Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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      Sampiero wandte sich wütend zu ihm um. „Sie beleidigen mich! Gehen Sie von Bord, ehe ich mich vergesse! Sie sind ein Trottel, ein Einfaltspinsel und ein unfähiger Anfänger, den ich an Bord meines Schiffes nur geduldet habe, weil ich Mitleid mit ihm hatte!“

      Venturi lachte freudlos auf. „Beschimpfen Sie mich ruhig, es stört mich nicht. Deswegen bleibe ich trotzdem.“

      „Fosco!“ ertönte ganz schwach aus dem Tosen des Wassers die Stimme von Bianca Sampiero. „Mein Gott, so kommt doch endlich!“

      „Emilio!“ schrie nun auch Tosca Venturi.

      Sampiero kroch auf Venturi zu, um ihn nun doch zu packen und ins Wasser zu stoßen. Etwas kochte in seinem Inneren über. Er begriff den Starrsinn seines Ersten nicht und vergaß darüber seine eigene Verbohrtheit.

      Sampiero hatte Venturi, der vor ihm auswich, fast erreicht, da wurden sie beide durch etwas völlig Unerwartetes abgelenkt.

      Aus der Tür der Kapitänskammer, die sich jetzt in waagerechter Lage befand, kroch eine Gestalt hervor, die sich an den Taljen der Heckbalustrade festklammerte, und sich – augenscheinlich unter größter Anstrengungen – daran hochzog. Sie schaffte es, stellte sich mit den Füßen auf die Achterwand der Hütte und schob dem Kapitän und seinem Ersten ein bleiches Gesicht mit weit aufgerissenen Augen entgegen, das beim ersten Hinsehen wie das Antlitz eines Geistes anmutete.

      Der Mann war Vittorio Medola.

      Old O’Flynn, Sam Roskill, Luke Morgan und Bill rissen augenblicklich ihre Musketen und Tromblons hoch, als es im Dickicht raschelte. Trotz des diffusen Dämmerlichtes, das jetzt einzusetzen begann, konnten sie alle vier deutlich die Bewegung verfolgen, die keine zehn Yards von ihnen entfernt war und von einem größeren Lebewesen herzurühren schien.

      „Achtung!“ zischte Old O’Flynn. „Ich gebe einen Schuß ab, und zwar dicht über den Rücken von dem Kameraden hinweg. Ist er ein Mensch, gibt er sich wohl zu erkennen, ist es ein Tier, wird es bocken und die Flucht ergreifen, und dann strecken wir es nieder.“

      „Nur zu“, raunte Sam Roskill. „Wir sind bereit.“

      Der Alte kniff ein Auge zu und zielte ruhig über den Lauf seiner Muskete, doch jetzt tönte ein Ruf aus dem Gebüsch: „He – Freunde, seid ihr das? Hasard? Shane?“

      „Matt Davies, hol’s der Henker“, knurrte Old O’Flynn. „Dich reitet ja wohl der Teufel, wie? Um ein Haar hätte ich dir das ganze Stroh aus deinem verfluchten Schädel geblasen.“

      Luke Morgan stieß heftig die Atemluft aus, dann sagte er: „Mann, Matt, das war wirklich knapp. Kannst du nicht eher Bescheid geben, wer du bist?“

      „Ich hab euch doch auch eben erst entdeckt“, verteidigte sich der Mann mit der Eisenhakenprothese. „Kann ich mich jetzt zeigen, oder habt ihr die Schießeisen immer noch auf mich gerichtet?“

      „Vorwärts“, sagte der Alte und ließ die Muskete sinken. „Was ist denn bloß los? Bist du allein?“

      „Nein. Bob Grey ist bei mir.“

      „Na, Mahlzeit“, brummte Sam Roskill. „Auf euch haben wir gerade gewartet. Was wollt ihr? Habt ihr Heimweh nach uns gehabt?“

      Matt Davies trat aus dem Dickicht hervor und grinste breit. „Da irrst du dich aber gewaltig, Sam. Von mir aus hätten wir an Bord der Old Lady bleiben können, aber Ben bestand darauf, daß wir mal nach euch Ausschau halten. Na ja, wir haben eure Stimmen gehört und …“

      Er wurde durch Bob Grey unterbrochen, der jetzt hinter ihm war und rief: „Vorsicht, nicht schießen, Leute! Ich bin’s, euer guter alter Bob! Ich bin kein Wildschwein und auch kein Hirsch, überzeugt euch bitte davon, bevor ihr abdrückt!“

      „Du Rüsseltier“, sagte Luke wütend. „Schrei hier doch nicht so ’rum. Willst du uns die Wilden auf den Hals locken?“

