brauchen.“

      „Aye, Sir“, sagte Sam Roskill. „Und was immer auch geschieht, wir hauen euch heraus, verlaß dich drauf.“

      Sie wechselten noch ein paar eher belanglose Worte, dann gingen Hasard, der Profos, Big Old Shane und Dan O’Flynn davon. Sie achteten darauf, nicht in den tiefgrünen, undurchdringlich wirkenden Busch zu geraten, der sich über den Hügelkuppen erhob, und setzten sich als Ziel den größten Berg im Norden, der bald schon sehr nah vor ihnen lag.

      Das Geschrei drang immer noch mit dem Wind aus Nordosten an ihre Ohren, und es drängte sie zur Eile. Sie begannen zu laufen und hasteten einen langgezogenen Hang hinauf, an dessen oberem Ende Hasard den Rand eines Plateaus zu erkennen meinte.

      Der Sog griff nach Roi Lodovisis Beinen. Mächte der Finsternis schienen ihn zu regieren und hatten offenbar entschieden, daß der Profos seiner Strafe für das, was er getan hatte, nicht entging.

      Das Wasser war angenehm kühl, doch Lodovisi spürte, wie er am ganzen Leib zu schwitzen begann. Er schwamm mit energischen, weit ausholenden Zügen und kämpfte gegen die Strömung an, die ihn in ihr gierig schlürfendes, beängstigend kreisendes Zentrum reißen wollte. Er rang mit ihr um sein Leben und war kurz davor, zu schreien, denn er sah Zorzo, Prevost und die anderen mehr und mehr Abstand gewinnen.

      Sie waren schon mehr als eine halbe Kabellänge von der Bordwand der „Novara“ entfernt und flohen zum Riff, ohne sich auch nur noch einmal umzusehen.

      Lodovisi war nicht sicher, ob sie wirklich nicht bemerkt hatten, in welchen Schwierigkeiten er sich befand – oder ob sie nur so taten, als sei es ihnen nicht aufgefallen. Er verfluchte sie, er biß sich vor Wut auf die Unterlippe, und er kämpfte verzweifelt weiter.

      Jeder ist sich selbst der Nächste – hatte er ihnen diesen Leitsatz bei ihren geheimen Zusammenkünften an Bord der Galeone nicht immer wieder vorgebetet?

      Er hatte es geschafft und die „Novara“ der Verrichtung preisgegeben, weil er sie niemals mehr in seinen Besitz bringen konnte. Aber: Wenn er jetzt selbst ein Opfer seiner Meuterei wurde, welchen Wert hatte das dann gehabt?

      Er hatte das deutliche Gefühl, auf der Stelle zu schwimmen. Nicht mehr lange, denn bald ließen seine Kräfte nach. Dann siegte der Strudel, der die „Novara“ bereits in seinen Bannkreis gezogen hatte.

      Lodovisi blickte sich nach der Galeone um. Er hatte sich nach seinem Sprung von der Galionsplattform an Steuerbord befunden, aber jetzt schwenkte das Schiff herum und richtete den Bugspriet nach Süden, so daß sich das Heck mehr und mehr ihm, dem Profos, näherte.

      Sampiero, Venturi und den anderen unten im Achterdeck war es gelungen, tatsächlich das ramponierte Ruder herumzudrücken, und der Kapitän versuchte nun, an Backbord des Trichters vorbeizugehen, weil er auf dieser Seite mehr Chancen hatte, gleichzeitig auch der Falle des Riffs zu entgehen und vorsichtig nach Süden abzulaufen. An Steuerbord des Soges, also näher zur Küste der Insel hin, standen die Chancen, nicht auf die nahen Korallenbarrieren zu laufen, eins zu hundert.

      Lodovisi rechnete damit, daß die Männer, die er verraten und im Stich gelassen hatte, auf ihn schießen würden, vielleicht sogar mit einem der Bordgeschütze, doch dies trat nicht ein. Man schenkte ihm nicht mehr die geringste Beachtung, alle Aufmerksamkeit, alles Schreien, Fluchen und Beten bezog sich auf den Todesstrudel.

