Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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und die anderen Männer, die sich auf dem Hauptdeck am zweiten Boot versammelt hatten, konnten jetzt nicht dafür sorgen, daß er den Mund hielt. Sie hatten genug zu tun mit dem Hochhieven der Jolle, die an über die Rahnocken und durch Taljen laufenden Tauen hing.

      Aber sie fluchten darüber, daß Gori ihre Verzweiflung durch sein Geschrei noch anheizte und wachsen ließ, und alle hatten sie den Wunsch, dem durchgedrehten Zweiten den Hals zuzudrücken.

      Bianca Sampiero stürzte auf ihren Mann zu und rief im Rauschen und Tosen der Fluten: „Warte, Fosco! Laß schon einige Leute in das Boot klettern! Dadurch wird es beschwert und kann nicht so leicht kentern wie das andere!“

      Der Kapitän zögerte nicht, diesen Vorschlag seiner Frau anzunehmen.

      „Los!“ brüllte er. „Die Frauen als erste in das Boot – auch du, Bianca! Nein, keine Widerrede, verstanden? Das ist ein Befehl!“

      Bianca Sampiero hatte alles, nur nicht dies beabsichtigt, doch sie wußte, daß sie sich dem Willen ihres Mannes beugen mußte. Sie half Tosca Venturi und Ivana Gori, die jetzt bei ihr waren, auf die Duchten der Jolle, dann kletterte sie selbst hinterher.

      Sampiero und seine Helfer hatten das Boot wieder ganz auf die Kuhl abgefiert. Sampiero drehte sich auf dem wild schwankenden Deck zu seinem Zweiten Offizier um und winkte ihm zu.

      „Gori! Hierher! Sie gehen mit von Bord, los, beeilen Sie sich, verdammt noch mal!“

      Gori eilte auf die Jolle zu, glitt aus, schlitterte ein Stück über die Planken und stieß dabei einen Laut des Entsetzens aus. Die Kuhlgräting stoppte ihn. Er rappelte sich wieder auf, stolperte zur Jolle und ließ sich über das Dollbord sinken.

      Es war eine Schande für einen Schiffsoffizier, mit den Frauen zu fliehen, statt bis zur letzten Minute an der Seite seines Kapitäns auszuharren, doch Gori schien in seinem derzeitigen Zustand weder so ehrenhaft zu empfinden noch überhaupt urteilsfähig zu sein.

      Sampiero suchte noch drei Decksleute aus, die mit an Bord der Jolle gehen sollten, denn Gori und die drei Frauen allein konnten sie nicht voranbringen, es waren dazu ein paar erfahrene Rudergasten erforderlich.

      Mit vereinten Kräften hievten der Kapitän und seine Männer das Boot wieder hoch, schwenkten es außenbords und fierten es ab. Allein das war bei der gefährlichen Schräglage der Galeone ein höchst waghalsiges Unternehmen. Die Jolle wurde hecklastig, und die vier Männer und die drei Frauen mußten sich an den Duchten festklammern, um nicht herauszufallen.

      Sampiero, Venturi, der Rudergänger und die anderen schrien sich gegenseitig Worte zu, die im Brüllen des Strudels fast untergingen. Immerhin brachten sie es fertig, durch rascheres Wegschricken des einen Bootstaues die Lage der Jolle wieder halbwegs zu stabilisieren, und so setzte sie endlich sicher im Wasser auf. Zwar tanzte sie wie eine Nußschale, aber es erwies sich doch als richtig, daß die Belastung durch eine siebenköpfige Besatzung ein Umschlagen verhinderte.

      Die Rudergasten griffen nach den Riemen. Gori hatte sich so weit gefangen, daß er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Er zerrte den Bootshaken unter den Duchten hervor und drückte die Jolle mit aller Macht von der Bordwand der „Novara“ fort.

      Die „Novara“ bewegte sich nicht mehr kreisend und taumelnd, sie hatte im Zentrum des Trichters einen ruhenden Pol gefunden und neigte sich fast gemächlich noch tiefer mit dem Bug dem Grund der See entgegen. Der Strudel zerrte an ihrem Rumpf, doch er vermochte ihn nicht mehr zu drehen, dazu war die Last des Schiffes mitsamt seiner Ladung zu gewaltig.

      „Aufs Achterdeck!“ schrie Sampiero seinen Männern zu. „Von dort aus werdet ihr springen!“

      „Signor Capitano!“ rief Emilio Venturi. „Sie kommen doch mit uns, oder?“

      Fosco Sampiero antwortete darauf nicht, er arbeitete sich auf der Kuhl, die sich jetzt wie der glatte Hang eines Berges vor ihnen erhob, nach achtern. Es war keine Zeit mehr gewesen, die Manntaue zu spannen, die bei Sturm der Mannschaft einen gewissen Halt an Oberdeck geben. Mühsam mußten sich der Kapitän und seine abgekämpfte, zu Tode entsetzte Gefolgschaft hocharbeiten, am Schanzkleid entlang und dann über den Niedergang bis zur Nagelbank auf dem Achterdeck, die ihnen vorläufig ausreichenden Halt bot.