      „Wieso?“ fragte Matt verdutzt. „Ist die Insel also doch bewohnt?“

      „Augenblick mal“, sagte Sam. „Werfen wir nicht alles durcheinander, ja?“

      Old O’Flynn empfing Bob Grey mit einem zornigen Blick. „Sag mal, du denkst wohl, wir haben alle Schlick auf den Augen. Ich kann eine Mißgeburt wie dich auch in zehn, zwanzig Jahren auf eine Meile Abstand noch von einem Gorilla oder Orang-Utan unterscheiden, und das ist gar nicht mal so einfach.“

      Bob wollte darauf eine passende Antwort geben, aber Matt hielt ihn am Arm fest und sah Old O’Flynn an. „Lassen wir das lieber. Darf man erfahren, was hier läuft? Schön, ich seh ja, daß ihr die Quelle gefunden habt. Fein. Aber warum seid ihr vier hier und nicht oben auf dem Plateau?“

      „Plateau? Was für ein Plateau?“ wollte Luke wissen.

      „Na, jetzt hör aber auf“, sagte Bob empört. „Wollt ihr uns für dumm verkaufen? Das laß ich mir von dir nicht gefallen, Mister Morgan.“

      „Vorerst wissen wir gar nichts“, sagte Old O’Flynn giftig. „Wir tappen hier im Ungewissen, und ich habe das langsam satt. Habt ihr in der Bucht die Schreie und den Pistolenschuß gehört?“

      „Keine Spur“, erwiderte Matt. „Was hat das jetzt wieder zu bedeuten?“

      „Das wissen wir nicht“, erwiderte der Alte. „Aber wenn ihr nichts gehört habt, warum scheucht euch Ben Brighton dann an Land?“

      „Weil ihr schon zu lange weg seid und er sich fragt, warum ihr auf dem Plateau herumkriecht, während hier unten doch wohl eher eine Quelle zu finden ist.“ Matt räusperte sich. „Gary Andrews hat vomVormars aus oben, auf dem Plateau an den nördlichen Berghängen der Bucht, mit dem Kieker die Bewegung von menschlichen Gestalten wahrgenommen, und da haben wir angenommen, das wäret ihr. In Ordnung?“

      „Ich denke schon“, sagte Old O’Flynn. „Hasard, Carberry, Shane und mein Sohn sind in die Berge aufgestiegen, um zu sehen, was es mit diesem Geschrei auf sich hat. Wir sind hiergeblieben und sollen auf die vier warten. Einverstanden, Mister Davies?“

      Matt schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Da stimmt nämlich was nicht. Gary hat auf dem Plateau ganz deutlich insgesamt acht Männer unterscheiden können, und wir dachten, das wäret ihr. Jetzt seid ihr vier aber hier, und ihr seid vorher auch nicht mit Hasard zusammen ’raufgeklettert, oder?“

      „Nein“, sagte der Alte verdutzt.

      „Und Gary hat ganz bestimmt auch keinen Tang auf den Augen“, meinte Bob Grey. „Wenn er sagt, er hat acht Leute gesehen, dann waren es acht. Bloß hat er nicht unterscheiden können, wer das war.“

      „Auf jeden Fall sind es vier zuviel“, sagte Old O’Flynn mit umwerfender Logik. „Aber falls es sich um einen Überfall gehandelt hat, hätte Hasard zwei Schüsse in die Luft abgegeben – wie vereinbart.“

      „Und wenn er dazu keine Gelegenheit hatte?“ fragte Bill. „Was dann?“

      „Die Angelegenheit ist höllisch kompliziert, verdammt noch mal“, sagte Luke Morgan. „Und faul.“

      „Oberfaul, es stinkt bis hierher“, sagte Matt Davies. „Wir können hier nicht herumstehen. Wir müssen etwas tun.“

      6.

      Sampiero und Venturi waren bei dem schwerverletzten Bootsmann Medola angelangt und halfen ihm über die Reling der Heckgalerie. Sie griffen ihm unter die Arme und führten ihn über den Spiegel des sinkenden Schiffes, bemüht, die Balance zu halten. Plötzlich war es für den Kapitän der „Novara“ keine Frage mehr, ob er bis zum bitteren Ende an Bord blieb oder nicht: Sie mußten Medola retten, und Emilio Venturi allein vermochte dies nicht zu schaffen.

      Für einen Moment standen sie hart am Rand der Backbordseite und hatten hinter sich das Ruderblatt, das sich jetzt knarrend nach Steuerbord bewegte.

      Sampiero paßte den günstigsten Zeitpunkt ab, dann schrie er: „Jetzt!“

      Sie