      Plötzlich schwang die „Novara“ ganz mit dem Heck herum und vollführte eine gleichsam groteske Bewegung im Wasser – viel zu schnell für ein so schwerfälliges Schiff. Lodovisi, der jetzt angestrengt mit den Beinen strampelte, sah als erster, was geschah: Die Strömung zog die Galeone in die mörderische Umlaufbahn. Das Manöver mit der Ruderpinne hätte vielleicht noch etwas genutzt, wenn der Dreimaster nicht auch in seinem Frachtraum beschädigt worden wäre, so aber hatte die „Novara“ bereits derart viel Wasser gezogen und lag so tief in den Fluten, daß auch die kühnste Aktion des besten Kapitäns ihr nicht mehr aus dem Wirbel herausgeholfen hätte.

      Während sie sich drehte und etwas nach Steuerbord krängte, schienen sich die Wassermassen im Inneren des Rumpfes nach vorn zu verlagern. Jedenfalls wurde sie kopfplastig und tauchte tief mit dem Bug nach unten, während das Heck sich so weit aus der See hob, daß schon fast die Unterkante des Ruderblattes zu sehen war.

      Ein einziger Schrei, von vielen Kehlen ausgestoßen, gellte zu Lodovisi herüber.

      Die „Novara“ befand sich jetzt zwischen ihm und dem „Auge“ des Riesenstrudels. Ganz unvermittelt geschah etwas, mit dem er niemals gerechnet hätte.

      Er gewann mehr Vortrieb, gelangte jetzt besser voran und konnte mehr Distanz zwischen sich und das Schiff legen. Er begriff, daß die „Novara“ dem Sog etwas von seiner äußeren Kraft genommen hatte, zumindest in diesem Moment. Und so verhalf sie dem Mann, der ihren drohenden Untergang bewirkt hatte, zur Rettung. Dies war der größte Aberwitz des schrecklichen Ereignisses.

      Roi Lodovisi fühlte ungeheuren Triumph in sich aufsteigen. Er beruhigte sich, schwamm wieder mit langen und kräftigen Zügen und dachte: Verreckt, ihr Ratten, ersauft, ihr habt es nicht besser verdient!

      Hasard, Carberry, Shane und Dan O’Flynn standen auf dem Plateau und blickten abwechselnd durch die beiden Spektive, die sie bei sich trugen. Der Berg war wirklich der ideale Aussichtsplatz, als den sie ihn eingeschätzt hatten. Von hier oben konnte man nahezu die ganze Insel überschauen.

      Am östlichen Ufer ragte eine Landzunge ins Meer, die große Ähnlichkeit mit einer zum Zupacken bereiten Hand hatte. Jenseits dieses bizarren Auswuchses, den eine Laune der Natur geschaffen zu haben schien, war durch die Optik klar die dreimastige Galeone zu erkennen, die sich im Kreis bewegte und ihr Vorschiff mehr und mehr in die Fluten senkte.

      „Allmächtiger“, sagte Hasard. „Das kann doch nicht wahr sein. Wie konnte das geschehen? Es erscheint mir unwahrscheinlich, daß der Kapitän und seine Mannschaft den Strudel nicht rechtzeitig genug bemerkt haben.“

      Shane, der gerade durch das zweite Rohr spähte, meinte: „Das Schiff ist leck, und vielleicht hat es Ruderbruch erlitten. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.“

      „Bei der ruhigen See?“ fragte Dan. „Mann, das gibt’s doch nicht.“

      „Da stimmt was nicht“, sagte Carberry. „Die Sache stinkt, und zwar ganz gewaltig. Ich wette, da ist irgendeine Riesensauerei mit im Spiel.“

      „Egal“, sagte der Seewolf. „Wir müssen sofort etwas unternehmen. Zu retten ist das Schiff nicht mehr, aber ich sehe, daß einige Männer bereits ins Wasser gesprungen sind und auf die Landzunge zuschwimmen. Gleich verlassen auch die anderen das Schiff, eine andere Möglichkeit haben sie nicht mehr. Wir müssen Ben Bescheid geben, daß er mit der ‚Isabella‘ um das Südkap herumsegelt und versucht, die Schiffbrüchigen aufzufischen. Vielleicht sind Leute dabei, die kaum schwimmen können und es bis zum Ufer nicht schaffen.“

      „Ob das wohl ein Spanier ist?“ murmelte Carberry, der eben von Shane das Spektiv übernommen hatte. „Oder ein Portugiese?“

      „Das erfahren wir schon noch“, sagte Hasard. „Ganz gleich, woher das Schiff stammt, es ist unsere verdammte Pflicht, der Besatzung zu helfen, wo wir noch helfen können. Los, Dan, du