      Kein Strudel der Weltmeere konnte ein so großes Schiff wie die „Novara“ binnen weniger Augenblicke in die Tiefe ziehen. Dagegen sprachen die Trägheit der Masse und die Behäbigkeit, mit der der Dreimaster zwangsläufig seine Abwärtsfahrt vollführen mußte. Nein, schnell ging das nicht, sondern es vollzog sich fast wie ein Zeremoniell, bei dem die „Novara“ ächzend wie ein verwundeter Gigant nunmehr in nahezu senkrechte Haltung abkippte und das verzierte Heck mit der Galerie und den Bleiglasfenstern der Kapitänskammer hoch aus der See hob. Zoll um Zoll sank sie. In ihrem Frachtraum tanzten die Weinfässer und die Werkzeugkisten im schwappenden Wasser. Bald würden sie unter die Deckenbalken gepreßt werden.

      Sampiero und seine Männer waren ganz bis zur Heckreling hinauf geklommen und kletterten jetzt darüber weg. Damit begaben sie sich auf den Heckspiegel und befanden sich praktisch zwischen der großen Achterlaterne und der Galerie, die rund ums Plattgatt lief, auf der achteren Außenhaut ihres Schiffes.

      Von hier aus vermochten sie zu sehen, wie sich die Jolle in zähem, beständigem Kampf von der Galeone entfernte. Emsig arbeiteten die vier Männer an den Riemen, aber auch die Frauen hatten mit zugegriffen und ruderten so gut mit, wie sie es konnten. Bianca Sampiero saß auf der Heckducht und hielt die Ruderpinne. Immer wieder drehte sie sich zu ihrem Mann und dessen letzten Getreuen um, die wie kleine, hilflose Kreaturen auf dem mächtigen Heckspiegel der „Novara“ aussahen.

      „Fosco!“ schrie Bianca, so laut sie konnte. „Wir schaffen es! Folgt uns, wir werfen euch Taue zu, an denen ihr euch festhalten könnt! Hörst du mich?“

      Sampiero winkte ihr zu, dann sagte er zu seinen Männern: „Ihr springt jetzt. Es ist die letzte Chance, nehmt sie wahr. Versucht, die Insel zu erreichen und Lodovisi zu stellen, der dies alles angezettelt hat. Zorzo und Prevost haben Cavenago, Medola und Teson niedergestochen, sie verdienen dafür den Tod. Über Lodovisi sollte man Gericht halten, ich habe es versäumt, und deshalb trage ich die eigentliche Schuld an diesem Unglück.“

      „Lodovisi wußte, daß Sie ihn noch bestrafen würden, weil er aufwieglerische Reden geführt hatte, Signor Capitano!“ rief Emilio Venturi. „Sie hätten auf jeden Fall damit gewartet, bis wir Nombre de Dios erreichten. Deshalb wollte er vorher von Bord, wollte sich aber auch an Ihnen rächen. Dieser Hund, dieser Mörder!“

      Sampiero richtete sich halb auf und schrie seinen Leuten zu: „Springt! Auf was wartet ihr, ihr elenden Narren?“

      „Signore!“ rief der Rudergänger. „Sie müssen uns begleiten, das sind Sie uns schuldig!“

      „Ja! Ich komme ja auch! Springt!“

      Sie krochen zum Rand des Spiegels, erhoben sich, stießen sich kräftig mit den Beinen ab und flogen dem Wasser entgegen, das inzwischen die „Novara“ bis hinauf zur Querwand des Achterkastells geschluckt hatte.

      Wieder drang ein Stöhnen aus der Tiefe des Schiffsleibs, ein urwüchsiger, dumpfer Laut, in dem sich alle Qual zu vereinen schien, die die Männer empfanden.

      Venturi blickte seinen Kapitän an. „Capitano, ich weiß, daß Sie mit diesem Schiff in Gottes tiefen Keller sinken wollen, ich sehe es Ihnen an! Aber das lasse ich nicht zu!“

      „Venturi, Sie haben mir keine Anweisungen zu geben!“

      „Das tue ich auch nicht.“

      „Verschwinden Sie endlich! Hauen Sie ab!“

      „Nein! Ich bleibe!“

      „Venturi, ich kann Sie zwingen, diesen Teufelskahn zu verlassen, das wissen Sie ganz genau!“

      „Sie werden es nicht tun!“

      Ja, das stimmte: Niemals würde Sampiero es über sich bringen, Hand an seinen Ersten Offizier zu legen, auf den er immer große Stücke gehalten hatte. So gesehen, befand er sich jetzt in einer Zwangslage, denn er konnte es nicht verantworten,